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Palais Walterskirchen


Das ehemalige Walterskirchensche Freihaus, wie das schmucke frühbarocke Palais ursprünglich tiefstapelnd genannt wurde, liegt am Beginn der Bräunerstraße, unweit der kaiserlichen Hofburg. Angeblich befand sich an seiner Stelle zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch ein Kuhstall, der einem Bauern gehörte, der den kaiserlichen Hof mit Milch belieferte. Doch schon zwischen 1664 und 1671 entstand hier das heutige Stadtpalais des Edlen Wilhelm von Walterskirchen. Dieser brachte das neu erbaute Palais in einen Familien-Fideikommiss ein. Das originelle Portal wurde aber erst 1723 etwas dilettantisch hinzugefügt. Ein moderner, aber kaum störender Dachgeschoßausbau fand in den Jahren 1986 bis 1988 statt. Die Familie von Walterskirchen war ein österreichisches Adelsgeschlecht, das seit dem 16. Jahrhundert in Niederösterreich ansässig war. 1544 hatte Otto Wilhelm zu Walterskirchen und Hundsheim die Feste Wolfsthal sowie die unweit gelegene Pottenburg erworben. 1643 wurden die bisherigen Ritter in den Freiherrenstand erhoben. Auffallenderweise erfolgte die Beförderung in den Grafenstand erst 1907, also relativ kurz vor dem Ende der Monarchie. Vermutlich hatten die langjährigen Freiherren trotz der Nähe ihres Stadtpalais zur Hofburg nicht jene zum Kaiserhof gesucht und auch kaum Hofämter übernommen. Eventuell könnten auch religiöse Gründe eine Rolle gespielt haben. Wie die meisten niederösterreichischen Adeligen waren vermutlich auch die Walterskirchen ursprünglich protestantisch gesinnt. Der Gutsbesitz nahe der Grenze zu Ungarn dürfte aber recht einträglich gewesen sein, wie ihr repräsentatives Stadtpalais beweist. Die Familie Walterskirchen war bis in das 21. Jahrhundert hinein in Niederösterreich existent, hat aber schon längere Zeit nichts mehr mit ihrem Wiener Palais zu tun. Ihr bekanntestes Mitglied war der Politiker Baron Robert von Walterskirchen, der 1882 eine Halbinsel im Wörthersee erwarb, die noch heute nach ihm benannt ist.

Die zehnachsige Vorderfront sitzt auf einem genuteten Sockel. Die Gliederung der Fassade erfolgt einerseits durch die vertikalen Putzfelder in den Obergeschoßen und den durch Parapete mit Schabracken und Diamantquadern vertikal verbundenen Fenstern. Letztere weisen gerade Verdachungen auf. Das interessanteste Baudetail ist jedoch das hochbarocke Segmentbogenportal mit seiner ungewöhnlichen Portalzone. Diese ist wohl durch die erst etwa 55 Jahre nach der Erbauung des Palais erfolgte Eingliederung erforderlich geworden. Der oberste Teil der Portalzone ist konkav gewölbt. Ansonsten wäre das dahinter liegende Fenster verdeckt worden. Aus diesem Grund fehlt auch der sonst bei größeren Barockbauten übliche Balkon über dem Tor, das nicht wie bei Barockpalais in der Mitte der Fassade sondern in der äußersten rechten Fensterachse liegt. Zwischen der konvex gewölbten Toreinfahrt und dem konkav gewölbten Gesims ist ein prächtiges, mit fünf Helmen geziertes Wappen der Familie Walterskirchen angebracht. Auf den beiden schräg gestellten Pfeilern, die die Portalzone begrenzen, erkennt man zwei vollplastische Putti, die auf Schildern den Namen des Bauherrn und das Jahr der Errichtung des Palais zeigen. Die beiden Radabweiser vor dem Holztor zeigen an, dass im 18. Jahrhundert eine Einfahrt in den Innenhof sowie eine Ausfahrt möglich war. Dies ist heute kaum mehr der Fall, da der Hof durch spätere Einbauten wesentlich verkleinert wurde. Die Eisenblechtüren der tonnengewölbten Einfahrt wurden 1850 von Anton Ölzelt angefertigt. Eine Wendeltreppe führt in die oberen Stockwerke. Im Hof erkennt man außer den durch Putzfelder vertikal verbundenen, gerade verdachten Fenstern eine späthistoristische Pawlatschenverkleidung. Im ebenfalls tonnengewölbten Keller haben sich neben dem spätmittelalterlichen Mischmauerwerk aus dem 15. Jahrhundert auch mit Bruchsteinen gemauerte Fundamente aus dem 13. und 14. Jahrhundert erhalten.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Bräunerstraße 7

Besichtigung: nur von außen möglich und interessant


Weitere Literatur:


04.09.2020