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Finstergrün


Der Ursprung der Burg geht auf den Beginn des 12. Jahrhunderts zurück. Damals sicherten gleich zwei Wehrbauten die Enge des Murtales bei Ramingstein. Wie bei den meisten Burgen des Landes gibt es auch bei Finstergrün keine Urkunde, die ihr Baujahr bezeugen würde, doch wird ab 1139 ein Wilhelm von Ramnstein in mehreren Urkunde genannt. Ob dieser aber tatsächlich dem Lungau zuzuordnen ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da es mehrere Burgen mit ähnlichen Namen gab. Er und seine Nachkommen sollen jedenfalls auf dem „Hous ze Ramungestein“ gesessen sein, wie Finstergrün damals genannt wurde. Die Burg war eine Grenzfestung zwischen dem Fürsterzbistum Salzburg und dem damaligen Innerösterreich, dem Habsburgerbesitz südlich des Semmerings. Der Name Finstergrün taucht erst im 17. Jahrhundert auf. Er dürfte sich auf den neben der Burg gelegenen tiefen Graben beziehen. Neben der Burg gab es noch eine lange Sperrmauer, die bis ins Tal reichte und ein Eindringen fremder Truppen in den Lungau zumindest erschweren sollte. Ein weiteres Festes Haus wurde nach 1188 von Otto von Machland dem Salzburger Domkapitel übertragen. Es stand unterhalb von Finstergrün an der Stelle des heutigen Schlösschens Wintergrün. Als Folge des Krieges zwischen dem Salzburger Erzbischof Rudolf von Hohenegg gegen Herzog Albrecht I von Österreich, scheint die Burg Ramingstein um 1286 in den Besitz von Rudolf II von Vansdorf (Fohnsdorf) gekommen zu sein. Er war Vizedom von Friesach und ein Bruder des Erzbischofs Konrad IV von Fohnsdorf. Gemeinsam zählten sie zu den treibenden Kräften des steirischen Adelsaufstandes gegen Herzog Albrecht. Die Grenzburg Ramingstein war ein idealer Ort für konspirative Treffen und Verhandlungen. Als dem Vansdorfer um 1300 das Friesacher Vizedomamt entzogen wurde, musste er auch seine Lungauer Burg aufgeben. Der Salzburger Erzbischof löste sie seinem Bruder aber gegen eine Entschädigung ab.

1324 war Finstergrün an die Brüder Ulrich und Heinrich von Weißpriach verpfändet. Auch sie wurden vom Erzbischof Friedrich III für die im Streit gegen die Bayern erlittene Unbill inklusive der Gefangenschaft entschädigt. Danach wurde die Burgvon Pflegern verwaltet, die aber kaum das Nötigste zu ihrem Unterhalt taten. Im zu Ramingstein gehörenden Ort Kendlbruck wurde ausgiebig nach Silber und Eisen geschürft. Im 14. und 15. Jahrhundert war die Burg Sitz des Berggerichtes. Zwischen 1429 und 1557 übten Mitglieder der Familie der Mooshamer das Pflegeamt aus. 1483 und 1490 war sie von den Ungarn besetzt. Erzbischof Michael von Kuenburg setzte 1558 seinen Verwandten Christoph von Kuenburg aus Tamsweg als Pfleger ein. Die Verpflichtung zum Erhalt der Burg und der Brücke wurde ihm und seinen Nachkommen durch ein jährliches Deputat an Getreide und Käse abgegolten. Dennoch war sie zeitweise Aufenthaltsort „loser Leuthe“, d. h. herumstreunender Vagabunden. Als die Bergwerksverwaltung aus der Burg auszog, begann mangels weiterer Pflege der Verfall, der sich im 18. und 19. Jahrhundert fortsetzte. 1702 gelangte Finstergrün als Salzburger Lehen an die Gewerkenfamilie von Wimbern zu Kendlbruck. 1735 war die Burg bereits baufällig. Damals wohnte hier nur mehr der Hüttenschreiber. Sein Ansuchen um Renovierung der Burg wurde abgelehnt, da die dringend erforderliche Restaurierung dem Erzbischof zu teuer erschien. Es kam aber auch vorerst zu keinem Verkauf, da der Turm als Getreidespeicher diente. Erst 20 Jahre später kam es zur Versteigerung. Einziger Bieter war der Bergknappe Josef Ruef, der bereits zuvor in der Burg gewohnt hatte. Er erhielt den Zuschlag. Seine Nachkommen hausten noch bis 1899 auf Finstergrün, das 1841 durch einen verheerenden Waldbrand, der 40 Wohnhäuser, 14 Bauerngehöfte und 700 ha Wald vernichtete, endgültig zur Ruine geworden war. 1899 war der umliegende Wald inklusive der Ruine bäuerlicher Besitz.

Burg Finstergrün macht heute einen altersgrauen und wehrhaften Eindruck, doch stammen praktisch alle Gebäude aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts machte Johann Nepomuk Graf Wilczek, der gerade im Begriff war, die nahe gelegene Burg Moosham ähnlich wie sein Hauptwerk, die ihm gehörende Burg Kreuzenstein zu einem großartigen historischen Museum auszubauen, seinen Freund Sandór Graf Szápáry auf die Ruine Finstergrün aufmerksam. Dieser war von Wilczeks Leidenschaft, dem Sammeln und dadurch der Rettung kulturhistorisch interessanter Objekte begeistert. Da der ungarische Graf, der in der Nähe einen Bergwerksbetrieb besaß, ohnehin eine Ruine suchte, die er „restaurieren“ und als Sommersitz seiner Familie nutzen könnte, erwarb er 1899 kurzerhand die Reste der ausgebrannten Burg Finstergrün. Er plante zuerst nur die Sanierung des Turmes und eines Teiles des Palas, beauftragte aber dann den Wiener Architekten Ludwig Simon, der auch Bauleiter am Wiener Stephansdom war, mit dem Neubau einer pseudoromanischen Burg. Bis 1905 entstand auf dem Gelände der Vorburg sowie zum Teil auch auf den Ruinen der Altburg ein Bau, der sich erstaunlich harmonisch in die umgebende Landschaft einfügt und auf den ersten Blick einer mittelalterlichen Burg im Stil des 13. Jahrhunderts täuschend ähnlich sieht. Vorerst musste jedoch eine Straße angelegt werden, um das Baumaterial auf den Bauplatz bringen zu können. Die Steinquader stammten aus Steinbrüchen der näheren Umgebung, ebenso der benötigte Sand. Das erforderliche Kapital spielte keine große Rolle, da seine Gattin Margarete Luise von Henckel-Donnersmark aus einer der reichsten Familien Deutschlands stammte. Er selbst war Mitglied einer ungarischen Magnatenfamilie, die vor allem in Westungarn und in der heutigen Slowakei große Besitzungen hatte. Während der Bauarbeiten lebte die Familie des Bauherrn auf Einladung des Grafen Wilczek meist auf Schloss Moosham. Nach dem plötzlichen Tod des Grafen im Jahr 1904 setzte seine Witwe die Arbeiten fort. Als letzter Bauteil wurde 1911 die Burgkapelle eingerichtet. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte die Komplettierung des Innenausbaues.

Mit dem einst sagenhaften Reichtum der Familie war es auch bald vorbei, da die im großen Ausmaß erworbenen Kriegsanleihen nun wertlos geworden waren und die riesige Inflation in den Nachkriegsjahren das Familienvermögen vernichtet hatte. Dazu kam, dass die schlesischen Industrieanlagen und Bergwerke der Familie Henckel-Donnersmark von der nun selbständigen Tschechoslowakei enteignet und verstaatlicht wurden. Margit Szápáry war zwar bei der Bevölkerung des Lungaues sehr beliebt, da sie für diesen damals noch rückständigen Landesteil Salzburgs viel getan hatte, doch half ihr das wenig. Sie war in den späten 20er und frühen 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gezwungen, Finstergrün als Nobelhotel zu führen, was ihre finanzielle Lage aber auch nicht sehr verbesserte. 1939 diente Finstergrün als Lazarett für rekonvaleszente Soldaten und dann als Erholungsheim für Jugendliche. 1941 musste das reiche, aus allen Teilen Mitteleuropas stammende Inventar der Burg in München versteigert werden. 1942 wurde Finstergrün an das Deutsche Reich verpachtet, das dort eine Ausbildungsstätte für Lehrerinnen einrichtete. Gräfin Margit starb 1943 in einem Haus nahe der Burg. 1945 erbten ihre Kinder Bela und Jolantha Szápáry die Anlage, die sie zuerst an die Pfadfinderorganisation und ab 1949 an das Evangelische Jugendwerk in Österreich verpachteten. Letzteres hat 1972 Finstergrün käuflich erworben. Es wird seither als Jugendfreizeitheim und Jugendherberge geführt. Vom Verkauf ausgenommen waren sämtliche Sammlungen und die meisten Kunstgegenstände, die bei der Familie Szápáry verblieben. 1986 brannte das Turmdach ab, doch wurde der Schaden bald danach behoben.

Die Burg liegt am östlichen Ende eines Bergrückens, der hier als Felsnase ausgebildet ist, nördlich des Ortes Ramingstein. Sie war ursprünglich Teil einer Burgenkette, die große Teile des Lungaues kontrollieren konnte und hatte Sichtverbindung zu mehreren Wehrbauten. Finstergrün besteht eigentlich aus zwei Burgen. Die alte Burg aus dem 13. Jahrhundert ist nur mehr als Ruine erhalten. Zu ihr gehören der fünfeckige Bergfried, der kleine quadratische Palas und Reste des einstigen Berings. Diese Bauten wurden im 20. Jahrhundert stabilisiert und mit Notdächern ausgestattet. Dadurch konnten sie zumindest als Ruinen vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden. Alles andere entstand erst nach 1900 und täuscht Wehrhaftigkeit nur vor. In einer eigenen Bauhütte schufen italienische Steinmetze Säulen und Kapitelle in romanischen und gotischen Formen. Ein Brunnenbecken sowie einige Schlusssteine konnten auf Reisen als echte Souvenire erstanden werden. Zahlreiche Beschläge und andere eiserne Baudetails wurden in einer eigenen Schmiede von einem italienischen Kunstschmied angefertigt, der auch für die Burg Liechtenstein bei Mödling tätig war. Da die „Neue Burg“ mit den gleichen Werkstoffen wie die alte und im neoromanischen Stil errichtet wurde, wirken beide Teile – von einiger Entfernung aus betrachtet – wie eine Einheit. Die Neue Burg umschließt mit ihren Gebäuden drei Höfe. Sie liegt im nordöstlichen Bereich der Gesamtanlage und nimmt den größten Teil der ehemaligen Vorburg ein. Ihre Schauseite erinnert stark an Kreuzenstein, das sicherlich Graf Szápáry als Vorbild gedient haben dürfte.

Die Neue Burg hat zwei Tore. Der vordere Zugang ist als spitzbogiger Torbau mit einem Rundturm ausgebildet, der an der Stelle des längst baufällig gewordenen alten Tores steht und als optisches Bindeglied zwischen dem alten Palas und dem neuen Wohntrakt dient. Ein weiteres Tor liegt an der Südwestmauer. Nordwestlich vom Bergfried liegt der neue Torbau, der die Verbindung von der einstigen Vorburg zum oberen Burghof bildete. Neben ihm befinden sich im Erdgeschoß Wirtschaftstrakte und die Küche, dahinter ein Wohntrakt für den Burgvogt und der mächtige, an diesen angebaute sechsgeschossige Wohnturm. Dieser ist als plumpe Neuschöpfung des beginnenden 20. Jahrhunderts leicht zu erkennen. Offenbar hatte sich der Bauherr nicht entscheiden können, ob das Gebäude einen Wehr- oder einen Wohnturm imitieren sollte. Sein letztes Stockwerk unter dem Zeltdach ist mit einem umlaufenden hölzernen Umgang versehen. Das zweite und dritte Geschoß wird vom sogenannten Rittersaal eingenommen, der als Festsaal heute noch häufig für Veranstaltungen benutzt wird. Er verfügt über eine Empore für die Musikanten. Diese ist so gestaltet, dass man die Musiker zwar hören, aber nicht sehen konnte. An allen Bauteilen findet man Fensteröffnungen im romanisierenden Stil, zum Teil mit Mittelsäulen. Im Inneren gibt es noch einige gotische Details und Exponate zu sehen, ansonsten ist die Anlage zweckentsprechend modern eingerichtet. Die Kapelle liegt neben dem zweiten Burgtor in der Südwestecke des Burgareals, das einem bügeleisenförmigen Fünfeck ähnelt. Ihr wichtigstes Ausstattungsstück war der spätgotische Rauriser Kreuzaltar, auch Embacher Altar genannt, der sich zuvor in der Kapelle von Kolm-Saigurn befand. Er wurde 1991 vom Salzburger Museum Carolino Augusteum erworben. Natürlich wurde auch auf die Anlage einer Familiengruft nicht vergessen, doch wurde diese nie benutzt. Sie dient heute als Bibliothek.

Lage: Salzburg/Lungau – oberhalb der Gemeinde Ramingstein unweit der steirischen Landesgrenze (Ramingstein, Burgstraße 65)

Ort/Adresse: 5591 Ramingstein

Besichtigung: im Rahmen von Führungen (täglich außer Samstag) möglich

Homepage: www.burg-finstergruen.at


Weitere Literatur:


09.06.2020