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Schwaz - Palais Tannenberg-Enzenberg


Die Stadt Schwaz verdankte im Mittelalter sowie in den folgenden Jahrhunderten ihren Wohlstand dem „Bergsegen“, wie man die großen Lagerstätten an Silber- und Kupfererz bezeichnete. Der benachbarte Falkenstein war Ende des 15. Jahrhunderts das wichtigste Bergbaurevier Tirols. Die Arbeitsbedingungen in den niedrigen und engen Stollen waren zwar katastrophal, doch lohnten sie sich für die Bergknappen und vor allem für die Gewerken, die die Minen betrieben. Einer von ihnen war Veit Jakob Tänzl, der damals als sagenhaft reich galt. Er stammte aus einer Innsbrucker Kaufmannsfamilie, stieg aber nach dem Tod seines Vaters in den Tiroler Bergbau mit mehreren Betrieben ein. Als landesfürstlicher Rat und Jagdgefährte Kaiser Maximilians I führte er ein standesbewusstes aristokratisches Leben schon bevor er 1502 mit dem Prädikat „von Tratzberg“ geadelt wurde. Dieses Prädikat stand ihm auch zu, da er das durch Brand schwer beschädigte Schloss Tratzberg, das er durch einen Gütertausch mit Maximilian erhalten hatte, zu einem der prächtigsten Schlösser Tirols umgestalten hatte lassen. Tänzl galt zu seiner Zeit als einer der wichtigsten Bauherren, Kirchenstifter und Kunstmäzen Tirols. Unter anderem war er einer der Gründer des Franziskanerklosters in Schwaz. Er bedachte auch mehrmals die Schwazer Pfarrkirche mit wertvollen Stiftungen und machte sich auch persönlich für sein Land nützlich. So war er Pfleger des Landgerichtes Rottenburg und leitete im bayerischen Erbfolgekrieg als Kommandant eine Tiroler Schützenabteilung. Natürlich legte er auch Wert auf einen standesgemäßen Wohnsitz. Er ließ sich daher in den Jahren zwischen 1500 und 1515 unmittelbar gegenüber der Stadtpfarrkirche ein repräsentatives Palais errichten. Das Glück der Tänzls war wie das der meisten reich gewordenen Gewerken Tirols jedoch enden wollend.

Veit Jaklob Tänzl hatte sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts zugunsten seines aufwändigen Lebenswandels mehr und mehr von der direkten Leitung seiner Bergbaubetriebe zurückgezogen und diese einzelnen Bergwerksdirektoren, sog. Faktoren überlassen. Einer von ihnen war durch seine Misswirtschaft zu einem guten Teil für den Niedergang seines Imperiums verantwortlich. Tänzl musste 1525 Konkurs anmelden. Die meisten seiner Bergbaubetriebe wurden bis zur Liquidation der Firma 1552 von seinen Neffen Hans Jakob und Kaspar Joachim Tänzl weitergeführt. Damals erhielt auch sein Schwazer Stadtpalais einen neuen Eigentümer, die ebenfalls als Gewerke tätigen Herren von Katzbeck. Auf sie folgte die Familie Stauber, die im 17. Jahrhundert für die Fugger im Schwazer Bergbau tätig war. Um 1685 kam das Gebäude an den Eisengewerken Georg Tannauer von Tannenberg. Diese Tiroler Familie, die 1493 von Kaiser Sigmund geadelt wurde, als sie noch Tannauer hieß, nannte sich erst nach ihrer Erhebung in den Freiherrenstand 1692 nach ihrem damals verliehenen Prädikat Tannenberg. Tannauers Sohn, Josef Freiherr von Tannenberg, fand es nun standesgemäß, den alten Wohnsitz um 1700 umzubauen und zu modernisieren. Der Plan für den hochbarocken Umbau dürfte vom Innsbrucker Hofbaumeister Johann Martin Gumpp stammen, der die Ausführung dem Baumeister Jakob Schweighart überließ. Unter Kaiser Karl VI erhielten die Tannenbergs 1737 die Reichsgrafenwürde. Einer ihrer bekanntester Vertreter war Ignaz Graf Tannenberg, der sich sehr um seine verarmten Bergknappen bemühte und in Schwaz für sie ein für die damaligen Verhältnisse modernes Krankenhaus errichten ließ.

1847 trat eine neue Eigentümerfamilie auf den Plan, die das Palais auch heute noch besitzt und vorbildlich restauriert hat. Die Reichsgrafen von Enzenberg zum Freien- und Jöchelsthurn sind ein Tiroler Adelsgeschlecht, das 1481 erstmals urkundlich erwähnt wird. Ihr Stammvater Eberhard Enzenberg leistete Kaiser Maximilan I im Schweizerkrieg, der auch als Schwabenkrieg bezeichnet wird, wertvolle Dienste. Sein Enkel Georg durfte sich ab 1578 mit dem Prädikat „zum Freyenthurn“ nach einem kurz zuvor erworbenen Südtiroler Ansitz schmücken. Durch die Heirat des Grafen Franz III. von Enzenberg mit Gräfin Ottilia von Tannenberg kamen 1847 zahlreiche Nord- und Südtiroler Besitzungen an die Familie, die ihr zum Teil auch heute noch gehören. Auch das Palais Tanzenberg gelangte damals an die Familie Enzenberg, die das Gebäude nach den Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges vorbildlich restauriert hat. Es wird seither Palais Tannenberg-Enzenberg genannt. Als privater Wohnsitz ist es nur eingeschränkt zu besichtigen. Gelegentlich finden hier Kunstausstellungen der Galerie der Stadt Schwaz statt. In den großen gewölbten Kellerräumen befinden sich noch die ungewöhnlich großen Weinfässer, in denen Zeugnisse der umfangreichen Südtiroler Weingärten der Familie lagerten. Sie sind aber schon lange nicht mehr in Verwendung. Seit dem Jahr 2000 gehört das Palais einer Privatstiftung der Familie Enzenberg.

Das Palais liegt unmittelbar gegenüber der Stadtpfarrkirche. Es ist ein umfangreicher Gebäudekomplex, der sich an der Nordseite der Kirche entlang und um die Ecke hinab in die Tannenberggasse erstreckt. Wie sein unregelmäßiger Grundriss und die verschiedenartigen Fassaden zeigen, hatte man bei seiner Errichtung mehrere Gebäudeteile älterer Bauten vereinigt. Die Bedeutung seines Bauherrn für die Stadt kann man daran erkennen, dass es im zweiten Obergeschoß durch einen Bogengang mit der Pfarrkirche verbunden ist, so dass die Bewohner jeweils trockenen Fußes und ungesehen von anderen Messebesuchern in die für sie vorgesehene Westempore der Kirche gelangen konnten. Dieses Privileg ist in Österreich ungewöhnlich, da es hier meist nur in Schlosskirchen dem Eigentümer bzw. in Pfarrkirchen dem Landesherrn zugestanden wurde. Die Fassade des Hauptgebäudes zeigt eine prächtig restaurierte klassizistische Bemalung mit Fensterumrahmungen und Medaillons aus der Zeit um 1790. Zwei zweigeschossige Erker springen nur wenig aus der Fassade vor. Das Erdgeschoß ist genutet. Die Portalzone besteht aus einem von toskanischen Säulen flankierten Rundbogenportal mit einem darüber liegenden Balkon, der von einem geschmiedeten Eisengitter begrenzt wird. Interessant sind auch die Türbeschläge sowie der dahinter liegende Treppenaufgang mit den Statuen der Götter Apollo und Diana, die vom Hofbildhauer Ingenuin Lechleitner um 1710 geschaffen wurden. Der in die Tannenberggasse hinabreichende Teil des Palais ist wesentlich schlichter als das Hauptgebäude gehalten. Die Fassade des Waldmannsaaltraktes wurde nach dem auf die Zerstörung von 1944 folgenden Wiederaufbau vereinfacht der übrigen Straßenfront angeglichen.

Den künstlerisch bedeutendsten Raum des Palais gibt es schon lange nicht mehr. Es war der große zweigeschossige Festsaal, den Josef Freiherr von Tannenberg beim Umbau von 1700/1704 anlegen ließ. Wegen seines Freskenschmucks, der von Kaspar Waldmann, einem der Begründer der barocken Freskomalerei in Tirol, geschaffen wurde, nannte man ihn auch Waldmannsaal. Der Maler und möglicherweise auch sein Neffe Johann Josef Waldmann schufen hier um 1700 die erste barocke Totalausmalung eines profanen Saales in Tirol. Wände und Decke waren vollständig mit Fresken bedeckt. Die Decke zeigte die Erstürmung des Olymps durch die Giganten. An den Wänden konnte man noch 1939 Personifizierungen der Kardinalstugenden sowie illusionistische Architektur- und Landschaftsdetails erkennen. Der Saal lag im zweiten Obergeschoß eines Traktes, der lediglich zur Hälfte im Hauptgebäude verbaut war. Die andere Hälfte befand sich in einem, im rechten Winkel in den Garten vorspringenden Anbau, der über eine Terrasse zugänglich war. Während der Besetzung Tirols im Jahr 1809 durch bayerische Truppen wurde nach einem missglückten Aufstand der Tiroler Schützen, von den aufgebrachten bayerischen Soldaten der größte Teil des damaligen Marktes in Brand gesetzt. Dem fiel auch das Palais Tannenberg mit seinem Festsaal zum Opfer. Dessen Freskomalereien wurden dabei so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr restauriert werden konnten. Ein Hauptproblem war das Fehlen von farbigen Bildmaterial, das man für eine Rekonstruktion als Muster heranziehen hätte können. Die wenigen 1939 erstellten Schwarz-Weiß-Fotos waren für die Details ebenfalls nicht hilfreich. Als 1944 eine Fliegerbombe in das Palais einschlug und den Waldmannsaal restlos zerstörte, war das Schicksal der Barockfresken Waldmanns endgültig besiegelt. Unglücklicherweise kamen bei dieser Bombardierung etliche Schwazer Bürger, die sich im Keller unterhalb des Waldmannsaales relativ sicher glaubten, ums Leben. Der weitgehend zerstörte Trakt mit dem Festsaal wurde in der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in Erdgeschoßhöhe abgetragen und durch ein Notdach geschützt. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde er zwar neu aufgebaut, aber in moderne Wohnungen unterteilt.

Ort/Adresse: 6130 Schwaz, Franz-Josef Straße 28

Besichtigung: normalerweise nur von außen möglich, anlässlich von im Palais stattfindenden Kunstausstellungen sind einzelne Räume zugänglich


Weitere Literatur:


08.04.2020