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Enzersdorf im Thale


Die ältere Geschichte der Herrschaft Enzersdorf im Thale ist nicht sehr gut dokumentiert, da bei den Wiener Türkenbelagerungen von 1529 und 1683 türkische Streifscharen auch Enzersdorf im Thale in Mitleidenschaft gezogen haben. Ein großer Teil der vorhandenen Urkunden wurde dabei vernichtet. Der Rest ging bei einem Großbrand 1569 verloren. Die Flurnamen „Hausberg“ und „Burgstall“ in der Umgebung deuten zwar auf ehemalige Wehranlagen hin, doch gibt es keine urkundlichen Hinweise über etwaige Bauten. Manche Lokalhistoriker vermuten bereits in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts einen hölzernen Wehrbau, doch gibt es von diesem naturgemäß keine Spuren. Die Wurzeln des späteren Schlosses bzw. seines Vorgängergebäudes liegen wohl erst im 13. Jahrhundert. Ein Ort Enzersdorf im Langenthal bzw. „Enczestorf in longa valle“ wird 1271 erstmals urkundlich erwähnt, eine Burg erst 1327. In Niederösterreich gab es im 13. Jahrhundert zwei ritterliche Familien, die sich nach Enzersdorf nannten - die Enzersdorfer an der Fischa und die Enzersdorfer im Langenthal. Sie dürften miteinander verwandt gewesen sein. Die spärlichen Informationen machen eine geographische Zuordnung nicht leicht, da man sich anfangs nur mit dem Ortsnamen begnügte und die Lage der Siedlung nicht angab. Der erste bekannte Herr von Enzersdorf im Thale könnte Meinhardus de Imzinstorf gewesen sein, der bereits zwischen 1207 und 1222 als Ministeriale des Landesfürsten auftrat. Es folgten 1261 Dietrich Ritter von Encinsdorff und 1304 Philipp von Encensdorf. Wie man sieht, war die Schreibweise von Enzersdorf damals recht willkürlich. Eine genaue Zuteilung der Personen ist meist nur dadurch möglich, dass man eruiert, ob die Zeugen der betreffenden Urkunden ihren Sitz in der Nähe von Enzersdorf im Langenthal oder zumindest im mittleren Weinviertel hatten.

Die Herren von Enzersdorf saßen hier vom 13. Jahrhundert bis zu ihrem Aussterben 1598. Sie dürften bereits im 14. Jahrhundert eine regional bedeutende Familie gewesen sein. So wurde 1350 Friedrich von Enzersdorf als Kämmerer von Herzog Albrecht II bezeichnet, was heute etwa einem Finanzminister oder Finanzchef entsprechen würde. Der Sitz in Enzersdorf im Langenthal wurde damals „Bardenfeste“ genannt. Dies deutet bereits auf eine gediegenere Hofhaltung mit Minnesänger und Turnieren als Zeitvertreib hin. 1327 wird die Herrschaft als landesfürstliches Lehen bezeichnet. 1373 belehnte Herzog Albrecht III die Brüder Stephan, Hans, Heinrich und Görg von Enzersdorf mit der Burg und einer Anzahl weiterer Güter. Von den vier Brüdern setzte sich Heinrich durch und übernahm die Herrschaft. Durch Abfindungen und größere Zukäufe hatte er jedoch mit größeren finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Im Bruderkrieg zwischen Herzog Albrecht VI und Kaiser Friedrich III stand 1458 Georg III von Enzersdorf auf der Seite Albrechts, während sein Bruder Heinrich III den Kaiser unterstützte. Heinrich gehörte zum engeren Gefolge des Kaisers und begleitete ihn auch auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land. Während der ersten Türkenbelagerung Wiens wurde auch Enzersdorf 1529 belagert. Dabei wurde die Ortskirche niedergebrannt. Das Schloss gehörte damals Veit von Enzersdorf. Über sein damaliges Schicksal ist lediglich bekannt, dass das Archiv zerstört wurde. Man kann also annehmen, dass auch das Schloss von den Türken in Brand gesetzt und zumindest schwer beschädigt worden war. Die Kriegsschäden wurden in den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts von Veits Witwe behoben. Die Arbeiten dürften 1550 beendet worden sein. Allerdings wurde die Anlage 1569 durch einen Großbrand neuerlich zerstört.

Wolf Christoph von Enzersdorf war der letzte seiner Familie. Unter ihm erlebte das Schloss seine Blütezeit. Zuvor musste er es aber erst neu errichten lassen. Er schuf das prächtige Gebäude, das man heute leider nur mehr auf einem Stich von Georg Matthäus Vischer aus dem Jahr 1672 bewundern kann. Er zeigt ein großes, stark gegliedertes Wasserschloss mit mehreren Türmen und Höfen, das von einem Wassergraben umgeben ist. Wolf Christoph war Protestant. Er vertrat den niederösterreichischen Ritterstand in Verhandlungen mit Erzherzog Ernst, wenn es um den Protestantismus in Niederösterreich ging. Unter ihm war Schloss Enzersdorf ein wichtiges Zentrum der Lutheraner im Weinviertel. Als er 1598 verstarb, erlosch auch die Familie Enzersdorfer. Die Herrschaft ging im Erbweg an Maria und David von Teuffenbach über. Nun wechselten die Schlossherren, bei denen es sich durchwegs um Mitglieder des Hochadels handelte recht häufig. 1621 erbte Georg Ehrenreich von Zinzendorf Schloss und Gut, doch bereits 1636 erwarb Christina von Windischgrätz die Herrschaft. 1676 ging sie neuerlich als Erbe an Esther von Starhemberg. 1683 wurde das Schloss von türkischen Streifscharen in Brand gesetzt. 1706 erfolgte der Wiederaufbau in barocken Formen. Die Grafen Starhemberg besaßen Enzersdorf bis 1758, als es vom späteren Fürsten Georg Adam an Wenzel Graf Sinzendorf verkauft wurde. Es folgten größere Bauarbeiten. Bei dieser Gelegenheit entstand auch der Ehrenhof. 1813 veräußerte Prosper Fürst Sinzendorf die Herrschaft an Josef Graf Hardegg, der sie aber bereits sieben Jahre später an Carl Josef Graf Spangen-Uyternesse verkaufte. Auch Philipp Graf Spangen nahm zwischen 1834 und 1838 größere Umbauten vor, wobei die Schlossarchitektur deutlich vereinfacht wurde. Schließlich kaufte Friedrich Carl von Schönborn-Buchheim das Gut, in dessen Familie es bis heute verblieb. Heutiger Eigentümer ist Maximilian Eugen Graf Schönborn-Buchheim. Das heutige Gebäude ist jedoch nur mehr der traurige Rest des einstigen Prachtschlosses. Der Haupttrakt sowie der Ostflügel wurden 1945 durch Artilleriebeschuss zerstört und anschließend abgetragen.

Die Reste des einstigen Schlosses liegen am Südrand des gleichnamigen Dorfes, umgeben von einem ehemaligen Park, der längst wieder zum Wald geworden ist. Erhalten aber völlig ungepflegt ist nur noch der schlichte Westtrakt des Ehrenhofes der einst eindrucksvollen Anlage. Er ist zweigeschossig und weist einen geringfügig überhöhten Eckpavillon auf. Über seine gesamte Länge erstreckt sich im Erdgeschoß ein platzlgewölbter Laubengang, der von heute völlig überwachsenen Pfeilern gestützt wird. Wie man am abgeplatzten Fassadenschmuck erkennen kann, wurde das Schloss bereits mit Ziegeln errichtet. Nachdem der Seitentrakt noch jahrelang von der Forstverwaltung des Gutes genutzt wurde, ist er heute unbewohnt und offensichtlich dem Verfall überlassen. Der mit einem Flachgiebel versehene fünfachsige Mittelteil des zweigeschossigen Hauptgebäudes war dem Ort zugewandt. In ihm befand sich ein Saal, den der Maler Johann Franz Greipel 1769 mit Fresken schmückte. Vom Osttrakt des Hofes ist nur mehr eine eingeschossige Ruine vorhanden. Erhaltenswert und mit vertretbaren Kosten wohl auch zu sanieren ist die barocke Toranlage, die in den Ehrenhof führte und dessen beide Seitentrakte verband. Sie stammt aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhunderts. Vier Pfeiler unterbrechen das klassizistische Gitter. Sie sind mit Putten geschmückt, die Wappen des einstigen Besitzers halten. Das wie eine Halbinsel wirkende Schlossareal ist an drei Seiten von zum Teil teichartig verbreiterten Wassergräben umgeben, die immer noch vom nahe vorbei fließenden Göllersbach gespeist werden. An der Außenseite des Grabens sind noch Reste einer ehemaligen Wallanlage zu sehen. Lediglich an der Nordseite, wo sich der Zugang befindet, ist kein Wassergraben mehr zu erkennen, doch muss es logischerweise auch hier einen gegeben haben. Die beträchtliche Größe des barocken Schlosses ist noch an der ausgedehnten Wiese im hinteren Bereich des Areals sowie an den Fundamentresten der abgerissenen Bauten zu erkennen.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 12 km östlich von Hollabrunn

Ort/Adresse: 2032 Enzersdorf im Thale

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


22.05.2019