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Rappottenstein


Rappottenstein ist eine der bedeutendsten und besterhaltenen Burganlagen Österreichs. Es ist ein gutes Beispiel für eine stark befestigte Höhenburg des Mittelalters. Strategisch war ihre Lage gut geplant. Sie thront auf einem riesigen Granitfelsen oberhalb des Kleinen Kamps und war zur Zeit ihrer Erbauung praktisch uneinnehmbar. Ein Angreifer hatte von der Vorburg bis zum Hochschloss immerhin fünf zwingerartige Höfe und acht Tore zu überwinden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass dies niemanden gelang. Ihr Name weist auf den Bauherrn hin. Es ist urkundlich gesichert, dass die Burg in den Jahren 1157 bis 1176 unter Rapoto von Kuenring-Schönberg, der auch als Burggraf von Mödling bekannt ist, als Sperrfeste an der alten „Fernstraße“ von Böhmen zur Donau, dem sog. „Steinernen Weg“, erbaut worden ist. Sie war damals ein Glied in der Kette der Festungen im Kamptal, die Schutz gegen Einfälle aus Böhmen in den Nordwald (silva nortica), wie das Waldviertel damals genannt wurde, verhindern sollten. Allerdings stammt aus dieser Zeit lediglich der untere Teil des Bergfriedes, der keilförmige Torbau und die ca. 1.5 m starke Umfassungsmauer der Hochburg. Die Kuenringer waren nach den babenbergischen Herzögen die mächtigste Familie im Land. Sie werden 1132 erstmals urkundlich erwähnt und waren Ministeriale der Babenberger. Die weit verzweigte Familie hatte vor allem im Wald- und Weinviertel sowie in der Wachau umfangreiche Besitzungen. In diesen Gegenden war sie wesentlich an der Kolonisierung und wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt. Die Kuenringer waren keine Raubritter, wie gelegentlich fälschlicherweise behauptet wird. Wenn sie manchmal als „Hunde von Kuenring“ bezeichnet wurden, so war dies kein Schimpfwort, sondern ein Ehrentitel, der sich auf ihre Treue und Ergebenheit zu den Landesfürsten bezog. Ihr späterer schlechter Ruf rührt allerdings daher, dass sie eine sehr selbst- und machtbewusste Familie waren. Ein großer Fehler war es natürlich, dass sie schließlich aufs falsche Pferd setzten und den böhmischen König Ottokar Przemysl und nicht Rudolf von Habsburg bei der Kaiserwahl unterstützten. Nach der Schlacht am Marchfeld und dem Tod Ottokars verloren sie einen Großteil ihres Besitzes.

Nach dem Sturz der Kuenringer als Folge des Adelsaufstandes gegen Herzog Albrecht I, waren ab 1305 die Herren von Dachsberg, die zuvor Lehensnehmer der Kuenringer waren, im Besitz der Burg Rappottenstein. Sie schufen um 1378 die Kapelle und einen Teil des Osttraktes. 1383 wurden die Dachsberger genötigt, ihr freies Eigen an den Landesfürsten Herzog Albrecht III zu verkaufen, der schließlich zehn Jahre später Georg von Dachsberg mit der Herrschaft belehnte. Die aus Oberösterreich stammenden Dachsberger kümmerten sich anfangs wenig um Rappottenstein, da sie hier nicht wohnten und Pfleger zur Verwaltung der Herrschaft eingesetzt hatten. Erst als einer von diesen, Jakob Pillung, sich als Raubritter erwies und sogar die Dachsberger von ihrem rechtmäßigen Eigentum vertreiben konnte, war es wohl zu viel. Zuvor hatte er die Untertanen des Klosters Zwettl drangsaliert und dem Stift u. a. 1300 Schafe geraubt, von denen die frommen Mönche etwa 300 wieder teuer zurück kaufen konnten. Mit Hilfe von Herzog Albrecht gelang es schließlich, den untreuen Pfleger wieder zu vertreiben und die Herrschaft neuerlich zu übernehmen. Georg von Dachsberg war der letzte Vertreter seiner Familie. Er stellte das Ansehen der Dachsberger wieder her, wurde Marschall von Österreich und Geräumeister. Als solcher befreite er das Waldviertel vom herumstreifenden Raubgesindel, mit dem er kurzen Prozess machte und alle vermuteten Räuber auf den nächsten Bäumen aufknüpfte. Anderseits entschädigte er das Kloster Zwettl für die Verluste, die es durch die Pillung erlitten hatte. Dafür sollten die Mönche jährlich 25 Messen für ihn lesen, was angeblich immer noch getan wird. Ab 1423 sind die mit den Dachsbergern verschwägerten Herren von Starhemberg auf Rappottenstein nachweisbar. Sie waren von Georg von Dachsberg, der keine männlichen Nachkommen hatte, testamentarisch als Erben eingesetzt worden. Sie bauten die spätgotische Halle und die Burgküche. Bartholomäus von Starhemberg, der von 1513 bis 1531 Rappottenstein besaß, war einer der ersten österreichischen Adeligen, die (1524) zum Protestantismus übertraten. Die Starhemberger besaßen bereits mehrere Herrschaften, darunter seit 1176 ihr namensgebendes Schloss bei Lambach, so dass sie sich zu einem Verkauf von Rappottenstein entschlossen. Es war Paul Jakob von Starhemberg, der 1556 die Herrschaft an die Herren von Landau veräußerte. Diese waren anfangs ebenfalls protestantisch, doch bekannten sie sich in der Gegenreformation wieder zum Katholizismus. Sie trugen wesentlich zum heutigen Aussehen der Burg bei. Unter ihnen entstanden der erste Hof mit dem heutigen Burgtor sowie die Arkaden im inneren Burghof. Auch die Verteidigungsanlagen waren immer wieder den neuesten wehrtechnischen Erkenntnissen angepasst worden, so dass Rappottenstein nie mehr erobert werden konnte.

Zur Zeit des Achaz von Landau, der von 1578 bis 1598 Alleinbesitzer der Herrschaft Rappottenstein war, brach der Waldviertler Bauernaufstand aus. Damals konnte die Burg den 3000 aufständischen Bauern widerstehen, die vergebens eine Minderung der harten Robot- und Steuerlasten verlangten. Lediglich die Wirtschaftsgebäude wurden von ihnen verwüstet. Als eine Mannschaft der protestantischen Stände Oberösterreichs 1619 hier Aufnahme fand, versuchten belgische Hilfstruppen des Kaisers vergeblich sie einzunehmen. Kurz nach einer durchgreifenden Instandsetzung belagerten 1645 schwedische Truppen die Burg, die von einem kaiserlichen Kommando unter Oberstleutnant Christoph Wilhelm Harrant verteidigt wurde, ohne Erfolg. Es gelang den Angreifern zwar, einen Teil des Burgdaches in Brand zu schießen, die Eroberung der Burg scheiterte jedoch. Bei den Versuchen der Soldaten Harrants, die Versorgungslage Rappottensteins zu sichern, waren die Schäden im Herrschaftsbereich allerdings nahezu ebenso groß, wie jene, die die Schweden anrichteten. 1664 kaufte Ernst Reichsgraf von Abensperg und Traun die Herrschaft. Die Abensperg-Traun sind eine uralte Familie, die zu den sog. Apostelgeschlechtern zählt, d. h. dass sie bereits zur Zeit der Babenberger nachzuweisen ist. Ihr oberösterreichisches Stammschloss Traun befindet sich seit 1120 im Familienbesitz. Von den einst zwölf Apostelgeschlechtern existieren heute neben den Abensperg nur noch die Familien Liechtenstein, Starhemberg und Fürstenberg. 1749 wurde Rappottenstein durch ein schweres Erdbeben stark beschädigt, so dass man sich ernsthaft überlegte, es verfallen zu lassen, da es ja längst keinen militärischen Wert mehr hatte. Glücklicherweise kamen die Eigentümer davon ab und renovierten die Anlage. Nicht mehr gebraucht zu werden, hat auch seine Vorteile. Seit der Zeit, als Georg Matthäus Vischer den alten Wehrbau um 1672 für seine Topographia Archiducatus Austriae Inferioris Modernae gezeichnet hatte, wurde er nicht mehr verändert. Die Burg Rappottenstein sowie der dazugehörige große Gutsbetrieb sind nach wie vor im Besitz der Familie Abensperg-Traun und werden auch von ihr zumindest zeitweise bewohnt und bewirtschaftet.

Die Burg liegt auf einem nach drei Seiten steil abfallenden Granitfelsen. Da der mittelalterliche Wehrbau von Feinden nie erobert oder gar zerstört wurde hat er sein spätmittelalterliches Aussehen recht gut erhalten. Man findet Bauteile aus Romanik, Gotik und Renaissance. Beim Bau hatte man weitgehend Granitquader verwendet, die aus der näheren Umgebung stammen. Der Zugang erfolgt von Süden her durch ein Spitzbogentor aus dem Jahr 1549, das in die Vorburg führt. Es wird von zwei gedrungenen Rundtürmen mit Kegeldächern aus dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts flankiert. Unerwünschte Besucher hätten von dem über dem Tor vorspringenden Gusserker aus erfolgreich bekämpft und vertrieben werden können. Wie üblich war es ursprünglich mit einer Zugbrücke ausgestattet, die einen heute längst aufgeschütteten Graben überquerte. Der anschließende langgestreckte Zwinger wird an seiner Westseite von der mit Schwalbenschwanzzinnen geschmückten Ringmauer und dem alten Brauhaus aus der Mitte des 16. Jahrhunderts begrenzt, während sich an seiner Ostseite auf einem hohen Granitfelsen die mächtige romanische Hauptburg erhebt. Zahlreiche Kragsteine im oberen Wandbereich zeigen an, dass sich früher hier Söller bzw. Wehrgänge befanden. Dieser Zwinger wird heute als erster Hof bezeichnet. Das zweite Tor war bis 1548 das äußere Tor und damals mit Graben, Zugbrücke und Fallgatter versehen. Im dritten Hof lag eine tiefe Zisterne. Sie war bei Belagerungen eine wichtige Lebensader der Verteidiger, da es wegen des Granitbodens keinen Brunnen gab und keine Wasserleitungen in die Burg führten. Der Hof war von Stallungen, Vorratshäuser und dem Gerichtsgebäude begrenzt. Durch weitere Tore und Höfe, bzw. Zwingerabschnitte, die zum Teil von Wirtschaftsgebäuden mit riesigen Holzschindeldächer umgeben sind, gelangt man in den innersten Burghof, der 20 m über dem Eingangstor liegt. Nach den klassischen Regeln des mittelalterlichen Burgenbaues hätte ein Angreifer auf dem langen, zwingerartigen Weg, der sich fast um die ganze Hauptburg windet und stark ansteigt, stets den ungeschützten Schwertarm den Verteidigern zuwenden müssen. Der enge, trapezförmige innerste Burghof ist an der West- und Nordseite von dreigeschossigen Renaissance-Arkaden umgeben. Sie sind mit 1601 bezeichnet und mit einer Sgraffito-Scheinquaderung verziert. Die Fenster des ersten Stocks weisen spätgotische Fensterstöcke mit verstäbten Steingewänden auf. In der Nordwestecke des Hofes liegt die rußgeschwärzte spätgotische Rauchküche und ihr vorgelagert eine ebenfalls spätgotische, kreuzgewölbte, offene Pfeilerhalle aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die der Besatzung als Aufenthaltsort diente.

An der höchsten Stelle des Burgfelsens wird die romanische Kernburg vom nahezu quadratischen, 30 m hohen Bergfried überragt. Er ist im Inneren sechsgeschossig, wobei die untersten zwei Geschoße mit dem Großquadermauerwerk noch aus dem dritten Drittel des 12. Jahrhunderts stammen, während die folgenden Stockwerke bei einem Wiederaufbau um 1367 und die beiden obersten erst im 16./17. Jahrhundert entstanden sind. Den Abschluss bildet ein Pyramidenhelm. Um etwaigen Feinden den Zutritt in den Bergfried möglichst zu erschweren, liegt der Hocheinstieg an der Hofseite 10 Meter über dem Boden. Die 31 m lange Westfront der Hochburg wird vom mehrfach umgebauten Palastrakt gebildet. An ihn angebaut, ragt der keilförmig gegen die Angriffsseite gerichtete, fünfeckige Torbau der Kernburg empor, der mit seinen teilweise mehr als 3 m starken, nahezu fensterlosen Mauern, ebenfalls bergfriedartigen Charakter hat. An die Hochburg schließt ein früher fälschlicherweise „Turnierhof“ genannter ehemaliger Garten auf einer Felsterrasse an. Für ein Turnier wäre er jedenfalls viel zu klein gewesen. Außerdem fanden Turniere nahezu immer außerhalb einer Burg oder größeren Siedlung statt. Auch die Vermutung, dass sich hier der Richtplatz des Landgerichtes befand, wird wohl nicht stimmen. Welcher Burgherr ist schon an baumelnden Leichen vor seinen Fenstern interessiert? Die Brüstungsmauer des Hofes ist mit Schwalbenschwanzzinnen versehen. In seiner Südwestecke steht ein rechteckiger Uhrturm, dessen Zifferblatt nur mit einem Stundenzeiger versehen ist. Vom dritten Hof aus sind die darunter liegenden, zum größten Teil aus dem Fels gehauenen, kasemattenartigen Kellerräume zu erreichen. Sie werden bei Führungen gerne als Verliese bezeichnet, in denen nach der Niederschlagung des Aufstandes von 1596/97 zahlreiche gefangene Bauern auf ihr weiteres Schicksal warten mussten, was zweifellos richtig ist, da damals zum Herrschaftsbereich Rappottenstein bis zu 50 Ortschaften mit zeitweise recht unruhigen Untertanen gehörten. Eine hölzerne Zwischendecke trennte die Gerichtsstube von den darunter liegenden ausgedehnten Gefängnisräumen, die in friedlicheren Zeiten jedoch vermutlich eher für Lagerzwecke verwendet worden sind.

Im heute als „Trinkstube“ bezeichneten ehemaligen Archivraum, sowie im anschließenden Speisesaal finden sich interessante Renaissancefresken (um 1530), die zu den bedeutendsten Beispielen der Profanmalerei des 16. Jahrhunderts in Niederösterreich gehören. Ihr Erhaltungszustand ist aber sehr unterschiedlich. Sie wurden erst in den Jahren 1950 bis 1960 freigelegt und bieten einen interessanten Einblick in die adelige Wohnkultur des 16. Jahrhunderts. Höfisch gekleidete Paare zeigen die damalige Mode. Der trapezförmige Archivraum weist übrigens ein schönes Sternrippengewölbe auf, wobei die Schlusssteine als Hängezapfen ausgebildet sind. Das Brudermordzimmer hat seinen makabren Namen von einer alten Sage, nach der die Brüder Rapoto und Hadmar von Kuenring sich hier im Streit um ein Ritterfräulein gegenseitig töteten und seither am Ort des Geschehens immer wieder herumspuken müssen. Interessanter als diese zweifelhafte Geschichte sind jedoch seine großflächigen spätgotischen Wandmalereien sowie das gotische Schulterbogenportal. Die zweigeschossige Burgkapelle liegt im ersten und zweiten Stock des fünfeckigen Torbaues der Hauptburg. In dem, mit einem Netzrippengewölbe versehenen Sakralraum befindet sich ein kleiner Flügelaltar (um 1450), der die ritterlichen Heiligen Georg und Pankraz zeigt, denen die Kapelle seit 1379 geweiht ist. 1947 wurde bei einer Restaurierung der Kapelle deren alte Altarplatte gefunden, in der sich eine Reliquienkapsel mit dem Siegel des Passauer Bischofs Blasius befand, der die Kapelle damals geweiht hatte. Das bewegliche Inventar der Burg ist während ihrer Vernachlässigung im 18. Jahrhundert verloren gegangen. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in vorauseilendem Gehorsam eine Kassettendecke sowie einige Türen aus der Renaissancezeit in die Laxenburger Franzensburg gebracht, die Kaiser Franz I mittelalterlich ausstatten wollte. Die Räume des zweiten Obergeschosses sind weitgehend leer und können daher für Seminare und andere Veranstaltungen genutzt werden. Ähnlich war die Situation beim riesigen Speicherbau, der zum Konzertsaal umgebaut wurde.

Lage: Rappottenstein 85, 3911 Rappottenstein (ca. 3 km südlich der Marktgemeinde Rappottenstein)

Ort/Adresse: 3911 Rappottenstein

Besichtigung: stündliche Führungen (ca. 50 Min) von April bis Oktober außer Montag

Sonstiges: Im Sommer finden am Burggelände bzw. in der Burg selbst musikalische Veranstaltungen statt. Weiters werden hier verschiedene Seminare (z. B. Bau alter Musikinstrumente) abgehalten. Einige Räume (Speisesaal, Kapelle usw.) können für private Zwecke gemietet werden.

Homepage: www.klangburg.at bzw. www.burg-rappottenstein.at


Weitere Literatur:


10.12.2019