Der Name Jeutendorf dürfte auf Jutta von Peilstein zurückgehen, die um 1150 dem von ihrem Gatten gestifteten Kloster Baumgartenberg hier einige Güter hinterließ. 1334 verkaufte Wernher der Payer von Russbach seinem Schwager Wulfing dem Häusler das Gut Jeutendorf. Im 14. Jh. sind noch etliche Besitzer, wie die Wagramer, Plankensteiner und Hohenberger nachweisbar. Im 15. Jh. dürften die Feyertager den Besitz erworben haben. Eberhard Kaufmann, ein Neffe des Wiener Bürgermeisters Hans Kaufmann, heiratete 1526 Regina Elisabeth Zeller, die Witwe von Joachim Wilhelm Feyertager, und kam so in den Besitz der halben Herrschaft. Bis 1532 gelang es ihm auch den Rest zu erwerben. Er dürfte der Bauherr des damaligen Wasserschlosses gewesen sein. Jenes Aussehen, das der Vischer-Stich von 1672 zeigt, erhielt es aber erst im späten 16. Jh. Im Gegensatz zu vielen seiner Glaubensgenossen durfte Wolf Dietrich Kaufmann als „tolerierter“ Adeliger in der Gegenreformation an seinem protestantischen Glauben festhalten. Er starb als letzter seiner Familie 1665. Seine Tochter Eva Sophia konnte den Besitz wegen hoher Schulden nicht halten. 1669 erwarb Johann Paul Jakob Gienger die Herrschaft. Er verkaufte sie aber bereits 1676 an Maximilian von Sala, dem Rektor der Wiener Universität und niederösterreichischen Kanzler. Dieser stiftete 1678 das benachbarte Servitenkloster, dessen Bau sich aber wegen innerkirchlichen Streitereien bis 1717 hinzog. 1800 war Franz Anton Maria Graf Bussy-Mignot Eigentümer von Jeutendorf. 1801 gehörte es Franz Edler von Strehmayer und noch im gleichen Jahr dem Juwelier Wenzel Delavos. 1807 kam der mit Armeelieferungen reich gewordene dalmatinische Graf Alois Geniceo in den Besitz des Gutes. Er ließ das 1809 von den Franzosen niedergebrannte Kloster wiederaufbauen und beauftragte den Architekten Josef Kornhäusel mit dem Umbau des beschädigten Renaissanceschlosses in eine wohnliche biedermeierliche Landvilla. Dabei wurde das oberste Geschoß abgetragen und der Nord- und Westtrakt abgebrochen. An Stelle des Nordflügels entstand ein neuer Trakt mit wesentlich dünneren Mauern. Außerdem erbaute Kornhäusl 1810/11 den stattlichen Meierhof. Südlich vom Schloss, auf einem heute bewaldeten Plateau, nahm er einen neuen großzügigen Schlossbau in Angriff. Das Baumaterial stammte von Schloss Rassing, das Geniceo 1811 erworben hatte und demolieren ließ. Wie die Pläne zeigen, hätte das Neuschloss ein stattlicher dreigeschossiger Bau von 17 Fensterachsen werden sollen. Es blieb aber ein Rohbau. Die Räume wurden unter der Leitung des Italieners Bellotti als Seidenfabrik eingerichtet. Der Schlossherr glaubte nämlich, dass die Seidenraupenzucht – nach dem Verlust der Lombardei – ein gutes Geschäft sein müsste und ließ auf seinen Gütern zahlreiche Maulbeerbäume pflanzen. Diese und andere Spekulationen des Grafen gingen jedoch nicht auf und er verlor sein Vermögen. 1840 starb er verarmt als letzter seiner Familie auf der Insel Lissa. Die Herrschaft Jeutendorf wurde 1829 versteigert. Käufer war Nikolaus II Fürst Esterházy. Ihm folgten Cäsar Marquis von Bocello und 1835 James de Joungh. Letzterer verkaufte die Parkettböden des Neuschlosses, das seine Witwe abbrechen ließ. Es ist heute bis auf die Grundmauern verschwunden. Die nächsten Besitzer waren wieder die Grafen Bussy-Mignot. Durch Heirat gelangte Jeutendorf im späten 19. Jh. an den Freiherrn Franz von Beulwitz. Über die Familie Kostria kam die Herrschaft 1918 an Johann Emil Rys, dessen Nachkommen das Schloss auch heute noch besitzen. Nach der 1945 in Niederösterreich üblichen Plünderung und Devastierung konnte das Gebäude innen und außen vorbildlich wiederhergestellt werden.
Jeutendorf ist ein gutes Beispiel für die romantisch-biedermeierliche Adaptierung eines kleinen Renaissancesitzes. Das im Schatten alter Parkbäume liegende Schlösschen lässt die ehemalige Verteidigungsbereitschaft nur mehr im Nordostturm ahnen. Der schmächtige Nordwestturm stammt bereits vom Umbau Kornhäusls. Beide Türme sind vorgeschoben und im Inneren nur durch schmale Zugänge mit dem Hauptbau verbunden. Der ursprüngliche Vierkanter wurde von Kornhäusl in eine ehrenhofartige, asymmetrische Anlage umgestaltet. Drei Flügel umschließen den Hof, der nach Westen zu offen ist. Er dient als Terrasse, von der eine zweiarmige Steintreppe mit zierlichem Geländer in den Park hinunterführt. Das Schloss ist heute zweigeschossig, ebenso die Türme. Durch ein rundbogiges Tor gelangt man in eine gewölbte Eingangshalle, von der man Zugang zu den hübschen Räumen im Erdgeschoß und im Oberstock hat. In der Halle hat sich ein hölzernes Barockportal mit gedrehten Säulen erhalten. Es dürfte aus einem Sakralbau stammen. Vorhanden ist auch noch ein schöner Kamin aus dem Jahr 1802. Im Norden und Westen ist im Park der ehemalige Wassergraben noch teilweise zu sehen. Schloss und Park sind von einer originellen Mauer umgeben, die mit Ziertürmchen und Pinienzapfen geschmückt ist. Aus der ersten Bauzeit des Schlosses stammt noch der alte Speicherbau des Marienhofes gegenüber dem Schloss.
Lage: Niederösterreich/St.Pölten-Land – ca. 8 km nördlich von Böheimkirchen bzw. 10 km nordöstlich von St. Pölten
Besichtigung: nur von außen möglich
Weitere Literatur:
20.02.2003