ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Reinthal


Schloss Reinthal zählt zu jenen Adelssitzen, die im 16. Jahrhundert in und um die damalige Residenzstadt Graz entstanden sind. Der Name erinnert an das Zisterzienserstift Rein, das in der Umgebung reich begütert war. Der Ansitz liegt auf einem kleinen Hügel knapp außerhalb der südöstlichen Stadtgrenze, bereits auf dem Gebiet der Gemeinde Hart. Der größte Teil der heutigen Bausubstanz stammt vom Anfang des 19. Jahrhunderts, doch geht das Schloss auf einen Bauernhof zurück, der dem Stift Rein im 16. Jahrhundert als Wirtschaftshof diente. Um 1590 erwarb Christof Peihel das Gut. Acht Jahre später befand es sich im Besitz von Frau Elisabeth Allapin, die mit Wolf von Prankh verheiratet war, der sie schließlich beerbte. Prankh war Protestant und musste 1629 im Zuge der Gegenreformation die Steiermark verlassen. Zuvor verkaufte er aber noch den mittlerweile zum Edelmannsitz ausgebauten Gutshof an Hans Neumayr. Damit begann ein rascher Wechsel der Schlossherren, der bis ins 19. Jahrhundert anhielt und zu zahlreichen Um- und Ausbauten führte. Um 1668 erwarb Otto Ernst Freiherr von Teufenbach das kleine Schloss. Er konnte aber den Kaufpreis nicht bezahlen, so dass er 1672 gepfändet wurde. Fünf Jahre später gelangte Reinthal an Helena Gräfin Lengheim. Sie ließ im Schloss eine Kapelle einrichten, deren Messlizenz aber erst ab 1737 bezeugt ist. Aus finanziellen Gründen musste sie das Gut 1721 an Wenzel Josef Jändickh Edlen von Rotenfels verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt war das Schloss bereits baufällig und das Gut schwer verschuldet. Der nächste Schlossbesitzer war Wilhelm Niklas von Freidenegg. Von seiner Gattin Franziska hat sich ein handgeschriebenes Kochbuch erhalten, das zahlreiche Gerichte enthält, die durchaus schmackhaft sind, wegen ihrer zahlreichen Zutaten und der oft komplizierten Zubereitung aber heute kaum nachgekocht werden. Nach dem Tod ihres Gatten verkaufte sie Reinthal 1776 an Franz von Rottenberg. Die weiteren, meist bürgerlichen Besitzer wechselten recht häufig, was vermuten lässt, das eine wirtschaftlich positive Führung des Gutes nicht leicht möglich war. Prominentester Schlossherr des 19. Jahrhunderts war Feldzeugmeister Ludwig August Ritter von Benedek, der 1866 die österreichische Armee im Krieg gegen Preußen befehligte. Nach dem für ihn und Österreich unglücklichen Ausgang der Schlacht von Königgrätz, zog er sich nach Reinthal zurück, wo er weitgehend seinen Lebensabend verbrachte. Ab 1967 befand sich das Schloss im Besitz der Stadt Graz. Eine Zeitlang diente es als Erholungsheim sowie als Kulisse für sommerliche Theateraufführungen. 2007 wollte eine steirische Ärztin das Schloss erwerben und hier ein Reit- und Therapiezentrum einrichten, scheiterte jedoch an der Finanzierung sowie an der Widmung des Grundstückes. Es kam zu einem langwierigen Rechtstreit, der heute (2019) noch nicht beendet ist. Erforderliche Renovierungen oder ein Verkauf können daher nicht in Angriff genommen werden. Der Leidtragende ist das Schloss, dessen weiteres Schicksal derzeit nicht abzusehen ist.

Das Schloss war einst von 12 Teichen umgeben, die aber heute längst nicht mehr vorhanden sind. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte man noch Spuren einstiger einfacher Wehranlagen im Gelände erkennen. Wie diese sind auch die letzten Reste des einstigen Edelsitzes aus dem 16. Jahrhundert praktisch verschwunden. Reinthal zeigt sich heute als bescheidene barocke bzw. neobarocke Vierflügelanlage um einen quadratischen Innenhof. Der unterkellerte Südtrakt ist ihr ältester Bauteil. Darauf weisen die schweren Stichkappentonnengewölbe im Erdgeschoß hin. Der dreigeschossige Mittelteil des Westtraktes ist wohl nicht wesentlich jünger. Die heute vermauerten Erdgeschoßluken an seiner Schmalseite sowie der Fries aus übereck gestellten Ziegeln unter der Traufe gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Eine Bauinschrift samt Wappenstein neben dem Portal an der Gartenseite berichtet, dass das Gebäude 1545 von Bartholomäus Rues als Renaissancebau errichtet wurde. Er hatte das wichtige Amt eines Schrannenadvokates inne und gilt soweit man dies sagen kann, als Erbauer des Schlosses. Der dreiachsige Baukörper stand ursprünglich frei, wurde aber im 18. Jahrhundert auf seine heutige Breite ausgebaut. Damals wurde an seiner Hofseite ein zweigeschossiger Anbau mit fünf Pfeilerarkaden im Erdgeschoß hinzugefügt. Die drei korbbogigen Arkaden im Obergeschoß sind heute verglast. Gleichzeitig wurde der vorher nur dreiflügelige Hof an der Ostseite durch den eingeschossigen Einfahrtstrakt geschlossen. Die hofseitigen Kapitelle der Pilaster des übergiebelten Rustikaportals sind denen des Westtraktes angeglichen. Auf einem Stich von Georg Matthäus Vischer ist ein runder Turm an der Südostecke zu sehen, der heute nicht mehr existiert. Die Pfeilerarkaden des Südtraktes wurden wohl aus klimatischen Gründen zugemauert. Die umfangreichen Um- und Neubauten wurden erst im 19. Jahrhundert durch den zweigeschossigen Nordtrakt mit seinem massigen quadratischen Eckturm beendet. In seinem Obergeschoß wurde eine kleine Kapelle eingerichtet. Der bescheidene Ziergiebel mit seiner Uhr und das Stiegenhaus des Westtraktes sind Zutaten aus der Zeit des Biedermeiers. Um das abfallende Gelände an der Südseite optisch zu entschärfen wurden im 19. Jahrhundert eine Gartentreppe und eine Steinbalustrade angebaut. Im obersten Stock des Westtraktes haben sich zwei Tramdecken sowie intarsierte Türrahmen aus der Zeit um 1600 sowie ein schöner Kachelofen aus dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts erhalten. Einige Secco-Malereien vom Ende des 18. bzw. Beginn des 19. Jahrhunderts wurden bei Restaurierungsarbeiten freigelegt.

Lage: auf einer großen Wiese nahe dem südöstlichen Stadtrand von Graz, aber bereits auf dem Gebiet der Gemeinde Hart bei Graz

Besichtigung: derzeit nur von außen möglich


Weitere Literatur:


04.08.2019