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Hall - Rainegg


Wie die meisten größeren Städte in Europa war auch Hall in Tirol im Mittelalter von einer Stadtmauer umgeben. Diese war an allen vier Seiten durch zusätzliche Wehrbauten verstärkt. Zu den mit der Verteidigung betrauten Gebäuden zählte neben der landesfürstlichen Burg Hasegg, dem Agramsturm, in dem sich das städtische Zeughaus befand und der 1567 zum Damenstift umgebauten Burg Sparberegg auch der Trenkturm. Dieser lag an der südwestlichen Stadtecke. Durch sein schmuckloses Aussehen und seine erhöhte Lage macht er noch heute einen wehrhaften Eindruck. Seit 1958 ist er jedoch ein in neun Eigentumswohnungen aufgeteilter Ansitz, der unter dem Namen Rainegg wesentlich besser bekannt ist, als unter seiner ursprünglichen Bezeichnung. Seine erstmalige urkundliche Erwähnung erfolgte um 1380, doch war die Ortsbezeichnung „auf dem Rain“, also „auf der Wiese oder am Feldrand“ im Mittelalter weit verbreitet, so dass eine genaue Datierung etwas schwierig ist. Als Inhaber des landesfürstlichen Lehens scheint 1412 Hans von Ems auf, der den Ansitz Rainegg danach an die Stadt Hall verkaufte. 1438 dürfte der turmartige Bau bereits ein Teil der Ringmauer gewesen sein. Herzog Sigmund wandelte 1476 das bisherige Lehen in ein freies Eigen um. Die Stadt verkaufte den Ansitz aber schließlich an Georg Fieger zu Hirschberg, von dessen Erben er 1607 an die Hiltprant von Edelhausen kam. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts übernahm der Salzmair Johann Franz von Wicka den Ansitz. Er war wenige Jahre zuvor aus Lothringen nach Tirol gekommen, wo er als Kriegslieferant zu großem Reichtum gekommen war. 1671 war die Familie Wicka in den Freiherrenstand und 1695 in den Reichsgrafenstand erhoben worden. Sie durften nun das Prädikat „von Wickburg und Rainegg“ führen.

Ende Juli 1670 fand in Tirol ein besonders schweres Erdbeben statt, das sein Epizentrum im Raum Hall/Tirol hatte. Dabei erlitt auch der Ansitz Rainegg große Schäden. Obwohl der Salzmair für den Wiederaufbau widerrechtlich Personal und Material der Saline einsetzte, dauerten die Sanierungsarbeiten bis nach 1686. Allerdings unterschieden sie sich teilweise nicht wesentlich von einem Neubau. Die Grafen Wicka besaßen Rainegg bis 1759, doch ging mittlerweile Franz Adam Graf Wicka in Konkurs. Seine Gläubiger verkauften seinen Ansitz an Anna Catharina Zecklin. 1781 erwarb der Kaufmann und Kutschermeister Ignaz Raggl den bereits zweigeschossigen Bau. 1852 ging das durch ein neu erbautes Stöckl vergrößerte Anwesen an die Stadt Hall über, die es als Kaserne benützte. Die Stadt trennte sich aber bereits 1868 wieder von ihm. Mit dem neuen Eigentümer Dr. Johann Ganner kam Rainegg nun endgültig an mehrfach wechselnde bürgerliche Besitzer. Nach diesen erhielt es jeweils einen neuen Namen: Ragglschlössl, Gannerschlössl und zuletzt Waitzschlössl. Dr. Ernst Waitz ließ ab 1904 das Gebäude umbauen und in Wohnungen unterteilen. Dabei wurde das Innere völlig verändert. Sogar der Dachboden diente nun Wohnzwecken. 1938 wurde die Begrenzung des Grundstücks abgebrochen. 1958 wurden die Wohnungen weiter verändert. Derzeit ist der Ansitz in neun Wohnungen unterteilt, deren Eigentümer gleichzeitig entsprechende Anteile am gesamten Bauwerk halten.

Rainegg zählt zu den wenigen Ansitzen, die knapp innerhalb des alten Stadtkerns von Hall liegen. Seine erhöhte Lage über dem Stadtgraben, der Turm und die schmucklose Fassade weisen darauf hin, dass es sich um einen ehemaligen Wehrbau handelt. Wie viele Tiroler Ansitze ist er mit einem Grabendach ausgestattet. Von den benachbarten Häusern ist er durch einen ehemaligen Graben bzw. den Zufahrtsstraßen getrennt. Der Ansitz selbst stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Lediglich der unterste Teil des die Südseite dominierenden Turmes geht auf das Ende des 14. oder den Beginn des 15. Jahrhunderts zurück. Die auf älteren Ansichten zu sehenden falschen Zinnen waren romantische Zutaten des 19. oder des beginnenden 20. Jahrhunderts. Sie wurden bei einer Restaurierung 1958 wieder entfernt. Lediglich über dem rundbogigen Hoftor hat man sie belassen. Der einachsige Turm springt um eine Fensterachse aus der weitgehend schmucklosen Mauerfront vor. Deren gotische Scheinquaderung aus dem 16. Jahrhundert fällt kaum mehr auf. Lediglich ihre Ostecke ist mit einem übereck gestellten dreiseitigen Erker geschmückt, der auf gestuften Konsolen ruht und ab dem zweiten Geschoß fünfseitig wird. Zwei niedrige Erdbebenpfeiler geben der Ostfront zusätzliche Stabilität. Sie wurden wohl nach den schlechten Erfahrungen des Jahres 1670 angebaut. Die Nordfront begrenzt den kleinen Hof. Während die meisten Außenmauern eine Dicke von ca. einen Meter aufweisen, sind jene der Westseite etwa 180 cm stark, da sie hier einen Teil der Stadtmauer bildeten, die teilweise noch gut erhalten ist. In den Kellerräumen sind noch die ursprünglichen Kreuzgrat- und Sterngewölbe vorhanden. Bedingt durch die zahlreichen Umbauten ist die ehemalige Raumaufteilung nicht mehr zu erkennen.

Ort/Adresse: 6060 Hall in Tirol, Waldaufstraße 16

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


22.01.2020