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Neuhaus im Wienerwald


Ältester Teil der Burg ist das bereits im 13. Jahrhundert erwähnte Feste Haus. Man nimmt an, dass es im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts zur Sicherung des Triestingtales errichtet wurde. Es wurde in verschiedenen Urkunden als „novum castrum“ bezeichnet, was darauf hindeutet, dass es auch einen Vorgängerbau gegeben haben könnte. In einer Liste des landesfürstlichen Urbars für Niederösterreich aus der Zeit König Ottokars von Böhmen wurden jene Burgen festgehalten, die nach dem 1246 erfolgten Tod Herzog Friedrichs II des Streitbaren ohne Genehmigung des Landesfürsten, also widerrechtlich, erbaut worden waren. Darunter findet man auch die „Neue Burg“ des Mundschenken Heinrich von Haßbach. Diese dürfte mit der 1278 erwähnten Burg des Ulrich von Niwenhaus identisch sein, dessen Lehen nach seinem Tod eingezogen und 1282 von Bischof Wichard von Passau neu vergeben wurde. Erster urkundlich gesicherter Burgherr ist Thomas von dem Newenhaus, der 1335 genannt wird. Im späteren 14. Jahrhundert war die Burg landesfürstlich und wurde von Pflegern verwaltet. Nach einem kurzen Zwischenspiel der Grafen von Ortenburg aus Kärnten fiel Neuhaus 1390 an die Familie Inprucker, die nun über 200 Jahre im Besitz der Burg bleiben sollte. Um ihre Schuldenlast zu reduzieren verkauften 1595 Leopold Inprucker und sein Bruder Erasmus die Herrschaft an Bernard von Rabatto, der sie aber noch im gleichen Jahr an Hans Christoph I von Wolzogen weitergab. Die Wolzogen hatten seit 1565 das Oberpostmeisteramt sowohl in Niederösterreich als auch in Ungarn inne und waren dadurch zu einem nicht unbeträchtlichen Reichtum gekommen. Hans Christoph I war bereits 1591 in den Ritterstand erhoben worden. 1607 erhielt er unter Kaiser Rudolf II eine weitere Standeserhöhung. Er und seine Nachkommen durften sich nunmehr Freiherren nennen. Damals besaß die Familie mehrere Schlösser und Ansitze in Niederösterreich und Wien. Neben Neuhaus gehörten ihr auch Fahrafeld, Arnstein, Gutenbrunn, St. Ulrich und einige Häuser in Wien. Neuhaus war jedoch ihr Hauptwohnsitz. Die protestantische Familie war bis zu ihrer Vertreibung 1628 hier ansässig und investierte einen Großteil ihres Vermögens in den Ausbau der Feste Neuhaus, wobei der Ausbau eher einem Neubau gleichkam.

Die bisher relativ bescheidene Hauptburg wurde damals neu befestigt. Um mögliche Angreifer auf Distanz zu halten, entstand eine ausgedehnte Vorburg, die im Osten vom langen Torturmtrakt mit seiner vorgelagerten Zwingermauer begrenzt wurde. Zwei für die Artillerieverteidigung geeignete Rundtürme verstärkten seit 1599 die Südost- und Nordostecke des Zwingers. Das 17. Jahrhundert war für den im Osten des Landes lebenden niederösterreichischen Landadel eine sehr unruhige Zeit. Da die Gefahr eines neuerlichen Angriffes türkischer Truppen auf die von den Türken als Hauptstadt des Abendlandes betrachtete Stadt Wien immer größer wurde, stattete man Schloss Neuhaus mit Artillerie und leichteren Waffen recht gut aus. Dazu gehörten mehrere Kanonen, 20 Doppelhakenbüchsen und 78 Musketen sowie etwa fünf Tonnen Schießpulver. Die in einer Aufstellung angeführten vier Schlachtschwerter dürften aber im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts bereits etwas antiquiert und wenig hilfreich gewesen sein. Allerdings erfolgte der Ausbau zur Festung erst zu einem Zeitpunkt, als der Burgenbau nur mehr der Repräsentation diente und Wehrhaftigkeit lediglich vortäuschen sollte. Die Verteidigung wurde – wenn erforderlich - weitgehend den Außenwerken überlassen. Im Verlauf der Gegenreformation wurden auch die Freiherren von Wolzogen aus Glaubensgründen zur Auswanderung gedrängt. Hans Christophs Sohn, der ebenfalls protestantische Paul I Freiherr von Wolzogen hatte alle Aufforderungen zur Rekatholisierung bis zuletzt abgelehnt und war unter großen Vermögensverlusten 1628 nach Sachsen gezogen. Mehrere Familienmitglieder leben heute in Deutschland. Mit der Vertreibung der Wolzogen begann der Abstieg des Schlosses. Neuhaus kam 1631 an den Landesfürsten Kaiser Ferdinand II. Dieser benützte es vorwiegend als Pfandobjekt. Zuerst ging es an den niederösterreichischen Hofkammergerichtspräsidenten Max Breuner Freiherr von Stübingen, der es aber schon nach zwei Jahren wieder zurückgab. Von 1656 bis 1693 war Ferdinand Max Graf Sprinzenstein Pfandherr. In diese Zeit fiel die zweite Türkenbelagerung Wiens (1683), bei der das Schloss geplündert und schwer beschädigt wurde. Um 1694 wurde der noch nicht wiederhergestellte Bau für industrielle Zwecke adaptiert. Am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde in den noch benützbaren Räumlichkeiten eine von venezianischen Meistern geleitete Glas- und Spiegelfabrik eingerichtet.

1709 übernahm Johann Christoph Rechberger von Rechkron die Pfandschaft aus Staatsbesitz. Neun Jahre später war Finanzrat Bernard von Mikosch neuer Eigentümer. Zwischen 1724 und 1830 war Neuhaus mitsamt der Spiegelfabrik Staatsbesitz und wurde von der Hofkammer verwaltet. 1726 ließ Kaiser Karl VI die Schäden der Türkeninvasion beheben und das Schloss wieder instand setzen. An der Westseite des Hofes wurde ein Neubau für die Spiegelfabrik errichtet. Deren Arbeiter hatten sogar einen eigenen Friedhof im östlichen Außenwerk der Burg, was nicht unbedingt für ausgezeichnete Arbeitsbedingungen spricht. Die bei der Spiegelerzeugung entstehenden Quecksilberdämpfe waren so ungesund, dass die unmittelbar damit beschäftigten Arbeiter monatlich ausgewechselt werden mussten. Die Fabrik war mittlerweile die größte Spiegelproduktion Mitteleuropas. Sie wurde aber bereits 1742 in ein neues Gebäude am Fuße des Schlossberges verlegt und 1830 nach Schlöglmühl abgesiedelt. 1769 erfolgte im Auftrag von Kaiserin Maria Theresia die Errichtung einer einklassigen öffentlichen Volksschule im Osttrakt. 1780 wurde eine Lehrerbildungsanstalt eingerichtet. Schon 1783 wurde die Schlosskirche auch zur Pfarrkirche bestimmt. 1805 wurden die Burg und die in der Kirche befindliche Gruft der Wolzogen von französischen Soldaten geplündert. 1824 lebten im Schloss neben dem Pfarrer und dem Schullehrer 36 ehemalige oder noch aktive Arbeiter, was sich auf die Pflege des Gebäudes negativ auswirkte. 1830 erwarb Georg Simon Freiherr von Sina im Weg einer Versteigerung die Herrschaft, die er zwanzig Jahre später seiner Enkelin Anastasia Gräfin Wimpffen schenkte. Der aus Griechenland stammende Baron galt damals als einer der reichsten Männer der Monarchie.

Ab 1833 diente der Westtrakt als Pfarrhof. Anastasia heiratete 1860 den Reichsgrafen Victor Ägidius von Wimpffen. Deren Sohn Simon Alphons Graf Wimpffen versuchte gegen Ende des 19. Jahrhunderts Neuhaus zu einem eleganten Kurort zu machen, indem er unterhalb des Schlosses drei große Hotels und dreißig luxuriös eingerichtete Villen sowie noch 1913 eine Rollschuhhalle erbauen ließ. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges waren seine Bemühungen jedoch gescheitert. 1941 wurde das Schloss an den Deutschen Reichsforst verkauft. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges geriet es unglücklicherweise in die Kampflinie zwischen den aus Ungarn vordringenden russischen Truppen und den sich zurückziehenden SS-Einheiten. Es wurde in weiten Teilen durch Brand zerstört. Vom einstigen prachtvollen Schloss blieben nur Ruinen. Da es sich beim letzten Eigentümer um eine deutsche Organisation gehandelt hatte, betrachtete die russische Besatzungsmacht Schloss und Gut Neuhaus als deutsches Eigentum. Dieses gelangte nun in die Verwaltung der russischen USIA und konnten in den nächsten zehn Jahren nicht saniert werden. Erst ab 1955, als die russische Verwaltung aufgehoben worden war, konnten zumindest die Kirche und der Westtrakt der Anlage wieder aufgebaut werden. 1965 wurde die Burg Neuhaus geteilt. Die Vorburg ging in private Hände über. 1977 ersteigerte die Industriellen-Familie Huemer die Brandruine und ließ sie bis 1982 in ihrer alten Form wiederherstellen. Die Hauptburg sowie die Kirche und der Pfarrhof blieben bis 1981 im Besitz des Rechtsnachfolgers des Deutschen Reichsforstes, der Österreichischen Bundesforste. Dann schenkten diese die bereits herabgekommenen Gebäude der Pfarre Neuhaus. Aus finanziellen Gründen mussten sie allerdings bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts auf ihre Restaurierung warten. Die Erzdiözese wollte vorerst das Danaergeschenk wieder verkaufen und musste 2003 erst vom Pfarrgemeinderat überzeugt werden, dass eine Revitalisierung der langfristig richtige Weg sei. Diese ist noch nicht beendet. Die Schlosskirche dient nach ihrer Generalsanierung wieder als Pfarrkirche von Neuhaus. Der 2010 gegründete Verein Burg Neuhaus fungiert in erster Linie als Ideengeber.

Die mehrteilige Schlossanlage besteht aus drei Baugruppen: der mittelalterlichen Altburg - dem ehemaligen Festen Haus - sowie der im Osten anschließenden Vorburg, der im Osten und Süden Außenwerke vorgelagert sind. Sie ist von einer Mauer umgeben, die an den beiden östlichen Ecken mit Rundtürmen und an der Westseite mit zwei quadratischen Wehrtürmen verstärkt ist. Die Einfahrt liegt an der Ostseite. Das darüber befindliche Wappen mit den Initialen HCWZNF weist darauf hin, dass Hans Christoph Freiherr von Wolzogen zu Neuhaus diesen langgezogenen Trakt vollenden ließ. Er ist zweigeschossig und diente als eigentliches Wohnschloss. In seiner Mitte überragt der viergeschossige, aber nur einachsige Torturm mit seinem Pyramidendach den Bau. Er war bis vor wenigen Jahren trotz schwerer Kriegsschäden neben der Schlosskirche als einziger Teil der Anlage noch relativ gut erhalten und gepflegt. Auffallend ist seine Eckquaderung. Die Fenster dieses Traktes sind steingerahmt und weisen gerade Verdachungen auf. Durch die breite rundbogige Torhalle gelangt man in den großen Hof, dessen gegenüberliegende Seite vom Bau der einstigen Spiegelfabrik eingenommen wird. Dieses Gebäude war bereits nach dem fluchtartigen Abzug der Türken in keinem guten Zustand mehr. Kaiser Karl VI ließ es 1726 wieder herrichten. Danach diente es der Spiegelfabrik als Produktionsstätte. Seit der letzten Renovierung hat es wieder die Funktion eines Pfarrsaales, wie schon vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges. Zwischen zwei dreigeschossigen, etwas vorspringenden Türmen mit Pyramidendächern erstreckt sich seine ursprünglich barocke Fassade, die 1892 erneuert wurde. Zwei symmetrisch angeordnete Türen, die von Dreiecksgiebeln gekrönt sind, führen in das Innere. Die Fassade des um 1600 errichteten Osttraktes wurde damals barock verändert. Auch die beiden Turmbastionen wurden 2004 restauriert. Dabei erhielten sie anstatt der alten Grabendächer passende Pyramidendächer.

Neben der Erneuerung und Vergrößerung der Ringmauer sowie der Schlosskirche zählt der Osttrakt der Hauptburg zu den wichtigsten Bauten der Familie Wolzogen auf Neuhaus. 1726 erhielt er seine für einen Fabrikbau ungewöhnlich repräsentative Fassade. Im Norden schließt die Umfassungsmauer den Hof ab. Die in ihrer Mitte liegende kleine Pforte aus der Renaissancezeit war offensichtlich einst mit einer Zugbrücke versehen, wie ihre Rollenlöcher zeigen. Allerdings gibt es von einem Graben geländebedingt hier keine Spuren. Hinter dem Westtrakt erstreckt sich ein nahezu quadratischer zweiter Hof, in dessen Mitte noch Mauerreste von Kelleranlagen auf einen alten Bau hinweisen. Von der freistehenden rechteckigen Altburg aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind nur mehr Reste des Bergfrieds in der Südostecke sowie des Palas erhalten. Dieses einstige Feste Haus (novum castrum) aus dem 13. Jahrhundert, war für das Schloss und den Ort namensgebend. Es war noch bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts bewohnt, wurde aber dann seinem Schicksal überlassen. Zwischen dem Bergfried und dem Palas liegt heute ein großer Schutthügel, der aus dem aufgehenden Mauerwerk des Festen Hauses besteht, aber noch seiner archäologischen Bearbeitung harrt. Die kleine Wohnburg war schon im ausgehenden Mittelalter keine besonders wehrhafte Anlage mehr. Nach Westen hin wird das Feste Haus durch einen Anbau aus dem 16. Jahrhundert abgeschlossen. Die Kernburg wurde beim großen Ausbau durch die Freiherren von Wolzogen zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit einer Ringmauer umgeben, die nur mehr teilweise original ist und ansonsten auf spätere Ausbauten zurückgeht. Als Baumaterial wurden lokal vorhandene Bruchsteine verwendet.

Dies gilt auch für den Bergfried in der Südostecke der Altburg. Mit seinem lediglich 2,2 x 2,4 m² großen Innenraum diente er nur der Verteidigung. Für Wohnzwecke war er ungeeignet. Seine Eckquaderung aus größeren Steinblöcken ist im Erdgeschoß noch erhalten. Hier wurden im 16. Jahrhundert zwei Geschützscharten eingebaut. Der alte Palas ist völlig zerstört. Lediglich zwei aus dem Felsen herausgehauene Kellerräume sind noch erhalten. Sie wurden erst im 16. Jahrhundert mit Mauerziegeln eingewölbt. Wie der Vischer-Stich von 1672 zeigt, war der Bergfried viergeschossig, während der Palas zwei Obergeschoße über dem Erdgeschoß aufwies. Die große Schlosskirche liegt an der südlichen Schmalseite des großen Hofes der Vorburg. Sie wurde zwischen 1607 und 1612 für die protestantische Familie Wolzogen errichtet. Trotz ihrer gotisierenden Spitzbogenfenster ist sie ein Bau der Renaissance. Der freistehende Sakralbau ist dem hl. Nepomuk geweiht. Sie ist einschiffig, vierjochig und mit einem Kreuzgewölbe versehen. Unterhalb des Hochaltares liegt die ehemalige Familiengruft der Wolzogen. Hier wurden vier Familienmitglieder und zwei Priester beigesetzt. Allerdings wurde die Gruft 1805 während der Franzosenkriege geplündert. Eine kleinere Kapelle in der Hauptburg wurde trotz dem großen Neubau beibehalten und renoviert. Der Garten mit seinen einfachen Wirtschaftsbauten vor der Ostfront des Schlosses wurde im 20. Jahrhundert in einen Friedhof umgewandelt. Zuvor befand sich hier ein von den Wolzogen angelegtes Außenwerk. Eine weitere militärische Anlage, auch Rosengarten genannt, lag unterhalb der Südfront der Kernburg. Trotz seines freundlichen Namens diente der Rosengarten im 17. Jahrhundert der Aufstellung von Geschützen. Vermutlich standen sie vor den 13 Rundbogenfenstern der begrenzenden Burgmauer. Ab 2011 fanden hier Sommerspiele statt, die aber 2017 in den Pfarrsaal verlegt wurden.

Lage: ca. 7 km nordwestlich von Berndorf

Ort/Adresse: 2565 Neuhaus, Triestingtal

Besichtigung: Hof und Kirche können jederzeit besichtigt werden. Die Altburg ist meist nicht zugänglich.

Homepage: www.burg-neuhaus.at


Weitere Literatur:


21.01.2019