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Lichtenau (Waldviertel)


Die Herrschaft Lichtenau war ursprünglich ein landesfürstliches Lehen. Als erster Besitzer des mittelalterlichen Wehrbaues scheint 1157 Berthold de Lichtenowe urkundlich gesichert auf. Er war ein Ministeriale der Babenberger. Bei einem gewissen Konrad von Lichtenau ist man sich über die Herkunft nicht einig. Er soll angeblich gemeinsam mit der Markgräfin Itha von Österreich bereits um 1107 an einem Kreuzzug teilgenommen haben, von dem beide nicht mehr zurückgekommen sind. Es wird vermutet, dass beide, wie auch alle anderen Kreuzzugsteilnehmer von den Seldschuken getötet wurden. Es gibt jedoch keine zeitnahen Urkunden über diese Geschichte. 1263 wird Ruder von Lichtenau erwähnt. Letzter bekannter Burgherr aus seiner Familie war Ludwig von Lichtenau. Er findet sich vor allem in zahlreichen Urkunden des Stiftes Zwettl bis 1305. Danach dürfte die Familie ausgestorben sein. Ihre Nachfolger als Burgherren waren die mit ihnen verwandten Herren von Lichtenegg. Da 1429 das Kirchenpatronat von Lichtenau durch die Herren von Neidegg ausgeübt wurde, ist anzunehmen, dass sie auch im Besitz der Burg waren. In den folgenden achtzig Jahren waren die mit den Neideggern verschwägerten, aus Südmähren stammenden Herren von Jaispitz und Kunstadt Eigentümer von Lichtenau. Jan von Jaispitz beteiligte sich an den Grenzkämpfen, die mit dem Vormundschaftsstreit um Ladislaus Posthumus zusammen hingen. Von seinen Feinden wurde er daher auch als Heckenreiter und Raubritter bezeichnet. 1509 verkaufte Prokop Seymarsch von Jaispitz und Kunstadt seine Herrschaft Lichtenau an Leopold von Neidegg. Dieser vereinigte sie mit seiner bisherigen Herrschaft Brunn am Wald. 1812 wurde das nunmehrige Schloss von Joseph Michael von Ehrenfels übernommen. Der ehemalige Leutnant war durch seine Heirat mit der sächsischen Gräfin Magdalena von Schönburg-Rachsburg reich geworden. Seit damals blieb Lichtenau im Besitz der Familie Ehrenfels, doch ist es derzeit zum Verkauf ausgeschrieben. Zu den bekanntesten Familienmitgliedern gehörten der Psychologe und Philosoph Christian Freiherr von Ehrenfels (1859 – 1932) und seine Tochter, die Schriftstellerin Imma von Bodmershof (1895 – 1982). Das Schloss war fast ständig bewohnt und diente in erster Linie als Gutsbetrieb.

In einem Buch über die Burgen des Waldviertels aus dem Jahr 2000 findet man den Hinweis, dass das Schloss „in gut sichtbarer Lage“ auf einer erhöhten Terrasse im Südwesten des Ortszentrums liegt. Die gut sichtbare Lage wurde jedoch in den letzten 20 Jahren von der Natur stark beeinträchtigt. Die Sicht auf die äußerlich wenig gepflegte Anlage ist heute durch den wuchernden Bewuchs des Burghügels eher eingeschränkt. Dazu kommt, dass die beiden mit welschen Hauben geschmückten Polygonaltürme an der Ostfront, die noch auf dem Vischer-Stich von 1672 die Dominante des einfachen Renaissancebaues bildeten, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wegen Baufälligkeit abgetragen bzw. wie die übrigen Bauten der Burg um ein Geschoß gekürzt worden sind. Sie reichen heute nur mehr bis zur Höhe des Dachgesimses. Die achteckigen Fassaden der Türme springen mit fünf Seiten aus der Ostfront vor. Die heute zweigeschossige und dreiflügelige Anlage hat ihren einstigen Charme weitgehend verloren und macht nun einen etwas merkwürdigen geduckten Eindruck. Die Außenwände des Schlosses sind sehr schlicht gehalten. Sie werden nur durch einfache Fensterfaschen schwach gegliedert. Man sieht es dem Gebäude an, dass es in seiner Geschichte kaum der Repräsentation gedient hat und vorwiegend für wirtschaftliche Zwecke genutzt wurde. Das Fehlen eines Bergfriedes lässt an seiner Wehrhaftigkeit zweifeln. Der unregelmäßige Grundriss sowie das Bruchsteingemäuer des Untergeschosses weisen aber auf ein hohes Alter hin.

Von der noch mittelalterlichen Burg aus dem 15. Jahrhundert, deren Grundmauern zum Teil noch aus dem 12. Jahrhundert stammen könnten, haben sich im wesentlichen nur Wehreinrichtungen, wie der Halsgraben an der Westseite und zwei anschließende Wallgräben erhalten. Ein unterirdischer Gang zu einer Quelle, die angeblich auch zur Flutung des Schlossgrabens dienen konnte, wurde um 1810 verschüttet. An das Feste Haus der Herren von Lichtenau aus dem 12. Jahrhundert erinnert nichts mehr. Die Kellerräume des Südflügels zeigen Tonnengewölbe mit Stichkappen, die noch aus dem 15. Jahrhundert stammen könnten. Die heutigen Bauten, die den unregelmäßigen Innenhof umgeben, wurden vorwiegend im 16. Jahrhundert errichtet. Hofseitig können im Erdgeschoß noch Reste von ornamentalen Sgrafitto-Fensterumrahmungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erahnt werden. Im 17. Jahrhundert wurde die gesamte Anlage grundlegend restauriert und schlossartig verändert. Das geschweifte Hofportal in der Westmauer geht auf das 18. Jahrhundert zurück. An ihrer Stelle dürften sich zuvor einige Wirtschaftsgebäude befunden haben. 1985 wurden in der Südostecke des Hofes von Wandpfeilern gestützte Korbbogenarkaden freigelegt. In seiner Nordostecke hat sich ein spätgotisches Schulterbogenportal erhalten. Der rechteckige Vorbau am Ostflügel beherbergte wohl einst die Schlosskapelle. Sie weist im Inneren ein Sterngratgewölbe auf. Die Wohnräume sind weitgehend restauriert. Da sie bis zuletzt ihren Zweck erfüllten, machen sie einen besseren Eindruck als das Äußere. Sie müssten aber neu ausgestattet werden.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel – ca. 9 km südwestlich von Gföhl

Ort/Adresse: 3522 Lichtenau, Niederösterreich

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


03.07.2020