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Palais Rottal


Obwohl sich das Palais Rottal durch seine innerstädtische Lage und seine zahlreichen interessanten Baudetails, wie die elegante Fassade, den in Wien einzigartigen Innenhof oder sein herrschaftliches Treppenhaus auszeichnet, gehört es zu den weniger bekannten Barockpalästen der Stadt. Der Grund dürfte wohl darin liegen, dass es bereits seit 280 Jahren keine adelige Wohnstätte mehr ist, sondern dem Staat als Amtsgebäude dient und die stilvollen Innenräume der breiten Öffentlichkeit damit nur eingeschränkt zugänglich sind. Bereits im 14. Jahrhundert waren attraktive Bauplätze innerhalb der Stadtmauern knapp. Es ist daher nicht verwunderlich, dass damals an der Stelle des heutigen Palais sich sieben Stadthäuser drängten, die im Laufe der Zeit zu zwei größeren Gebäuden zusammengefasst wurden. Das stattlichere der beiden war das Eckhaus Grünangergasse/Singerstraße, das relativ oft seine Eigentümer wechselte und schließlich zum eigentlichen Barockpalais der Familie Rottal wurde. 1660 gelangte es in den Besitz des ungarischen Adeligen Graf Franz Wesselényi von Hadad, der in Ungarn zwischen 1655 und 1662 als Palatin das höchste zu vergebende Amt innehatte. Als solcher war er Vertreter des ungarischen Königs und Vorsitzender des ungarischen Landtages. Wesselényi war einer der schillerndsten Gestalten zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Als kaiserlicher General kämpfte er gegen die Schweden und den siebenbürgischen Fürsten Georg I Rákóczi, wofür er vom Kaiser 1622 in den elitären Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen wurde. Dies hinderte ihn aber nicht, im gleichen Jahr eine Magnatenverschwörung gegen den Kaiser anzuführen. Er starb jedoch bevor diese größeren Schaden anrichten konnte. Daher hatte sein Treuebruch auch keine persönlichen Folgen für ihn. Seine Witwe wurde jedoch weitgehend enteignet.

Sein Wiener Haus, das natürlicher noch nicht vergleichbar mit dem heutigen Palais war, ging an Graf Johann von Rottal über. Die Familie Rottal stammte aus der Steiermark. Thomas der Rottaler gilt als ihr Stammvater. Er war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Stadtrichter in Graz. Die Rottaler hatten für lange Zeit das obriste Erb-Silber-Kämmeramt in der Steiermark inne. Georg von Rottal, Freiherr von Thalberg war obrister Landhofmeister der niederösterreichischen Lande. Johann Jacob von Rottal zog 1611 nach Mähren, wo er die Herrschaft Napajedla erwerben konnte. Der umtriebige Johann Anton von Rottal war das bekannteste Familienmitglied. Als Katholik stand er auf der Seite der Habsburger und konnte nach der Schlacht am Weißen Berg seine mährischen Besitzungen stark vergrößern. Er war auch Landeshauptmann von Mähren, wo er die Rekatholisierung durchsetzen konnte. 1644 schlug er den Aufstand der Walachen nieder. 1649 wurde er in den Grafenstand erhoben. Er galt schließlich als reichster und mächtigster Adeliger in Mähren. Die Familie Rottal ließ sich in den Jahren 1667 bis 1683 durch den Architekten Giovanni Pietro Tencalla an Stelle des Wesselényi’schen Stadthauses ein Palais errichten. Es war ein eleganter einstöckiger Bau mit einem markanten Rondell an der Ecke zur Grünangergasse. Erhalten haben sich davon nur die beiden Portale und das Vestibül, denn bereits 1721 gab es die erste Umgestaltung unter dem Baumeister Anton Ospel. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts scheinen Mitglieder verschiedener Familienzweige der Rottals als Eigentümer des Palais auf. Mit Franz Anton Graf Rottal starb die Familie 1762 aus. Ein im Wiener Hofkammerarchiv bis heute aufbewahrter Kaufvertrag weist allerdings schon 1750 die verwitwete Gräfin Maria Josepha von Rottal, die nur weibliche Nachkommen hatte, als Verkäuferin des Palais aus. Das Gebäude ging in Staatsbesitz über und kann seither nicht mehr als adeliger Wohnsitz betrachtet werden. Nach einer zweijährigen Renovierung und Vergrößerung, die auch das benachbarte Billiottische Stiftungshaus umfassten, zog die Wiener Stadt-Bank (Wiener Stadt-Banco), eine Vorläuferin der Österreichischen Nationalbank, aus ihrem bisherigen Domizil, dem Alten Rathaus aus und in die beiden Gebäude des Palais Rottal ein, in das die Bank bereits seit 1741 teilweise eingemietet war. Sie hatte damit endlich ein ihrer Bedeutung entsprechendes repräsentatives Bürogebäude gefunden. 1762 wurde von der hier etablierten Wiener Stadt-Bank erstmalig in Mitteleuropa Papiergeld, sog. Bancozetteln ausgegeben. Mit dieser finanzpolitisch bisher ungewöhnlichen Transaktion konnte eine Münzverschlechterung bzw. ein Verfall der österreichischen Währung vermieden werden, ohne dass die schlechte finanzielle Lage des Landes nach den Türkenkriegen und dem Siebenjährigen Krieg weiter belastet worden wäre.

Die Wiener Stadt-Bank war bereits 1703 zur Reorganisation der äußerst strapazierten Staatsfinanzen als Staatsbank gegründet worden. Drei Jahre später übernahm die Stadt Wien die Garantie für die Deckung der von der Bank ausgegebenen Obligationen. Das Stiftungshaus, das ja nie mit der Familie Rottal in Beziehung stand, war nun Teil des ehemaligen Adelspalais geworden. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein benachbartes, bisher privates Bürgerhaus angekauft und in den Umbau einbezogen. Verantwortlicher Architekt für die Umgestaltung des Palais war der Wiener Baumeister Franz Anton Pilgram, zu dessen wichtigsten Werken außer dem Palais Rottal der Bau des bischöflichen Schlosses in Fertörakos (Kroisbach), sowie die Erneuerung des Schlosses Riegersburg im Waldviertel, aber auch kirchliche Bauten, wie der Bau des Stiftes Klosterbruck in Znaim und die Mitarbeit am Neubau von Stift Göttweig zählen. Er gab den drei bisher unterschiedlichen Häusern trotz der teilweisen Verwendung der alten Bausubstanz eine einheitliche Fassade. Pilgram schuf auch den zentralen großen Innenhof, indem er den Verbindungstrakt zwischen dem bisherigen kleinen Repräsentationshof und dem dahinter liegenden Gartenhof abbrechen ließ. Bei neuerlichen Umbauarbeiten in den Jahren 1842 bis 1848 kam bei allen Trakten ein neues Stockwerk hinzu. Zwar wurde dieses dem Altbestand angeglichen, doch gingen dadurch die ursprünglichen Proportionen verloren. Damals wurden auch die beiden Dreiecksgiebel über den Risaliten abgetragen und durch eine Attika ersetzt, auf der man Figuren aufstellte, die sich zuvor auf den Giebeln und vor allem am Winterpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse befanden. 1849 nahm das neu adaptierte Gebäude das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht auf. 1897 fanden umfangreiche Umbauten im Inneren statt. 1903/04 führte der vermehrte Raumbedarf neuerlich zu einem großen Umbau. Nach Abbruch zweier Häuser in der Kumpfgasse entstand der Hintertrakt mit seinen nach innen abgerundeten Ecken. 1905 erneuerte man die beiden neo-barocken hölzernen Wächterhäuschen in Stein. Später diente das Gebäude der Finanzverwaltung und ihr nahe stehenden Stellen, wie der Staatsschuldenkassa oder dem Bundesrechenzentrum, als Amtsgebäude. Das ehemalige Palais ist nach wie vor in Staatsbesitz und beherbergt seit 1983 die Finanzprokuratur und die Volksanwaltschaft. Einige Räume im Erdgeschoß sind vermietet.

Trotz der Vereinheitlichung der Fassade erkennt man an den unterschiedlichen Geschoßhöhen, dass hier ursprünglich kein monumentaler Bau aus einem Guss vorhanden war. Die Rücksichtnahme auf die Vorgängerbauten bedingte auch eine nicht unbeträchtliche Asymmetrie der Risalite und die Positionierung des großen Innenhofes. Die Wirkung seiner einheitlichen Fassade wird durch die konkave Abrundung der Ecken seiner Hinterfront verstärkt. Die beiden Häuser des Palais-Komplexes sind nun um zwei Höfe gruppiert. Die in den letzten Jahren prächtig renovierte, dreizehnachsige, spätbarocke Fassade in der Singerstraße wirkt vor allem durch die reich verzierten Fensterumrahmungen und -verdachungen. Die beiden dreiachsigen Risalite treten nur wenig vor, tragen aber durch die korinthischen Riesenpilaster, die den ersten und den zweiten Stock zusammenfassen, viel zum Gesamteindruck bei. Durch den üppigen Fassadenschmuck wirkt dieser Bauteil, bei dem es sich um die Schauseite des ehemaligen Palais handelt, fast überladen und kontrastiert zu den restlichen schlichteren Fassadenteilen, die meist nur einfache Nutungen aufweisen. An der 1845 neu gestalteten Attika weist ein großer kaiserlicher Adler darauf hin, dass das Gebäude die längste Zeit seiner Geschichte öffentlichen Aufgaben diente. Die beiden, relativ einfachen Portale im genuteten Erdgeschoß werden von gesprengten Segmentgiebeln gekrönt, auf denen allegorische Figuren sitzen. Am linken Portal stellen sie die Tapferkeit und die Beharrlichkeit sowie über dem rechten Tor die Kraft und die Hoffnung dar. Eher ungewöhnlich für Wiener Palais, befinden sich über den Portalen keine Balkone. Die lange barocke Nebenfront in der Grünangergasse ist wesentlich schlichter gehalten.

An den Wänden des größeren Hofes wiederholt sich die Struktur der Hauptfassade in schlichteren Formen. Seine Hinterfront ist bühnenartig gekrümmt. Die Harmonie der Fassaden wird heute allerdings dadurch beeinträchtigt, dass der Hof als Parkplatz genützt wird. Die Einfahrtshalle, auch Vestibül genannt, ist eine dreischiffige Säulenhalle, an die im rechten Gebäudeteil ein repräsentatives Treppenhaus anschließt. Dessen Wände sind durch Pilaster gegliedert und durch Wandnischen und neobarocke Ziervasen aufgelockert. Im Hauptgeschoß des linken Gebäudeflügels hat sich noch in einigen Räumen die Ausstattung des 18. und 19. Jahrhunderts erhalten. Zu den Repräsentationsräumen gehört ein eleganter stuckverzierter Salon, dessen Fenster an der hinteren Schmalseite des Innenhofes liegen. Seine prächtigen Stuckverzierungen stammen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. An den Salon schließen die übrigen Gesellschaftsräume an. Ihre reiche späthistoristische Ausstattung hat sich weitgehend erhalten. Man findet hier Kaminnischen in Stuckmarmor und einige neobarocke Kachelöfen. Der vergoldete Wanddekor ist meist in den Formen des Zweiten Rokokos gehalten. Sehr schön sind die vergoldeten Stuckverzierungen der kleinen Hauskapelle mit ihrer ovalen Flachkuppel. Die Wände des nur vier Meter langen und drei Meter breiten Kapellenzimmers sind zum Teil mit Kunstmarmor verkleidet. Ihre Supraporten sind mit plastischen Putten verziert. Leider wurde der große Festsaal, der durch zwei Geschoße reichte, vermutlich im 19. Jahrhundert der Höhe nach unterteilt, wodurch er viel von seiner Wirkung verloren hat. Der zweigeschossige barocke Keller dient heute als Archiv. Im Bereich der Südwestecke hat sich noch spätmittelalterliches Zwickelmauerwerk erhalten.

Das zweite große Gebäude, das heute Teil des Palais Rottal ist, war das sog. Billiottesche Stiftungshaus, das auf den Wiener Armenarzt Dr. Franz Billiotte zurückgeht. Dieser war Leibarzt von Kaiser Leopold I. Er sollte im Auftrag der niederösterreichischen Stände einen botanischen Garten in der Rossau für wissenschaftliche Zwecke gestalten. Dieser sollte die Basis für Medikamente liefern, die aus heimischen Pflanzen gewonnen werden könnten. Billiotte widmete große Teile seines Vermögens den Armen Wiens. Er stiftete die erste und einzige Armenapotheke der Stadt und richtete in seinem Haus eine Ordination ein, in der er gemeinsam mit zwei anderen Ärzten unentgeltlich den Bedürftigen zur Verfügung stand. Sein palaisartiges Haus wurde kurz vor 1733 vom Vorarlberger Architekten Anton Johann Ospel errichtet. Dessen Wiener Hauptwerk ist das Bürgerliche Zeughaus am Hof. Ospel war aber nicht nur Architekt sondern auch ein recht vielseitig engagierter Zeitgenosse. Unter dem späteren Kaiser Karl VI war er Spanischer Hofbauschreiber, kaiserlicher Stuckhauptmann und Pyrotechniker. Ein Kupferstich von Salomon Kleiner aus dem Jahr 1733 zeigt das Äußere seines viergeschossigen Hauses. Das Stiftungshaus hatte damals eine sechsachsige Schauseite und einen rechteckigen Innenhof, war aber wesentlich kürzer als das unmittelbar angrenzende Palais Rottal. Auch der Hof war wesentlich bescheidener. Die ansonsten schlichte Fassade wird von der reich dekorierten Portalzone dominiert. Außer dem rundbogigen Eingangstor bezieht sie auch die beiden darüber liegenden Fenster ein. Zwischen diesen steht in einer Nische die Steinfigur einer Frau mit Kinder. Sie symbolisiert die Caritas und weist auf den sozialen Zweck des Gebäudes hin. Das Tor selbst wird von zwei schräg gestellten kannelierten Pilastern begrenzt. Sie stützen einen stattlichen geschwungenen Dreiecksgiebel, der mit einen Segmentgiebel kombiniert ist. In diesem erkennt man zwei Wappen und zwei Medaillons. Die restliche Fassade wird nur durch die zahlreichen Fensterverdachungen belebt. Leider kann die Fassade des Stiftungshauses in dieser Form nur mehr auf einem Stich von Salomon Kleiner betrachtet werden. Durch die Aufstockung mit einem fünften Geschoß 1848 hat das Gebäude seine Eleganz teilweise verloren. Schon anlässlich der Renovierung in den Jahren nach 1750 hatte das Giebelfeld an Stelle der Wappen und Medaillons den kaiserlichen Doppeladler als neuen Schmuck erhalten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die steinerne Caritas über dem Portal durch die römische Göttin Providentia ersetzt.

Ort/Adresse: 1010 Wien, Singerstraße 17-19/Grünangergasse 9

Besichtigung: nur von außen möglich. Der Hof und das Treppenhaus sind aber meist zugänglich.


Weitere Literatur:


31.05.2020