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Zellhof (Mühlviertel)


Das Gebiet um Bad Zell tritt im Jahr 853 erstmals in den Blickpunkt der Geschichte, als es der Grenzgraf Wilhelm dem Kloster St. Emmeran in Regensburg schenkte. Damit wurde ein wichtiger Beitrag zur Kolonisierung des Unteren Mühlviertels geleistet. Das heutige Bad Zell wurde 1208 mit Heinricus de Celle erstmals urkundlich erwähnt. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts existierte bereits in nächster Nähe zur Siedlung ein Bauernhof, der sich mit der Zeit zu einem respektablen Adelssitz entwickeln sollte. Er gehörte anfangs den Zellhofer, einer Ministerialenfamilie der Capeller. Während 1303 noch Ott von dem Stain als Besitzer aufscheint, nannten sich seine Nachfolger bald nur mehr nach dem kleinen Ansitz Zellhofer. Nach Peter Zellhofer scheinen Mitglieder der Familie ab 1355 urkundlich nicht mehr auf. Es folgt ein häufiger Besitzerwechsel, während dem sich der Bauernhof bis 1385 zu einem repräsentativeren Ansitz wandelte. Damals wird er im Regensburger Lehensbuch erstmals urkundlich erwähnt. Im 16. Jahrhundert war er im Besitz von Christoph und Erasmus von Greisenegg. Über Erasmus Tochter Agnes ging der Adelssitz 1579 an Balthasar Neundlinger bzw. danach an die Ritterfamilie Kienast über. Nach 1586 gelangte der zum Edelsitz gewandelte Zellhof durch Heirat an Christoph Artstetter von Wartberg. Der entscheidende Ausbau zum Schloss erfolgte aber erst unter der Familie Jörger von Tollet, nachdem Hilleprant III Jörger, der bereits die benachbarte Burg Prandegg besaß, 1607 auch die Herrschaft Zellhof von Wolf Heinrich Artstetter von Wartberg erworben hatte. Sein Sohn Ferdinand ließ in den Jahren von 1618 bis 1622 den Haupttrakt des Schlosses Zellhof mit einer repräsentativen Freitreppe errichten und das Innere prächtig ausstatten. Es entstand ein stattliches Renaissanceschloss. Er und seine Nachkommen bevorzugten immer mehr den Zellhof als Zweitwohnsitz, da die Burg Prandegg doch etwas entlegen und unwirtlich war. Schließlich wurde auch der Herrschaftssitz und das Landgericht Prandegg nach Zellhof verlegt.

Die Familie Jörger zählte zu den militantesten Anhängern des Protestantismus in Oberösterreich, was zur Zeit der Gegenreformation dazu führte, dass sie die meisten ihrer Besitzungen verlor und viele ihrer Mitglieder das Land verlassen mussten. So musste auch Freiherr Hans Maximilian Jörger 1631 seine Herrschaften Zellhof und Prandegg an Gotthard von Scherfenberg verkaufen. Zellhof hatte mittlerweile Prandegg als Verwaltungssitz abgelöst, was den langfristigen Verfall von Prandegg zur Folge hatte. Nach Gotthards Tod heiratete seine Witwe Hans Reichard von Starhemberg. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gelangte Zellhof durch Erbschaft in den Besitz von Graf Franz Ferdinand von Salburg, der das Schloss 1742 durch den Linzer Baumeister Johann Matthias Krinner barockisieren und vergrößern ließ. Er errichtete den Schlossturm und verband die ursprünglich frei stehende Kapelle im Südtrakt durch einen langen Gang, der auch als Galerie bezeichnet wurde, mit dem Nordtrakt des Schlosses. Damals hatte die Herrschaft/Zell Prandegg mit 678 Untertanen ihre größte Ausdehnung erreicht. Wie man einigen alten Inventaren entnehmen kann, waren die für die Herrschaft bestimmten Räume sehr großzügig und komfortabel eingerichtet. Den Umbauten fiel aber auch die außerhalb des Schlossareals gestandene gotische Jakobskirche zum Opfer. Zur Zeit der Salburger fand in ihrer Herrschaft 1729/31 einer der letzten großen Hexenprozesse des Landes statt. Er endete mit der Hinrichtung einer kompletten Familie.

Als 1806 die Salaberger Linie der Grafen Salburg ausstarb, gelangte die Herrschaft Zell/Prandegg an die Grafen Dietrichstein, die sie aber bereits 1817 an den in den Franzosenkriegen reich gewordenen Kriegsgewinnler Michael Fink verkauften. Der neue Eigentümer musste sie wegen riesiger Schulden aber schon 1823 an die Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha abtreten. Wie bei vielen anderen Objekten in Österreich, war die Aufhebung der Grundherrschaften 1848 auch für Zellhof der Anfang vom Ende seiner herrschaftlichen Existenz. Die Sachsen-Coburger verlegten den Verwaltungssitz auf die Greinburg, wodurch Zellhof seine Bedeutung verlor, langsam in Verfall geriet und teilweise abgerissen wurde. Es wurde nur mehr vom Pfleger und einigen Jägern bewohnt. Einzelne Ansichtskarten aus der Zeit um 1900 zeigen aber immer noch ein respektables Schloss. Das Verhältnis zwischen den einstigen Untertanen und der Herrschaft dürfte zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch sehr belastet gewesen sein, da die Gemeinde kein Interesse an einer Restaurierung hatte. 1917 entledigte man sich des hölzernen Turmes und des repräsentativen Hauptgebäudes. Die Kupferdächer lieferten wertvolles Material für die Kriegswirtschaft. Im Zweiten Weltkrieg gelangte das bereits devastierte Schloss durch Kauf an die Marktgemeinde Bad Zell. Das Innere der verbliebenen Bauten wurde in Mietwohnungen aufgeteilt. Schließlich schenkte man die Halbruine den bisherigen Mietern, die ebenso wie die späteren Wohnungseigentümer bzw. Miteigentümer der Gesamtanlage den weiteren Verfall nicht stoppen konnten. Bei einem Vergleich von Fotos des Schlosses aus der heutigen Zeit und dem Jahr 1900 überkommt einem Burgenliebhaber das kalte Grauen. Es zeigt aber die Ignoranz der Verantwortlichen für den Verfall eines Kulturobjektes.

Die noch vorhandenen Bauten stammen weitgehend aus den Jahren von 1618 bis 1623 sowie aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Mittelalter gab es einen Vorgängerbau, wie man dies den mittelalterlichen Bauresten im Keller entnehmen kann. Außer einigen Spolien hat sich aber kein aufgehendes Mauerwerk erhalten. Das Schloss ist heute eine unregelmäßige, durch Teilabbrüche des Nord- und Osttraktes mit seinen Stallungen nicht völlig geschlossene vierseitige Anlage. Der Kartograph Georg Matthäus Vischer zeichnete um 1670 ein großes vielteiliges Schlossgebäude. Von diesem existieren heute nur mehr einige Bauteile, wie der dreigeschossige rechteckige Baublock des Wohngebäudes aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sowie der geräumige Wirtschaftshof (30 x 26 m²). Die an der Westseite befindliche Toranlage besteht aus dem rundbogigem Einfahrtstor und einem Fußgängertürl. Am besten erhalten und zum Teil auch noch bewohnt ist der modernisierte Nordwesttrakt. Er war einst dreigeschossig, hat jedoch im Laufe der Zeit ein Stockwerk verloren. Seine Innenräume zeigen meist Kreuzgrat- aber auch Tonnengewölbe des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Kellerräume sind zum Teil noch mittelalterlich. Der Südflügel ist ein lang gestreckter zweigeschossiger Bau unter einem Walmdach. Er ist der älteste Teil der gesamten Anlage und diente ursprünglich vorwiegend Wirtschaftszwecken. Erst als die Grafen Salburg zu Beginn des 18. Jahrhunderts außerhalb des Schlosses einen Meierhof errichteten, wurden hier durch den Ausbau des Südtraktes vermehrt Wohnmöglichkeiten für die zahlreiche Dienerschaft geschaffen. Ein großer Raum im Erdgeschoß weist eine Mittelsäule sowie ein Kreuzgratgewölbe auf. Die Fenster der Räume sind nach Süden gerichtet. An der Hofseite verlief ein durchgehender schmaler Gang, der später teilweise abgemauert wurde. Die Fenster- und Türgewände bestehen aus Granit. Einige barocke Fensterkörbe und Steckgitter haben sich erhalten, ebenso einige barocke Feldertüren mit Beschlägen aus dem 18. Jahrhundert im Obergeschoß. Die Jakobskapelle vor dem Schloss wurde bereits im 18. Jahrhundert abgebrochen. Als Ersatz errichtete man am Ende des Südtraktes eine barocke Kapelle. Sie war im Inneren achteckig und hatte einen kurzen Rechteckchor, an den eine winzige Sakristei angebaut war. Heute ist die einstige Kapelle eine verlotterte Rumpelkammer. Hofseitig ist sie durch die Reste der Pilastergliederung des Portals und dessen Dreiecksgiebel als ehemaliger Sakralraum zu erkennen. Die Fassade dürfte einst nach dem Vorbild italienischer Renaissancekirchen mit einem roten Verputz versehen gewesen sein, doch ist dieser bereits weitgehend abgefallen. Zwischen ihr und dem anschließenden Südtrakt ermöglicht ein schmales spätgotisches Kielbogenportal aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts den Zugang in den einstigen Garten. Der östliche Flügel mit seinem barocken Dachreiter und der nördliche Flügel mit der vorgelagerten Freitreppe wurden im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts abgetragen. Bei dem etwas höher gelegenen Gasthaus handelt es sich um die ehemalige Hoftaverne.

Ort/Adresse: 4283 Bad Zell

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


06.11.2019