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Corbelli-Schoeller Palais


Im Mittelalter standen an der Stelle des heutigen Palais Corbelli-Schoeller zwei Stadthäuser. Eines davon gehörte im 14. Jahrhundert den Herren von Pettau, das nach mehrmaligem Besitzwechsel 1628 an Hans Ludwig von Kuefstein durch Kauf überging. Ihm folgten die Freiherren von Kielmansegg und dann 1656 Maximiliane von Herberstein. 1696 wurde das hier stehende Gebäude vom Grafen Johann Andreas Corbelli und seiner Gattin, einer geborenen Gräfin Thurn-Valsassina erworben. Corbelli hatte den hohen militärischen Rang eines Generalfeldmarschallleutnants und war Kämmerer Kaiser Leopolds I. Er gab umgehend den Auftrag zur Errichtung eines barocken Palais, das um 1704 fertiggestellt war. Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen über den Architekten, doch wird es aus stilistischen Gründen als ein Frühwerk von Johann Lucas von Hildebrandt betrachtet. Corbelli starb 1704. Seine Witwe verkaufte das erst wenige Jahre alte Palais bereits 1709 an Don Fernando Carl Graf Caraffa di Stigliano. Die ältesten Abbildungen des Gebäudes stammen von Fischer von Erlach (1715) und Salomon Kleiner (1725). Das Palais wechselte in den 200 Jahren bis zu seiner Erwerbung durch Paul Ritter von Schoeller im Jahr 1905 nicht weniger als 12 Mal den Besitzer. Nachdem es schon 1723 von Maria Anna Isabella Gräfin Heussenstamm zu Heissenstein angekauft worden war, folgten 20 Jahre im Eigentum der Familie des Herzogs Leopold von Schleswig Holstein. Als nächster Käufer trat 1762 Franz Wenzel Graf Sinzendorf auf, der 1772 größere Umbauten vornehmen ließ. Er übte das Ehrenamt eines Erbschatzmeisters des Heiligen Römischen Reiches aus. 1807 wurde der Ostflügel des Palais um ein Geschoß aufgestockt. 1818 vererbte Gräfin Sinzendorf, die 1802 durch Heirat in den Besitz des Palais gekommen war, dieses an ihren zweiten Gatten Carl Leonhard Graf Harrach. Von 1813 bis 1818 hatte Erzherzog Johann von Österreich das Palais gemietet. 1821 wurde im Palais ein ägyptisches Museum eingerichtet, das 1844 in das Untere Belvedere verlegt wurde. Nach dem Tod des Grafen Harrach gelangte das Palais ins Eigentum von Franziska Gräfin Szechenyi, die es bis 1836 besaß und dann an den Freiherrn Fabricius von Ostini verkaufte. Dieser war Botschafter des Herzogtums Nassau am Wiener Kaiserhof.

Er verkaufte das bereits weitgehend vermietete Palais 1845 an den Bankier und Großkaufmann David Freiherr von Eskeles. Dieser war unter anderem Direktor der Österreichischen Nationalbank und Miteigentümer der angesehenen Privatbank Arnstein und Eskeles. Auch die nächsten Eigentümer des Palais stammten aus der österreichischen Finanzwirtschaft. Ab 1866 lebte hier Heinrich Mayer. Er war Chef des Wiener Bankhauses Stametz-Mayer und einer der bedeutendsten Kunstsammler Wiens seiner Zeit. Sein Wohnsitz in der Johannesgasse, der natürlich auch der Repräsentation diente, war damals reich mit angekauften Kunstschätzen ausgestattet. Wenige Jahre später befand es sich im Besitz von August Zang. Bekannt wurde dieser durch die Erfindung des Perkussionsgewehres und der Gründung der Zeitung „Die Presse“. Er war auch Besitzer von Bergwerken in der Steiermark. Seine Gruft am Wiener Zentralfriedhof, deren Fassade durch den Bildhauer Heinrich Natter, der auch das Andreas Hofer Denkmal am Berg Isel schuf, in der Form eines Bergwerk-Einganges gestaltet wurde, hat schon viele Friedhofsbesucher fasziniert. Das Palais hat im Laufe seiner Geschichte zahlreiche Veränderungen erfahren. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der hintere Hoftrakt aufgestockt. Seit 1897 befindet sich das Palais Corbelli im Besitz der Familie Schoeller bzw. Neufeldt-Schoeller. Paul Eduard Ritter von Schoeller hatte wie die meisten seiner Vorgänger im 19. Jahrhundert sein Vermögen als Bankier und Großindustrieller gemacht. Er repräsentierte als Familienoberhaupt den Wiener Zweig der Familie Schoeller und war als solcher in vielen Aufsichtsräten und Institutionen führend tätig. Natürlich war auch er ein bedeutender Kunstsammler. Er ließ das Gebäude an seiner Ostseite in den Jahren 1909 bis 1912 durch einen Anbau deutlich erweitern. Dies brachte Platz für ein Lazarett, das im Ersten Weltkrieg hier eingerichtet wurde sowie für zusätzliche Büroräume des Bankhauses Schoeller. Für diesen Anbau, der zu einer Verlängerung der Fassade in der Johannesgasse um vier Achsen führte, waren die Architekten Rudolf Tölk und Egon von Leutzendorf verantwortlich. Leider wurde er aber Ende März 1945, also fast unmittelbar vor Ende des Zweiten Weltkrieges, durch einen Bombenangriff alliierter Flugzeuge auf Wien zerstört. Einige Jahre später errichtete die Stadt Wien an seiner Stelle einen größeren Wohnbau. Paul Ritter von Schoeller musste den Kriegs-Verlust an Vermögen und Bedeutung der Familie nicht mehr erleben. Er war bereits 1920 unverheiratet gestorben. Erbe war seine Schwester Emma, die mit Karl Neufeldt verheiratet war. Seither nennt sich die Familie Neufeldt-Schoeller. Seit 1982 ist ein Teil des Palais an das Institut für europäische Studien vermietet. Die übrigen Räume werden von der Eigentümerfamilie genutzt.

Das Palais Corbelli-Schoeller, wie es nach seinen ersten und dem bislang letzten Eigentümern genannt wird, zählt zu den unbekannteren Wiener Barockpalais. Dies liegt wohl nicht nur an seinem heute etwas unscheinbaren Äußeren, sondern auch daran, dass seine prächtige neo-barocke Innenausstattung der breiten Öffentlichkeit mangels Besichtigungsmöglichkeiten weitgehend verborgen bleibt. Es schließt im Osten an das Palais Questenberg an. Der drei- bzw. viergeschossige Vierflügelbau weist einen annähernd quadratischen Grundriss mit einer Grundfläche von ca. 940 m² auf und umschließt einen querrechteckigen Innenhof. Die neunachsige Fassade in der Johannesgasse besteht aus einem flach vortretenden fünfachsigen Mittelrisalit und zwei zweiachsigen Seitenteilen. Keller und Parterre sind zu einem Sockelgeschoß optisch zusammengefasst. Darüber liegen zwei Hauptgeschosse. Der Mittelrisalit wird von einer Attikabalustrade abgeschlossen, die jener des benachbarten Palais Questenberg angeglichen ist. Leider haben sich die Attikafiguren, die auf dem Kupferstich von Salomon Kleiner aus dem Jahr 1725 zu erkennen sind, nicht erhalten. Sie bezogen sich ebenso wie die Trophäenbündel am Fries des Gebälks auf die militärischen Erfolge des Bauherrn. Die Fassade macht heute einen recht nüchternen Eindruck, da sie ihren ursprünglichen Dekor spätestens bei den Restaurierungen des 19. Jahrhunderts verloren hat. Sie wird in den beiden Obergeschossen durch flache Pilaster vertikal gegliedert. Ihnen entsprechen im genuteten Sockelgeschoß ebensolche Wandpfeiler. Die waagrechte Gliederung erfolgt durch die Gesimse zwischen Erdgeschoß und erstem Stock sowie durch das Abschlussgebälk. Zwischen dem ersten und dem zweiten Stock wird die Gliederungsfunktion von den Fensterverdachungen übernommen. Die Fenster des Erdgeschosses werden durch flache Zeltdächer geschützt. Das von zwei Säulen flankierte korbbogige Portal springt aus der Mitte des Sockelgeschosses deutlich vor. Die übereck gestellten Säulen stützen einen segmentförmigen Balkon, dessen steinerne Balustrade mit Akanthusblätter-Motiven geschmückt ist.

Vom Portal führt eine tonnengewölbte Einfahrt in das querrechteckige Vestibül und weiter in den Innenhof. Schon die Stuckverzierungen in der Einfahrt weisen darauf hin, dass man sich in einem herrschaftlichen Gebäude befindet. Allerdings stammt der Deckenstuck nicht aus der Barockzeit, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, sondern aus der Zeit um 1900, als Paul Schoeller im Inneren des Palais umfangreiche Änderungen im Stil des Historismus vornahm. Das Vestibül wird vom Hof her durch drei verglaste Rundbogenarkaden beleuchtet. Von ihm aus gelangte man an seiner rechten Seite in das prunkvoll gestaltete Treppenhaus, während sich im linken Teil des Erdgeschosses untergeordnete Nebenräume wie z. B. die Küche befanden. Der Hof war relativ einfach gestaltet. Er erfüllte vorwiegend Versorgungsaufgaben. So befanden sich hier Garagen bzw. Remisen sowie der Zugang zu den Stallungen, die im ersten Untergeschoß des zweigeschossigen Kellers, der noch aus der Zeit um 1700 stammt, lagen. Das zweiläufige Säulenstiegenhaus wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Auftrag von Paul Schoeller umgestaltet und aufwendig dekoriert. Es nimmt große Teile des heutigen Osttraktes ein und führt in den zweiten Stock. Die beiden Läufe der Hauptstiege werden von rötlichen ionischen Marmorsäulen gestützt. Gemeinsam mit dem weißen Stuck und der weißen Balustrade setzen sie farbliche Akzente. Die Wandverkleidung aus Kunstmarmor wird durch mit Muscheln verzierte Nischen aufgelockert. Die dafür vorgesehenen Skulpturen haben sich aber nur zum Teil erhalten. Vorhanden sind noch jene auf den Treppenabsätzen, die Allegorien der vier Jahreszeiten darstellen. Im ersten Stock des Stiegenhauses führen drei Portale in den Festsaal sowie zu den Salons des Piano Nobile. Eines der Portale sollte den Zugang zum 1912 errichteten Osttrakt bilden, der aber 1945 zerstört wurde.

Die Repräsentationsräume sind bedingt durch den relativ bescheidenen Grundriss des Palais nicht sehr groß, aber gediegen ausgestattet. So weist das von der Marmortreppe in den Festsaal führende Portal eine besonders schöne Supraporte auf. Der Saal ist mit einer Länge von 13 m der größte Raum des Palais. Seine Breite war mit 6 m etwas knapp bemessen, so dass er recht schmal wirkte. Durch den Anbau eines hofseitigen Verbindungsganges zwischen dem Südtrakt und dem im Nordtrakt liegenden Wintergarten erreichte man 1861 jedoch eine Erweiterung der Breite des Festsaales um 3 m. Der Saal wurde durch drei Rundbogen, die auf Säulen bzw. Doppelpilaster ruhen, zum Zubau geöffnet. Dieser wirkt nun wie ein Seitenschiff. Das heutige Deckengemälde des Saales wurde um 1896 vom Wiener Maler Carl Johann Peyfuß geschaffen. Wie der Festsaal liegen auch die übrigen Repräsentationsräume im ersten Obergeschoß. Ihre Ausstattung im Stil des Historismus stammt zum Großteil aus dem 19. Jahrhundert und vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie sind reich mit Stuck und Kunstmarmor dekoriert. In den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts beauftragte der Bankier Heinrich Mayer das Atelier des renommierten Innenarchitekten und Kunsttischlers Franz Schönthaler, dessen Werke man in fast allen Wiener Palais und öffentlichen Bauten der Ringstraßenzeit findet, mit der Gestaltung der Repräsentationsräume seines Wohnsitzes. Diese liegen im Südtrakt an der Johannesgasse. Die Lage des Großen Salons ist von außen durch den vorgelegten großen Balkon zu erkennen. Ein vom Hof aus beleuchteter Salon, der an den Großen Salon grenzt, dürfte als Musikzimmer vorgesehen gewesen sein. Im Dekor seiner Decke und der Supraporten erkennt man mehrere Musikanten und verschiedene Musikinstrumente. Das Speisezimmer befindet sich straßenseitig an der Ecke zum Westtrakt. Es schließt an den Rauchsalon an. Von diesem gelangte man in den benachbarten Wintergarten, der hofseitig einen Erker zeigte. Der Nordtrakt grenzt an die Rückseite des ehemaligen Winterpalais des Prinzen Eugen. Erwähnenswert ist hier die ehemalige Spiegel- oder Bildergalerie, die heute als Bibliothek dient. Im zweiten Stock des Palais liegen die ehemaligen Privaträume Schoellers, die wesentlich einfacher als die darunter befindlichen Repräsentationsräume ausgestattet sind, aber doch auch nicht uninteressante Stuckdecken zeigen.

Ort/Adresse: Johannesgasse 7

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


07.09.2020