ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Weyerburg


Die Gegend um die heutige Weyerburg wurde vermutlich im 12. Jahrhundert durch die Herren von Aigen kolonisiert. Sie gehörten zur Gefolgschaft der Markgrafen von Cham-Vohburg. Ein Hugo von Aigen scheint ab 1140 mehrfach als Zeuge in wichtigen Urkunden auf. Er dürfte der erste Besitzer eines hölzernen Wehrbaues gewesen sein, der als Vorgänger der Weyerburg gilt. Dieser wurde damals als „Aigen“ bezeichnet. 1204 wird hier erstmals ein vermutlich bereits steinerner Wehrbau urkundlich erwähnt und „Wierberch“ genannt. Die Herren von Aigen waren unter den Babenbergern eine angesehene Familie. Sie bezeugten Urkunden nicht nur im Weinviertel, sondern auch in Heiligenkreuz, wo ein Hugo von Aigen auch begraben liegt. Allerdings war Hugo damals bei ihrer Familie als Leitname sehr gebräuchlich, so dass eine genaue Zuordnung etwas schwierig ist. Sie waren mit den Tursen von Rauheneck und Lichtenfels verwandt, die nach dem Aussterben der Aigener die Herrschaft Weyerburg übernahmen. Um 1317 saßen hier Johann und Lambert von Turzo. Im gleichen Jahr verkauften die Tursen Hugo und Reinprecht ihre Anteile an der Weyerburg an Pilgrim von Puchheim. Dieser erwarb 1319 weitere Anteile von Mert dem Stuchs von Trautmannsdorf. Bei den übrigen Familienmitgliedern verblieb nur mehr ein kleinerer Anteil. Die Puchheimer waren eine Ministerialenfamilie aus Oberösterreich, die auch die Herrschaft Göllersdorf seit dem 14. Jahrhundert besaß. Ihnen gehörten mehrere Herrschaften und Schlösser, so dass sie nicht hier wohnten und die Weyerburg von einem Burggrafen verwalten ließen. 1336 wurde die Burg vom böhmischen König Johann erobert. Nach Pilgrims Tod erfolgte eine Neuaufteilung der beträchtlichen Erbschaft. Albrecht III von Puchheim konnte 1350 sämtliche Beteiligungen an der Weyerburg, die sich durch Heiraten und Erbschaften ergeben hatten, wieder in einer Hand vereinen. Die Burg war ursprünglich freies Eigen, doch wurde bereits 1411 ein Sechstel der Herrschaft vom Landesfürsten Herzog Albrecht als Lehen vergeben. Albrecht IV von Puchheim verlegte seinen Herrschaftsmittelpunkt nach Raabs und verkaufte 1419 die Weyerburg an die Rapper von Rosenharts. 1425 brandschatzten die Hussiten große Teile des Wald- und Weinviertels mit dem Ort Weyerburg. Ob die Burg davon betroffen war, ist nicht bekannt. In den Streitigkeiten zwischen Kaiser Friedrich III und seinem Bruder Herzog Albrecht VI unterstützten die Rosenharts den Herzog, was dazu führte, dass ihre Weyerburg von Georg von Podiebrad 1448 belagert und schließlich durch List erobert wurde.

Bedingt durch die Kämpfe mit Böhmen und Ungarn begann gegen Ende des 15. Jahrhunderts der wirtschaftliche Niedergang der einst sehr großen Herrschaft Weyerburg, was auch zu finanziellen Schwierigkeiten der Familie Rosenharts führte. Um 1540 war ein Großteil der Weyerburger Weingärten abgekommen. Das alte Dorf Weyerburg, das ehemalige Aigen, galt um 1540 als verödet. Hans von Rosenharts starb schwer verschuldet 1546. Anschließend gelangte die Herrschaft Weyerburg im Erbweg an die Familie Lamberg. Wegen zahlreicher Erbansprüche und sonstigen Forderungen konnten die Lamberg ihren neuen Besitz jedoch nicht lange halten und mussten ständig Teile davon verkaufen. Die einst stattliche Herrschaft degenerierte dadurch zum bescheidenen Gut, das 1568 an die Eitzinger und 1586 an Maximilian Leisser kam. 1590 unterstanden ihm im Ort Weyerburg nur mehr 27 Wohnstätten. 1610 kaufte der Schlossherr von Guntersdorf Maximilian Teufel das Gut. Es gelang ihm sogar dessen wirtschaftliche Lage zu verbessern. Für eine durchgreifende Modernisierung fehlte jedoch das Kapital. 1645 versuchten die Schweden die Weyerburg einzunehmen, doch mussten sie ihre Belagerung erfolglos abbrechen. 1688 verkaufte Otto Christoph von Teufel die Herrschaft gemeinsam mit den zuletzt erworbenen Gütern Roggendorf und Füllersdorf an Johann Constantin von Khautten, der sie vier Jahre später an den Reichsritter Johann Baptist Edlen von Hochburg weiterverkaufte. Bis 1714 war die Herrschaft wieder auf 126 Häuser angewachsen. Durch die Umstellung auf Viehzucht hatte sich auch ihre Ertragskraft deutlich verbessert.

1710 hatte Friedrich Karl Graf Schönborn-Buchheim die benachbarte Herrschaft Göllersdorf erworben. Er war bis 1701 Reichsfreiherr und wurde dann zum Reichsgrafen ernannt. Er und seine Brüder wurden zu den Begründern der österreichischen Linie der Schönborn Buchheims. Sie waren Neffen des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn und von diesem eigentlich für eine geistliche Karriere bestimmt. Er hatte großen Einfluss auf König Josef I, den er bei seiner Kaiserwahl tatkräftig unterstützte und dem er auch ein Dragonerregiment zur Bekämpfung von Aufständen in Ungarn zur Verfügung stellte. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis sein Neffe Friedrich Karl, der für ihn in Wien als kurzmainzischer Gesandter tätig war, Reichsvizekanzler wurde und die Reichshofkanzlei in Wien führen durfte. Wie in seinen Kreisen und vor allem bei seinen deutschen Verwandten üblich, zeigte er seine Bedeutung und seinen Reichtum durch die Errichtung mehrerer Schlösser und Palais in Wien, Niederösterreich und Ungarn, wo ihm schließlich 2.400 Quadratkilometer Land mit vier Städten und 200 Dörfer gehörten. Göllersdorf war nur ein bescheidenes Landschloss, doch eignete es sich von der Lage her sehr gut als Zentrum einer großen fürstlichen Domäne. Der Reichsvizekanzler versuchte daher durch Zukäufe in der Umgebung seine Herrschaft entsprechend auszubauen. Die unweit gelegene Weyerburg passte sehr gut in seine Pläne. Sie hatte zuvor dem Grafen Johann Dominik von Hochburg gehört. Nach 1716, als er das Schloss erwerben konnte, ließ er es Friedrich Karl Graf Schönborn zu einem komfortableren Wohnschloss ausbauen. Die österreichischen Grafen Schönborn nahmen übrigens nach einer größeren Erbschaft den Beinamen Buchheim an, wodurch eine Unterscheidung von den deutschen Schönborn leichter wurde.

Mit dem Schloss ist ein historisches Ereignis verbunden. Am 21. November 1716 stürzte ein Mann in russischen Bauernkleidung in die Wohnung des Reichsvizekanzlers in Wien und ersuchte um Asyl. Es war der russischen Zarewitsch Alexis, der sich mit seinem Vater, dem Zaren Peter den Großen, überworfen hatte und verkleidet nach Österreich geflüchtet war. Da er über seine Mutter mit den Habsburgern verwandt war, konnte man ihn nicht einfach abweisen, fürchtete aber diplomatische Verwicklungen mit Russland. Schönborn beschloss den Zarewitsch vor seinen Verfolgern zu verstecken und ließ ihn auf die Weyerburg bringen, wo er etliche Wochen in Ruhe leben konnte. Da Russland mit einer gewaltsamen Entführung drohte, brachte man ihn später auf die Feste Ehrenfels in Tirol und dann nach Oberitalien. Nach langen Verhandlungen wurde der Zarewitsch dann im August 1717 dem Grafen Tolstoj übergeben, der ihn nach Russland zurückbrachte. Dort ließ ihn sein Vater, der ihn einer Verschwörung verdächtigte, foltern und dann ein Jahr später töten. 1945 wurde das Schloss durch Kriegseinwirkung schwer beschädigt und erst nach einer Reihe von Jahren wiederhergestellt. Heute ist es bequem ausgestattet und wird von der Familie des Dipl. Ing. Friedrich Karl Graf Schönborn-Buchheim bewohnt. Prominentestes Mitglied der heute noch weitverzweigten Familie ist der Wiener Erzbischof Kardinal Dr. Christoph Schönborn.

Der heutige Bau stammt aus dem 16. und 17. Jahrhundert, als der bisher bescheidene hochmittelalterliche Wehrbau in eine befestigte Vierflügelanlage umgebaut wurde. Durch die steilen Böschungen an drei Seiten ergab sich ein ausreichender natürlicher Schutz, der an der Angriffsseite durch bauliche Maßnahmen komplettiert wurde. Wenn man das Schloss mit dem Kupferstich von Georg Matthäus Vischer von 1672 vergleicht, so überrascht, dass es sich seit damals nur wenig verändert hat. Im Gegensatz zu vielen Landschlössern des Weinviertels wurde es nie barockisiert. Vermutlich ist dies auf die prekäre finanzielle Lage der Herrschaft im 17. Jahrhundert zurückzuführen. Warum die Grafen Schönborn, die ja für ihre aufwändige barocke Schlossarchitektur sowohl in Deutschland als auch in Österreich bekannt sind und über das entsprechende Kapital verfügt hätten, dem „Aschenputtel“ Weyerburg als neue Schlossherren nach 1716 kein neues einheitliches Kleid spendiert hatten, ist nicht bekannt. Ein diesbezüglicher Entwurf Johann Lucas von Hildebrandts wurde nicht realisiert. Möglicherweise wurde die Herrschaft Weyerburg lediglich als Wirtschaftsgut und nicht als ständiger Wohnsitz geschätzt. Die Weyerburg ist eine umfangreiche Gebäudegruppe auf einem Hügel am Südrand des gleichnamigen Ortes. Als Wasserburg, wie sie im Mittelalter und in der Renaissance bezeichnet wurde, war sie als Höhenburg wenig geeignet. Es kann aber durchaus sein, dass der Burghügel am versumpften Talgrund von Teichen umgeben war, die ein natürliches Hindernis für Angreifer oder Belagerer boten. Merkwürdig ist auch das Fehlen eines Bergfriedes bzw. eines anderen hohen und starken Turmes. Auch im Grundriss kann man keinen Platz erkennen, wo ein solcher Turm gestanden haben könnte. Die Außenmauern der Anlage sind überall nahezu gleich stark bzw. schwach. In alten Beschreibungen finden sich auch keine entsprechenden Hinweise. Später gab es vielleicht bereits militärische Gründe. Im Gegensatz zum Mittelalter, wo ein möglichst mächtiger Turm vor allem als Machtsymbol galt, wollte man in der späteren Festungsarchitektur einem Angreifer kein unnötiges Ziel bieten.

Vor dem Schloss steht eine barocke Sandsteinfigur des hl. Johannes von Nepomuk aus der Zeit um 1730. Die ein- und zweigeschossigen Gebäude umschließen zwei Höfe. Eine Steinbrücke führt über den ehemaligen Wassergraben zum deutlich vorspringenden einachsigen Torbau am Osttrakt. Neben dem großen Rundbogentor liegt eine Fußgängerpforte. Die Rollen der einstigen Zugbrücke sind noch vorhanden. Durch das Tor gelangt man in den ersten Schlosshof, der ehemaligen Vorburg. Wie seine Grundfläche von 36 x 27 m erahnen lässt, war er als Wirtschaftshof konzipiert. Die im rechten Winkel aneinanderstoßenden eingeschossigen Trakte im Nordwesten und Südwesten waren wohl immer schon Wirtschaftsbauten. Sowohl die Nord- als auch die Westecke der Vorburg sind durch kleine Rundtürmchen verstärkt, die aber nie militärische Bedeutung besaßen sondern diese nur andeuten sollten. Die beiden zweigeschossigen Bauten im Osten und Süden waren von der Herrschaft bewohnt, wobei der Südtrakt der Vorburg zugleich der Nordtrakt des quadratischen Kernschlosses ist. Rechts von der Einfahrt liegt der neuere Bauteil mit der Kapelle. Vier zweigeschossige Trakte begrenzen das nahezu quadratische Kernschloss. Mit einer Fläche von 18 x 15 m ist der Innenhof wesentlich kleiner und intimer als der große Vorhof. Ein Großteil des Nordtraktes ist im Erdgeschoß mit Arkaden geschmückt, die auf starken viereckigen Pfeilern ruhen. Die Arkadengänge sind mit modernen Malereien versehen, die jagdbares Wild darstellen. Die Originalausstattung der etwa 40 Wohnräume ist dem Jahr 1945 zum Opfer gefallen und nicht mehr vorhanden. Ebenfalls längst verschwunden sind die durch Springbrunnen aufgelockerten, prächtigen Parkanlagen, die das Schloss umgaben. Überlebt hat jedoch der mächtige dreigeschossige Schüttkasten am Talgrund südlich des Schlosses. Er harrt noch seiner Restaurierung, die bei den eigentlichen Schlossgebäuden bereits weit fortgeschritten ist. So wie er erinnert der große Wirtschaftshof zwischen Schloss und Ort an die Bedeutung des Gutes, die Schloss Weyerburg für die Landwirtschaft des Tales hatte und auch noch hat.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 10 km östlich von Hollabrunn

Besichtigung: nur von außen möglich

Homepage: www.schoenborn.at


Weitere Literatur:


20.04.2019