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Dobra Ruine (Weinviertel)


Wie fast alle Burgen der Befestigungslinie am Kamp dürfte auch Dobra um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet worden sein. Damals legte man einen zweiten Burgenring für den Fall an, dass die vordringenden Böhmen die Burgenkette an der Thaya durchbrechen könnten. Wer der Erbauer der Burg war, ist jedoch nicht bekannt. Der Name „Dobra“ kommt aus dem Slawischen und bedeutet so viel wie Wald. Er weist auf die Lage der Burg hin, die damals noch viel entlegener war, als heute. 1186 wird der Wehrbau mit Hertnit von Dobra urkundlich erstmals erwähnt. Die Herren von Dobra waren eine anerkannte Familie. Unter Herzog Friedrich II und König Przemysl Ottokar II bekleideten sie das Amt eines Schenken. 1278 belehnte Heinrich der Ältere von Kuenring seinen Dienstmann Otto von Dürnstein mit der Burg. Im 14. Jahrhundert dürfte dessen Familie ausgestorben sein. Spätere Bewohner nannten sich wieder nach Dobra. Arnold von Dobra verkaufte 1329 die halbe Burg an seinen Onkel Simon von Sitzendorf. 1342 ging Dobra im Erbweg an Johann II von Kuenring über. Nach einem Erbstreit fiel die Burg 1408 an den mit den Kuenringer verschwägerten Johann II von Liechtenstein-Nikolsburg. 1446 war sie im Besitz des berüchtigten Tobias von Rohr, der das einträgliche Geschäft der Raubritterei ausübte und in der Umgebung großen Schaden anrichtete. Er wurde zwei Jahre später durch ein Heer der Landstände zur Aufgabe gezwungen. Wilhelm von Missingdorf war seit 1464 Burgherr. Er setzte auf die falsche Karte, unterstützte den ungarischen König Matthias Corvinus und übersandte Kaiser Friedrich III einen Absagebrief, was einer Kriegserklärung gleichkam. Dennoch durfte er nach dem Friedensschluss seine Güter behalten, da er Abbitte geleistet hatte. Mit Hans von Missingdorf erlosch 1513 auch seine Familie. Im 16. Jahrhundert erfolgte der Umbau der bis dahin vorwiegend gotischen Anlage in eine stark befestigte Wohnburg der Renaissance. 1533 wurde Nikolaus von Rauber, der als Feldhauptmann in militärischen Diensten König Ferdinands I stand, von diesem mit Dobra belehnt. Nach dem Tod des Freiherrn Wolf Dietrich von Rauber ging das landesfürstliche Lehen an Sebastian von Windisch-Grätz.

Ulrich Graf von Hardegg besaß die Herrschaft ab 1559, verkaufte sie aber 1593 an Erasmus Braun von Pielachhag. Zu den rasch wechselnden Besitzern des 17. Jahrhunderts zählten u. a. die Kuefstein, Walderode und Megier. 1645 konnte die Besatzung der Burg eine Belagerung durch die Schweden erfolgreich abwehren. Offenbar waren die Lebensmittelvorräte den Belagerern früher als den Belagerten ausgegangen. 1699 verkaufte Kaiser Leopold I die Herrschaft Dobra dem Baron Johann Reichhardt Schäffer und erlaubte ihm unweit der Burg einen neuen, komfortableren Wohnsitz zu errichten. Schäffer starb jedoch bevor er seinen Plan ausführen konnte. Da Dobra aber für einen dauernden Wohnsitz längst zu unbequem geworden war, ließ Philipp Freiherr von Ehrmanns, der seit 1715 Burgherr war, den zur Herrschaft gehörenden Meierhof im benachbarten Wetzlas schlossartig ausbauen. 1725 zog er mit seinen Bediensteten in einem feierlichen Umzug dorthin. Dobra blieb dem Verfall überlassen. Die Bauern der Umgebung durften das Mauerwerk abtragen und zum Bau ihrer Häuser verwenden. Auch beim Ausbau der Pfarrkirche von Franzen leisteten die Steine noch gute Dienste. 1906 stürzten Teile der Außenmauern ein. Seit 1958 ist die Windhag’sche Stipendienstiftung Eigentümerin der Ruine. Ihre Sanierung und Instandhaltung wurde vom Verein „Pölla aktiv“ übernommen, der die Anlage seit 1996 gepachtet hat. 2010 konnten die Sanierungsarbeiten abgeschlossen werden. Diese wurden weitgehend professionell durchgeführt. So wurde im Bergfried eine kaum störende eiserne Stiege eingebaut und drei zusammenhängende Kellerräume freigelegt und begehbar gemacht. Einziger Schwachpunkt ist der Neubau des großen Festsaales. Man sollte meinen, dass sich die Puristen im Österreichischen Bundesdenkmalamt in Krämpfen gewunden hatten, bevor sie ihre Zustimmung zum Einbau des Saales gaben. Seine Holz/Glasfassade wirkt inmitten des romanischen bzw. gotischen Quader- und Bruchsteinmauerwerks doch recht deplatziert. Wie man hört, stammen die Pläne aber von der Behörde selbst. Natürlich handelt es sich um einen Kompromiss zwischen Denkmalschutz und Tourismus.

Dobra wurde als Höhenburg auf einem länglichen Waldrücken erbaut, der an drei Seiten steil zum Kamp abfiel. Bedingt durch die Errichtung der Kamptalstauseen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Ruine heute eher den Charakter einer ausgedehnten Wasserburg. Sie liegt nun auf einer leicht erhöhten, vorgeschobenen Landzunge in der fjordartigen Landschaft des Dobra-Stausees. Ihr unregelmäßiger Grundriss ist dem langgestreckten Bauplatz angepasst. Die schmale Anlage verläuft von Südwest nach Nordost. Bei einer Länge von 88 m schwankt die Breite zwischen 20 und 37 m. Bis auf ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingestürzte Mauerstück ist die gesamte Burg von einem ca. 1,8 m starken Bering umgeben. Er zählt zu den ältesten Teilen der Anlage. Eine gemauerte Rampe führt zum ersten Torturm mit dem rundbogigen Tor. Eine Fußgängerpforte liegt nebenan, aber außerhalb des Torturmes. Dieser ist zweigeschossig und teilweise noch mit Zinnen versehen. Hinter dem Torbau erstreckt sich der äußere Burghof. Die Burg hatte sowohl im Süden als auch im Norden einen Zugang, was das Vorhandensein von zwei Bergfrieden verständlich macht. Beide waren nach den Regeln des mittelalterlichen Burgenbaues so angeordnet, dass ein Angreifer seinen ungesicherten Schwertarm diesen Bollwerken zuwenden musste. Der ursprüngliche Eingang lag im Norden, das Südtor wurde erst in der Gotik errichtet. An der linken Hofseite erhebt sich hinter einem breiten Abschnittsgraben auf einem fünf Meter hohen Felssockel der 23 m hohe Süd-Bergfried. Er stammt aus der Zeit um 1250. Heute dient er als Aussichtsturm. Das Quadermauerwerk in seinem unteren Bereich ist noch romanisch. Dort ist er fünfseitig, wird dann viereckig und ab einer Höhe von 20 m achteckig. Seine spitze Kante ist der Angriffsseite zugekehrt und sollte dadurch Geschosse vom Inneren der Hauptburg ablenken. Seine Mauern sind bis zu 3,5 m dick. Der ursprüngliche Einstieg lag an der 11 m langen Hofseite in zehn Meter Höhe. Der zwingerartige Hof führt zum längst abgebrochenen zweiten Tor, hinter dem sich der erste innere Hof anschließt. Beim unterkellerten trapezförmigen Bau im Westen des südlichen Burghofes könnte es sich um den einstigen Palas aus dem 13. Jahrhundert gehandelt haben. Sein Unterteil ist romanisch. Bemerkenswert sind die verstäbten spätgotischen Steinumrahmungen seiner Rechteckfenster im Obergeschoß. Ältester Bauteil ist die Rauchküche im Südosttrakt. Dieser Trakt ist mit dem Bergfried durch einen Querflügel verbunden. In einem Hofeck findet man noch Reste der einstigen Zisterne. Im Norden wird der Hof durch einen dreigeschossigen Bau begrenzt.

Durch einen rundbogigen Durchlass gelangt man in den äußerst schmalen, zweiten inneren Burghof. Er war ursprünglich breiter, doch hatte man im 16. und 17. Jahrhundert mehrere mehrgeschossige Gebäude an die östliche Innenseite des Berings angebaut. Dadurch wurde dieser Teil der Burg wohnlicher und erhielt ein fast schlossähnliches Aussehen. Dass es sich um eine längst friedliche Bauperiode gehandelt hat, erkennt man an den ungewöhnlich großen Fensteröffnungen. In der Nordwestecke des Hofes steht der zweite Bergfried. Auch er hat einen 4,5 m hohen, teils felsigen, teils gemauerten Unterbau. Mit einer Kantenlänge von 7 m und einer Mauerstärke von ca. 1,7 m ist er wesentlich schwächer als sein südliches Gegenstück. Der hoch gelegene Einstieg des quadratischen Turmes zeigt Rollenschlitze einer ehemaligen Zugbrücke. Sie hatte ihr Auflager am nordwestlichen Gebäudetrakt über der Kapelle. Von dieser sind nur mehr geringe Reste vorhanden. Der Turm hatte die Aufgabe, die nördliche Eingangsfront zu schützen, da das anschließende Terrain ziemlich eben bzw. sogar überhöht ist. Der zweite innere Hof ist vom trapezförmigen nördlichen Zwinger durch eine zwei Meter starke, hohe Sperrmauer getrennt. An der Nordostecke dieses Zwingers springt ein vollgemauerter ¾-runder Flankierungsturm vor. Im nordöstlichen Teil der Hauptburg liegt auch der moderne Veranstaltungssaal (17 x 7 m) mit Küche und Sanitärbereich für ca. 100 Personen. Noch weiter nördlich liegt ein tiefer Abschnittsgraben mit einem Pfeiler, über den einst eine Zugbrücke führte. Über sie gelangte man zu einem romanischen Verteidigungswerk außerhalb der Burg, dessen vier hintereinander angeordnete Tore durch Fallgitter und Querriegel separat geschlossen werden konnten, so dass es Abschnitt für Abschnitt erobert werden musste.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 20 km östlich von Zwettl

Besichtigung: meist frei zugänglich (gegebenenfalls kann der Schlüssel zum Bergfried am Campingplatz unterhalb der Burg ausgeborgt werden)

Homepage: www.ruine dobra.at


Weitere Literatur:


29.10.2020