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Jedenspeigen


Jedenspeigen ist eine alte Siedlung im östlichen Marchfeld. Ob sie aber tatsächlich so alt ist, wie Lokalhistoriker manchmal vermuten, die für das Jahr 925 den Siedler und angeblichen Namensgeber Jedunc ausfindig gemacht haben wollen, ist allerdings zu bezweifeln. Die jährlichen Hochwässer der March und die häufigen Ungarneinfälle waren damals sicherlich kein ideales Siedlungsgebiet. Von einer Burg war damals ohnehin noch lange keine Rede. Immerhin wird 1113 erstmals urkundlich eine kleine Siedlung mit dem heute nahezu unaussprechlichen Namen Hiedungispuigin genannt, die zum Kolonisierungsgebiet der Herren von Lengenbach gehörte. Später übernahm Konrad Mazo ein hier befindliches Gut. Als dieser starb, wurde es als erledigtes Lehen vom Landesfürsten eingezogen. 1278 fand auf freiem Feld in der Umgebung die entscheidende Schlacht von Jedenspeigen und Dürnkrut zwischen den Truppen des Königs Przemysl Ottokar von Böhmen und jenen des Königs Rudolf IV von Habsburg statt. Es ging dabei nicht nur um das Erbe der Babenberger sondern auch um die künftige Vorherrschaft in Mitteleuropa. Sie gilt als eine der größten Ritterschlachten Europas. Beide Kontrahenten kämpften an vorderster Front. Angeblich forderte die Schlacht allein auf Seiten Ottokars etwa 12.000 Tote, darunter auch den böhmischen König. Ein etwaiger Wehrbau spielte dabei keine Rolle. Es ist auch nicht bekannt, ob bzw. in welcher Form es damals eine Burg Jedenspeigen überhaupt schon gab. Eine solche dürfte 1295 aber bereits existiert haben. In den nächsten 200 Jahren treten mehrfach ritterliche Adelige, die sich nach Jedenspeigen nannten und Landknechtsführer als Burgherren auf. Vor allem letztere entwickelten sich im 15. Jahrhundert, in dem in Österreich zeitweise noch das Faustrecht herrschte, zu Raubrittern und Wegelagerern. 1440 verbündeten sich die Brüder Kaspar, Jörg und Balthasar von Jedenspeigen mit dem böhmischen Adeligen und Söldnerführer Pankraz von Holitsch, dem der Kaiser schon lange seinen Sold nicht bezahlt hatte, und verwüsteten in einer Fehde mit Kaiser Friedrich III die umliegenden Herrschaften. Ein Jahr später zeigte dieser aber dem fehdelustigen Kaspar seine Grenzen auf. In kaiserlichen Auftrag stellte die Stadt Wien eine Truppe von 352 Fußsoldaten und 113 Reitern auf, die die Burg bereits mit einem modernen Geschütz belagerten. Nach ihrer Eroberung wurde sie zerstört. Kaspar konnte sich nur mit Mühe der Gefangennahme entziehen. Die Herrschaft wurde enteignet, aber nach einigen Jahren der Familie zurückgegeben.

1497 heiratete Clara von Jedenspeigen Max Steinpeiß und brachte das Schloss in ihre Ehe ein. Im 16. Jahrhundert kam es zu einem häufigen Besitzwechsel. Die Freiherren von Lamberg besaßen die Herrschaft zwischen 1525 und 1570. Anschließend gehörte sie Josef Hagen von Thurnberg und dann von 1578 bis 1583 dem Feldmarschall Konrad Freiherr von Pappenheim. Dann übernahm Georg Seyfried von Kollonitsch die Feste. Seine Gattin Helena geb. Fuchs von Fuchsberg hatte ihm 11 Söhne geschenkt, von denen aber vier bereits kurz nach der Geburt verstorben waren. Er ließ gegen Ende des 16. Jahrhunderts den immer noch mittelalterlichen Wehrbau in das spätere Renaissanceschloss verwandeln. Jedenspeigen blieb im Besitz seiner Familie vorerst nur bis 1597. Es folgten die Sonderndorf und dann die Neudegg. Schließlich wurden die Grafen Kollonitsch 1675 neuerlich Eigentümer der ehemaligen Burg und blieben es bis 1874. Um 1692 wurde der Wehrbau gründlich modernisiert. Weder Türken noch Kuruzzen gelang es ihn zu erobern. Den umliegenden Bauern blieb allerdings nichts anderes über, als hinter den Schlossmauern Schutz zu suchen. Ihre Dörfer wurden weitgehend zerstört. Während der Franzosenkriege, die zum Teil das Weinviertel in Mitleidenschaft zogen, richtete man im Schlossbereich ein Militärlazarett ein. Max Graf Kollonitsch, der 1874 verstarb, vererbte die Herrschaft der Erzdiözese Wien. Diese nutzte die mit dem Schloss verbundenen Grundstücke im 20. Jahrhundert landwirtschaftlich, vernachlässigte aber das Schloss. Immerhin konnte sie in den beiden Weltkriegen mit der Bewirtschaftung des ausgedehnten Grundbesitzes zur Verbesserung der schweren Ernährungskrise der Bevölkerung beitragen. Der Durchzug der Roten Armee richtete 1945 vergleichsweise nur geringe Schäden an. Allerdings ging nahezu die komplette nicht-wandfeste Innenausstattung in der Nachkriegszeit verloren. 1985 hatte die Marktgemeinde Jedenspeigen das Schloss übernommen. Mangels Kapital oder Interesse kam es bis vor kurzem zu keiner durchgreifenden Renovierung. Eine behutsame Restaurierung ist allerdings derzeit im Gange. Die langjährige Ausstellung über die berühmte Schlacht und ihre Folgen wurde in letzter Zeit modernisiert. Das Schloss, in dem schon bisher kulturelle und sonstige Veranstaltungen abgehalten wurden, soll wieder zu einem lokalen Kulturzentrum werden und seine lange Geschichte dokumentieren.

Das zweigeschossige Schloss liegt auf einem kleinen Hügel am nordwestlichen Ortsrand der Gemeinde. Eine gerade Zufahrtsstraße, die in die Hauptstraße mündet, verbindet beide miteinander. Es handelt sich um eine vierflügelige frühbarocke Anlage um einen großen rechteckigen Innenhof. Die Grundfläche des Schlosses beträgt etwa 60 x 40 m. Der einstige Wallgraben, der es umgab, ist heute nur mehr teilweise erhalten. Da im Norden und Osten eine Überhöhung des anschließenden Geländes gegeben war, musste die Burg zusätzlich durch breite Gräben gesichert werden. Diese sind heute längst zugeschüttet, sind aber noch im Gelände erkenntlich, das von den umliegenden Landwirten bäuerlich genutzt wird. An der Nord-, Ost- und Westseite sind noch die mächtigen Strebepfeiler zu sehen, die ein Abrutschen der Mauern verhindern sollten. Der Zugang, der über eine wuchtige mehrbogige Steinbrücke zu erreichen ist, liegt im Süden und besteht aus einem Korbbogenportal sowie einem rechteckigem Mannloch. An diesem sind noch die Rollenschlitze der ehemaligen Zugbrücke zu sehen. Über dem Portalbogen ist ein dreiteiliges Relief mit zwei Steinwappen angebracht. Wie die dazwischen eingemauerte Steintafel erinnern sie an Georg Seyfried von Kollonitsch und dessen Gattin Elena Fuchs von Fuchsberg. Bemerkenswert ist der vorgelagerte Torturm. Er liegt asymmetrisch zwischen der dritten und vierten Fensterachse der achtachsigen Fassade, aus der er zur Hälfte hervortritt. Über der Dachtraufe des Gebäudes wird er noch zweistöckig und achteckig weitergeführt. Abgeschlossen wird er von einem flachen Zeltdach, an dessen Stelle sich einst eine barocke Zwiebel befand. Aufgrund seiner filigranen Bauweise und der Grundfläche von lediglich 4 x 4 m hatte der Turm sicherlich keine militärische Bedeutung. Seine etwas aufdringlich wirkende Eckquaderung, die aber lediglich aufgeputzt ist, macht seine Erbauung im späten 16. Jahrhunderts wahrscheinlich.

Die mittelalterlichen Bauten der ehemaligen Burg wurden vor dem Umbau zum Schloss nahezu vollständig abgetragen. Beim Neubau wurde bereits großzügig Ziegelmauerwerk verwendet. Ebenso wurden die Strebepfeiler an den Außenfronten vorwiegend mit Ziegeln aufgeführt. Hingegen besteht der Westtrakt im Basisbereich noch vorwiegend aus Bruchsteinen, die nach der verwendeten Bautechnik aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammen dürften. Mit einer Breite von etwa 31 m ist der Südtrakt der wichtigste Bauteil der einstigen Wehranlage. Durch seine in den Burggraben gesetzte Sockelzone wirkt er dreigeschossig. Seine Giebelwände, die die übrigen Dächer überragen, weisen auf eine etwas repräsentativere Wohnfunktion hin. Die einfachen Fenster sind im ganzen Schloss mit schlichten Steinfassungen versehen. Die Sockelzone ist von den Obergeschoßen durch eine Geschoßbänderung optisch getrennt. Die zweischiffige Einfahrtshalle wird von einem Mittelpfeiler gestützt. Das schmälere Schiff führt die Fußgänger zum Arkadengang. Durch das wesentlich breitere Schiff gelangten Fuhrwerke direkt in den geräumigen Innenhof. Dieser war früher allseitig im Erdgeschoß von auf schweren toskanischen Säulen ruhenden Arkaden begrenzt. Heute sind nur mehr neun Säulen an der Südseite erhalten. Der dortige Arkadengang weist Kreuzgratgewölbe auf, ebenso die zweischiffige Torhalle. Am Nordtrakt wurden bei einer Restaurierung zwei Säulen freigelegt. Die Innenräume des Erdgeschosses sind meist tonnengewölbt und mit Stichkappen ausgestattet. Im Osttrakt führt eine einfache Steintreppe in das Obergeschoß. Größter Raum des Schlosses ist der sog. Rittersaal (12 x 9 m), in dem sich aber nie Ritter aufgehalten haben, da deren Zeit längst vorbei war. Die meisten Räume im Obergeschoß haben Flachdecken. Vereinzelt findet man auch Kreuzgratgewölbe. Der Nordtrakt wurde noch im 19. bzw. 20. Jahrhundert mit starken Eingriffen in die Bausubstanz in einen dreigeschossigen Speicherbau umgewandelt, wodurch er die Reste seiner Innenausstattung komplett verlor. Das Schloss diente seinen Besitzern meist nur als Zentrum eines großen Wirtschaftsgutes, so dass es auch in den übrigen Trakten nicht sehr kunstvoll und repräsentativ ausgestattet war. Im Südosten des Schlosses hat sich ein großer, aber mehrfach umgebauter Meierhof aus dem 18. bzw. 19. Jahrhundert erhalten. Von den Schanzen, die nach 1703 zur Verteidigung gegen die Kuruzzen angelegt wurden, sind Reste zwischen Jedenspeigen und Dürnkrut im Gelände zu erkennen.

Lage: auf einem kleinen Hügel knapp außerhalb der Marktgemeinde Jedenspeigen (ca. 15 km nördlich von Angern)

Ort/Adresse: 2264 Jedenspeigen

Besichtigung: das Schloss kann in den Monaten Mai bis Oktober an Samstagen (12.00 – 17.00) sowie an Sonn- und Feiertagen (10.00 – 17.00) besichtigt werden

Homepage: www.jedenspeigen.at


Weitere Literatur:


09.05.2019