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Liechtenstein - Burg


Bereits im 11. Jahrhundert befand sich eine Vorgängerin der heutigen Burg am Großen Rauchkogel, etwa 600 m nordwestlich und 20 m höher als die spätere Steinburg. Es handelte sich dabei um einen, von Wall und Graben umschlossenen Erdhügel mit einer kleinen Holzburg darauf. Von dieser hat sich wegen des fragilen Baumaterials nahezu nichts erhalten. Nach 1100 wurde sie von den Herren von Engilschalchesdorf, wie Maria Enzersdorf damals genannt wurde, vergrößert. Zwischen 1135 und 1140 ließ ein Gefolgsmann der Herren von Schwarzenburg-Nöstach, namens Hugo von Petronell die heutige Burg errichten. Die damalige Anlage bestand aber lediglich aus einem steinernen Wohnturm mit anschließender Kapelle. Hugo nannte sich nach dem hellen Baumaterial auch Hugo von Liechtenstein. Er war der Ahnherr der heutigen Fürsten von Liechtenstein. Diese werden in Österreich gerne als ausländische Adelige angesehen. Tatsächlich sind sie ein uraltes österreichisches Adelsgeschlecht. Sie zählen zu den sog. Apostelgeschlechtern, da sie schon zur Zeit der Babenberger aktiv waren. Ihre Stammburg und ihre reichen Besitzungen lagen bis nach dem Ersten Weltkrieg vorwiegend auf österreichischen Boden. Vaduz wurde erst 1939 ihr Wohnsitz, als es aus politischen und wirtschaftlichen Gründen opportun war, die Nähe zur neutralen Schweiz zu suchen. Die Burg Liechtenstein war in ihrer Frühzeit Teil eines Festungsgürtels, der am Ostrand des Wienerwaldes verlief und Angriffe aus dem Osten abwehren sollte. Eine weitere Aufgabe der Burg war es, die Straße von Wien über Heiligenkreuz ins Triestingtal zu überwachen. Die erste urkundliche Erwähnung der Burg stammt aber erst aus dem Jahr 1330, als ein „haus ze Liechtenstain“ erwähnt wird. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Liechtensteiner ihre Burg gar nicht mehr besessen haben. Nachdem Heinrich von Liechtenstein 1249 vom Böhmenkönig Ottokar II die Herrschaft Nikolsburg als Lehen erhalten hatte verlagerten sich die Interessen seiner Familie mehr und mehr nach Südmähren und ihre Stammburg in Niederösterreich verlor an Bedeutung. Ob die Liechtensteiner die Burg an den Landesfürsten verloren oder verkauft haben ist unbekannt. 1330 wird jedenfalls nur mehr ein Burggraf aber nicht der Burgherr erwähnt. Um 1350 sind die Herren von Wallsee und 1367 Ulrich der Pair im Besitz von Liechtenstein. Auf letzteren folgten durch Heirat die Herren von Stadeck. 1384 verpfändeten sie die Herrschaft an die Grafen Hermann und Wilhelm von Cilli. Im Lauf des 14. Jahrhunderts wurde die Burg auf ihre heutige Länge ausgebaut. 1438 hatte Margarete von Ludmannsdorf die Burg käuflich erworben. 1456 wurde die Herrschaft als „erledigtes Lehen“ unter Herzog Albrecht IV wieder landesfürstlich. Der Söldnerführer Jan Holuberzi besetzte im Auftrag des Landesfürsten die Burg, wo er die Witwe des ehemaligen Pflegers heiratete und die Pflegschaft übernahm. Um 1480 wurde Liechtenstein durch die Truppen des ungarischen Königs Matthias Corvinus verwüstet. 1494 verkaufte König Maximilian I die Herrschaft den Brüdern Sigmund und Heinrich Prüschenk, übergab sie aber sechs Jahre später als Lehen an seinen ehemaligen Innsbrucker Zeugmeister Bartholomäus Freisleben.

Erstmals schwer beschädigt wurde die Burg 1529 durch osmanische Streifscharen, wobei Christoph Freisleben in türkische Gefangenschaft geriet. Georg Freisleben erhielt 1533 das Lehen erneuert, unter der Bedingung die Burg wieder aufzubauen, was er auch tat. Der nächste Besitzer, Andreas Pögl Freiherr von Reiffenstein, verband Liechtenstein mit seiner Herrschaft Mödling. Seit damals blieben beide Güter in einer Hand vereinigt. Die älteste Abbildung der Burg Liechtenstein stammt aus dem Jahr 1569 und zeigt noch die Wehrhaftigkeit der Feste. 1584 war Freiherr Wilhelm I von Hofkirchen in ihrem Besitz. 1592 übertrug der damalige Pfandinhaber Hans Khevenhüller Freiherr von Aichelberg die Verwaltung seiner Güter an Georg Wiesing, der am Fuße des Burgberges einen Edelhof errichtete, den Vorläufer des späteren Schlosses. Die Burg selbst dürfte damals bereits weitgehend unbewohnbar gewesen sein. Zu neuerlichen Beschädigungen kam es 1607 beim Einfall des Siebenbürger Wojwoden Stefan Bocskay. Augustin von Khevenhüller konnte die Burg wieder in Besitz nehmen und Bocskay hier gefangen halten. Halbherzige Renovierungen konnten den weiteren Verfall nicht stoppen. 1613 erhielten die Khevenhüller die bisherige Pfandherrschaft als freies Eigen. Dies kostete dem bisherigen Pfandinhaber Bartholomäus I Khevenhüller die beträchtliche Summe von 74.725 Gulden. Da in Herrschaften, die als Pfand gehalten wurden, meist nicht viel investiert wurde, da diese ja vom Pfandgeber – in diesem Fall von Kaiser Ferdinand II - gegen die Rückzahlung der Pfandsumme jederzeit entschädigungslos zurückgefordert werden konnten, war die Burg zum damaligen Zeitpunkt nicht besonders wohnlich und verteidigungsbereit. Die Khevenhüller mussten nach dem Ankauf größere Summen für den Ausbau einsetzen. Bartholomäus Sohn Franz Christof I Graf Khevenhüller war als Protestant erzogen worden, doch hätte ihm dies in der Gegenreformation vermutlich seinen Besitz und seine Karriere als Oberster Silberkämmerer, Kammerherr und Geheimer Rat unter Kaiser Ferdinand II gekostet. Er konvertierte jedoch 1609 zum Katholizismus. Obwohl die Burg noch teilweise ruinös war, wurde sie 1663 angesichts der drohenden Türkengefahr als „wehrhafter Zufluchtsort“ für die Zivilbevölkerung angeführt.

Der Vischer-Stich von 1672 zeigt noch einen offenbar weitgehend intakten Bau. 1683 wurde Liechtenstein durch die Türken endgültig zerstört und blieb Ruine. Die gotische Vorburg und die Hochburg wurden als „Ödes Gemäuer“ bezeichnet. Schließlich ging die durch den Türkeneinfall ausgeblutete Herrschaft 1686 durch einen Zwangsverkauf an Hans Ludwig Mittermayer von Waffenberg. Im späten 18. Jahrhundert ließ Josef Freiherr von Penkler erste Sicherungsmaßnahmen durchführen. 1798 übernahm Fürst Stanislaus Poniatowski, ein Neffe des letzten polnischen Königs, Burg und Herrschaft. 1808 kaufte Feldmarschall Fürst Johann I von und zu Liechtenstein, der sich in den Franzosenkriegen als Stratege auszeichnete, den Stammsitz seiner Vorfahren zurück. Die von ihm in die Wege geleiteten Bauarbeiten fanden im Stil der Neoromanik statt. Außerdem ließ er die Vorburg abreißen und gegenüber der Burg 1820/21 das Neue Schloss, das heute als Seniorenresidenz dient, errichten. Er begnügte sich nicht damit, einen neuen Wohnsitz für Sommeraufenthalte zu schaffen, sondern veränderte auch mit der Anlage eines romantischen Landschaftsparks, der von Maria Enzersdorf bis Sparbach reichte, die gesamte Umgebung. Zahlreiche künstliche Ruinen haben sich bis heute erhalten. Die Restaurierungsarbeiten in der Burg selbst, die gelegentlich Neubauten gleichkamen, wurden vorerst dem Architekten Joseph Hardtmuth übertragen, der auch als Erfinder des Bleistiftes bekannt ist. Es entstanden u. a. ein Burgverlies und ein großer Saal, der unvermeidliche „Rittersaal“. Die Burg erhielt auch einen neuen Eingang. Das jetzige, vom Historismus bestimmte Aussehen der Burg wurde aber erst um 1890 unter Fürst Johann II durch den Architekten Carl Gangolf Kayser und nach dessen Ableben durch Humbert Walcher Ritter von Moltheim geschaffen. Man versuchte zwar mit umfangreichen Bauarbeiten der Burg wieder ihr mittelalterliches Aussehen zu geben, doch veränderte man die Raumanordnung und die Geschoßhöhen.

Der Bergfried wurde ab dem zweiten Stock völlig neu gestaltet und im Stil des Historismus ausgebaut. Der ursprüngliche Turm war deutlich niedriger. Neben ihm legte man ein modernes Treppenhaus an. Die alte Pankratiuskapelle wurde lediglich instand gesetzt. Ab 1899 war Egon Rheinberger für den Innenausbau zuständig. 1903 waren die Arbeiten beendet. Seit damals werden öffentliche Führungen durch die Burg angeboten. Trotz der umfangreichen Investitionen war die Burg Liechtenstein – ähnlich wie Kreuzenstein, das von den gleichen Architekten wiederbelebt wurde – nicht mehr für Wohnzwecke vorgesehen, sondern als bauliche Dokumentation des Mittelalters und zur Aufnahme von Teilen der entsprechenden kulturhistorischen Sammlungen des Bauherrn bestimmt. Nach der Invasion Hitler-Deutschlands in Österreich wurde die Familie Liechtenstein 1938 in Österreich enteignet. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erhielt sie die davon betroffenen Besitzungen wieder zurück. 1939 zog Fürst Franz Josef II in das Schloss Vaduz. Dieses blieb bis heute Wohnsitz des Landesherrn. 1945 lag die Burg Liechtenstein in der Hauptkampflinie zwischen den vorrückenden russischen Truppen und den sich zurückziehenden deutschen Verbänden. Dabei wurde sie schwer beschädigt. Die ertragsstarken Besitzungen im östlichen Mitteleuropa wie Feldsberg und Eisgrub waren nach dem Zweiten Weltkrieg durch entschädigungslose Verstaatlichungen endgültig (zumindest bisher) verloren gegangen. Größere Verluste des Inventars gab es durch Plünderungen in der Nachkriegszeit. Schwere Verluste erlitt auch das Burgarchiv. Danach wurde die Burg der österreichischen Pfadfinder-Organisation übergeben, die sich um die notwendigsten Restaurierungen kümmerte und in ihr ein Jugendzentrum einrichtete. 1975 wurde die Anlage an die Marktgemeinde Maria Enzersdorf verpachtet. Im Sommer fanden jeweils im unteren Burghof Nestroy-Festspiele unter der Leitung von Elfriede Ott statt. Eigentümer der Burg ist nach wie vor das Fürstenhaus Liechtenstein.

Die Burg liegt am Auslauf des Kalenderberg-Nordhanges. Trotz ihrer Talnähe ist sie eine Gipfelburg auf einem schmalen Felsrücken. Aus der Zeit um 1165, also der Romanik, stammen nur mehr die Burgkapelle im Osten und ein anschließender, rechteckiger Wohnturmbau, der aber heute verbaut und von außen nicht mehr erkennbar ist. Im Süden grenzt an die Hochburg ein weitläufiger, nahezu rechteckiger, ummauerter Burghof, der mit hölzernen Nebengebäuden bebaut war, die aber längst verschwunden sind. An seiner Südostecke springt ein großes Rondell aus dem 16. Jahrhundert vor. Die äußere Ringmauer war an ihrer Innenseite mit einem teilweise vorkragenden Wehrgang ausgestattet. Obwohl sie im Lauf der Burggeschichte mehrfach verstärkt bzw. doubliert wurde, war sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend verfallen. Sie wurde damals erneuert und mit Zinnen und Schlitzscharten ausgestattet. Die Kernburg hat an der westlichen und der östlichen Schmalseite je ein großes Tor. Hauptzugang ist heute das hochgelegene Portal im Osten. Es wurde um 1900 rekonstruiert. Neben ihm und der Kapelle erhebt sich ein hoher quadratischer Torturm, dessen steinerner Pyramidenhelm von einem Kreuz gekrönt wird. An seinem ehemaligen Hocheinstieg hat sich ein eisenbeschlagener Torflügel aus dem Mittelalter erhalten. Die Pankratius-Kapelle zählt zu den ältesten Burgkapellen Österreichs. Sie stammt aus der Zeit zwischen 1170 und 1180. In ihr finden auch heute noch Gottesdienste statt. Ihr Inneres ist ein gedrungener rechteckiger Raum, der mit einem romanischen Kreuzrippengewölbe gedeckt ist. Im Osten schließt eine Halbkreis-Apside den Bau ab, die um eine Stufe höher als das Langhaus liegt. Sie ist für den Besucher von außen nicht sichtbar, da sie vom benachbarten Turm überbaut ist. Die Außenwände der Kapelle sind durch Lisenen mit Würfelkapitellen gegliedert. Zur Ausstattung des schlichten Sakralbaues gehört ein steinerner Altar. An der Westwand ist ein aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammendes Kalksteinrelief zu sehen, das im Stil der Venezianischen Gotik gehalten ist und den Schmerzensmann darstellt. An diesen alten Baukern des 12. Jahrhunderts wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entlang des nach Westen gerichteten Felsrückens ein Erweiterungsbau angeschlossen. Vorbild für diesen Bau waren die damals aktuellen Stauferburgen, wie vor allem die Kaiserburg in Nürnberg. Im Untergeschoß des ehemaligen Wohnturmes befindet sich die zweigeschossige Zisterne aus dem 12. Jahrhundert. Ihr romanisches Mauerwerk ist zum größten Teil original erhalten.

Die Burg ist über 50 m lang, aber nur 12 bis 15 m breit. Westlichster Punkt der Anlage ist der mächtige Bergfried, auch Heinrichsturm genannt, der ursprünglich weitgehend frei stand. Der rechteckige Turm ist fünfgeschossig. Allerdings zeigen lediglich die untersten beiden Geschosse romanisches Quadermauerwerk aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Sie werden nur durch schmale Schlitzfenster im Inneren beleuchtet. Die neoromanischen Doppelfenster der höheren Stockwerke weisen darauf hin, dass dieser Bereich, wie der Großteil der Burg im Laufe ihrer Geschichte mehrfach Ruine war und erst um 1900 wieder aufgebaut wurde. Vor allem der oberste Stock unter seinem Keildach ist ein völliges Fantasieprodukt des Architekten oder des Auftraggebers. Der Turm hatte, wie üblich, einen Hocheinstieg, aber auch einen noch erhaltenen Fluchtweg, der über einen Anbau und den anschließenden Felshang aus dem Burgbereich hinaus führte. Im Inneren sind vereinzelt Sammlerstücke aus mehreren Jahrhunderten angebracht, so z. B. norditalienische Löwenfiguren aus dem 13. Jahrhundert. Eher ungewöhnlich für einen Bergfried, der ja nur in Notsituationen bewohnt wurde, sind die steinernen Kamine, die sich in fast allen Stockwerken finden. Außerdem hat sich hier der einzige romanische Aborterker Österreichs erhalten. Zwischen der Pankratiuskapelle und dem Bergfried im Westen liegt der Palas. Bedingt durch die schmale Felsrippe mussten die Räume hintereinander angeordnet werden. Das Untergeschoß ist teilweise in den Fels geschlagen. An der Nordseite dürfte sich ein schmaler Hof mit einem Wehrgang entlang gezogen haben, der aber bei der Rekonstruktion des 19. Jahrhunderts verbaut und unterteilt wurde. Die Räume bzw. deren Bezeichnung als Knappensaal, Rittersaal, Burgverlies usw. sind nicht original, sondern entstammen dem romantischen Geist des 19. Jahrhunderts. Die repräsentative dreiläufige Herrenstiege ist leider ebenfalls nicht echt romanisch sondern ein Werk der Neoromanik aus den Jahren zwischen 1883 und 1903. An den verschieden gefärbten Mauerteilen kann man noch heute den Umfang der Neubauten erkennen. Romanisches Quaderwerk gibt es meist nur mehr bis zum ersten Geschoß. Der Rundaltan sowie die rundbogigen Doppelfenster sind gutgemachte Zutaten des 19. Jahrhunderts, doch wurden gelegentlich ältere Architekturteile, wie Marmorkapitelle aus dem 13. Jahrhundert eingebaut. Die Befestigungsanlage am Fuß des Burgfelsens mit dem Torhaus und dem unteren Burghof wurde im 15. Jahrhundert errichtet. Typisch für Liechtenstein sind die vielen Reliefplatten, Kapitelle und Konsolen, die sich überall an den Außenwänden, aber auch im Inneren finden. Sie gehören meist aber nicht zum Altbestand sondern stammen aus der Sammlung der Familie Liechtenstein. Es handelt sich zum Teil um wertvolle romanische und gotische Originale. Viele Stücke sind jedoch geschickt gemachte Kopien des 19. Jahrhunderts. Bei der großen sitzenden Madonna in einem der Wohnräume ist dies jedenfalls nicht der Fall. Ihre erstklassige Qualität lässt ein Werk des 14. Jahrhunderts vermuten. Sie kommt aus der Kunstsammlung des Fürstenhauses, stammt aber vermutlich aus der Toskana.

Ort/Adresse: 2344 Maria Enzersdorf, Am Hausberg 2

Besichtigung: von März bis Ende Oktober finden täglich außer Montag ab 10.00 stündlich Führungen durch die Burg statt

Homepage: www.burgliechtenstein.eu


Weitere Literatur:


19.08.2019