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Wien - Springerschlössl


Der Forscher und Weltreisende Carl Freiherr von Hügel war nicht nur österreichischer Diplomat und Botaniker sondern auch Oberstgartenmeister von Schönbrunn. Dem Schönbrunner Schlosspark gegenüber befand sich ein weiteres, 40.000 m² großes Parkareal, das ihm persönlich gehörte und von ihm auch gestaltet worden war. 1886 erwarb der Wiener Finanzier und Großindustrielle Gustav Freiherr von Springer den Besitz und ließ zwischen 1887 und 1890 durch das Architekturbüro Helmer und Fellner auf dem Gelände einen repräsentativen Landsitz errichten, der bald Springerschlössl genannt wurde. Springer führte hier bis zum Ersten Weltkrieg einen der elegantesten Salons von Wien, in dessen Gästebuch sich die Namen eines Großteils des österreichischen Adels (u.a. Auersperg, Liechtenstein, Pauline Metternich, Wilczek) aber auch des bürgerlichen Wiener Finanz- und Industrieadels wie Rothschild und Dreher finden. Immer gerne gesehen waren hier nationale und internationale Künstler aus allen Bereichen, wie William Somerset Maugham, Ruggiero Leoncavallo, Alexander Girardi oder Max Reinhardt. In seinen späteren Jahren bewohnte Springer sein Schlössl gar nicht mehr und stellte es lediglich seinen Gästen zur Verfügung. Er selbst lebte in einem Wiener Hotel. Als er 1920 verstarb, erbte seine Tochter Maria Cäcilia das riesige Vermögen ihres Vaters, der keine männlichen Nachkommen hatte. Da sie jedoch in Paris und später in Schottland verheiratet war, benutzte sie ihr Wiener Domizil kaum. 1939 wurde das Springerschlössl von den Nationalsozialisten als jüdisches Eigentum beschlagnahmt und als Gauführerschule benutzt. Als kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges Wien von alliierten Flugzeugen mehrfach bombardiert wurde, richteten 22 Bombentreffer im Park schwere Verwüstungen an. Das Schlösschen selbst blieb aber nahezu unbeschädigt. 1945 wurde es jedoch von marodierenden russischen Soldaten in Mitleidenschaft gezogen. Als ehemalige Gauführerschule galt es ja als vogelfreies deutsches Eigentum. Nach Kriegsende erhielt Maria Cäcilia das Springerschlössl wieder restituiert. Sie verkaufte es aber bereits 1953 an den gemeinnützigen Verein Wiener Volksheime. Seit 1975 und einer Generalrenovierung ist hier die Politische Akademie der ÖVP, eine Bildungseinrichtung der Österreichischen Volkspartei, beheimatet. Im Park wurde ein Seminarhotel errichtet.

Das sogenannte Springerschlössl ist eigentlich eine freistehende monumentale Villa, die im zur Zeit ihrer Errichtung beliebten altdeutschen Stil erbaut worden war. An ihrer genuteten Schauseite ist sie neunachsig und zweistöckig. Von der dem dreiachsigen Mittelrisalit vorgelagerten Terrasse führt eine breite Freitreppe hinab in den Park. Die Terrasse wird durch eine steinerne Balustrade geschützt, deren Füllungen aus schmiedeeisernen Rosetten bestehen. Dekorativ sind die den Abgang beleuchtenden ebenfalls schmiedeeisernen Laternen. Den drei Mittelfenstern des Obergeschosses ist ein auf Konsolen ruhender Balkon mit einem durchbrochenen Steingeländer vorgelegt. Der dem Mittelrisalit aufgesetzte mächtige Fachwerk-Giebel beeinträchtigt allerdings die Eleganz des Gebäudes. An der Nordostecke überragt ein schlanker einachsiger Turm die Fassade um ein Geschoß. Vom Vestibül aus gelangt man in das zentrale zweigeschossige Atrium, das durch ein Glasdach beleuchtet wird. Nach englischem Vorbild ist es als „hall“ angelegt. Es ist das eichenholzgetäfelte Zentrum der luxuriösen Residenz. Hier fanden die Empfänge und künstlerischen Darbietungen statt. Eine architektonische Besonderheit dieses Raumes ist die den Saal dominierende freitragende neobarocke Holztreppe, die im Obergeschoß in eine umlaufende Galerie mündet. Sie bot den Künstlern und Überraschungsgästen des Hausherrn eine wirkungsvolle Auftrittsmöglichkeit. Die umliegenden Räume dienen heute Büro- und Seminarzwecken. Bemerkenswert ist auch der große Park, in dem sich viele Naturdenkmäler befinden, die zum Teil noch auf Carl Freiherr von Hügel zurückgehen. Er ist der letzte Rest des einstigen Gatterhölzls.

Lage: unweit vom Schönbrunner Schlosspark

Ort/Adresse: 1120 Wien, Tivoligasse 73

Besichtigung: nur nach Anmeldung möglich


Weitere Literatur:


25.04.2020