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Mürzsteg Jagdschloss


Das kaiserliche Jagdgebiet von Neuberg-Mürzsteg galt in der Monarchie als eines der schönsten Reviere des Landes. Seit dem 18. Jahrhundert wurde es vor allem wegen seines reichen Bestandes an Auerhähnen und Gämsen gerne aufgesucht. Das Jagdschloss liegt über dem linken Ufer der Mürz am Nordrand des Ortes Mürzsteg. Es ist auch heute noch von einem großen Park umgeben, in dem so manche Bäume stehen, die noch zur Zeit der Monarchie gepflanzt wurden. Obwohl Mürzsteg allgemein als kaiserliches Jagdschloss bekannt ist, haben mit Kaiser Franz Joseph und seinem Großneffen Karl I nur zwei österreichische Monarchen hier gewohnt, während in den Jahren vom Ende des Ersten Weltkrieges bis heute praktisch alle republikanischen österreichischen Bundespräsidenten ihre Sommerurlaube hier zumindest teilweise verbracht haben. Franz Joseph galt trotz seiner Jagdleidenschaft als sehr pflichtbewusst. Er ließ sich durch Kuriere jeweils in der Nacht die wichtigsten Akten aus Wien kommen, um sie in den frühen Morgenstunden zu lesen und wenn möglich erledigen. Das Jagdhaus Mürzsteg war ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Faktor in dieser damals noch rein landwirtschaftlich geprägten Gegend. Die am Bau beschäftigten Handwerker stammten aus dem Mürztal sofern nicht Spezialisten aus Wien benötigt wurden. Während der Jagdsaison war ein guter Teil der jüngeren männlichen Bevölkerung als Treiber oder sonstiges Jagdpersonal beschäftigt. Weibliches Küchen- oder Bedienungspersonal wurde ebenfalls lokal rekrutiert. Ein Großteil der Lebensmittel, die für die Verpflegung der Jagdgäste benötigt wurden, stammt von örtlichen Bäckern und Fleischhauern oder wurde in Bauernläden zugekauft. Kaiser Franz Joseph dürfte 1852 erstmals an einer Auerhahnjagd im Gebiet von Neuberg teilgenommen und die teilweise hochalpine Lage des Reviers schätzen gelernt haben. Für Übernachtungen, bei denen der Kaiser wie üblich keinen großen Wert auf Repräsentation und Bequemlichkeit legte, standen ihm und seiner Entourage einige Repräsentationsräume im südöstlichen Trakt des Zisterzienserstiftes Neuberg zur Verfügung. War eine Übernachtung in Mürzsteg erforderlich, so verbrachte Franz Joseph die Nacht im dortigen Forstamt. Seine Jagdgäste wurden im örtlichen Wirtshaus untergebracht. Diese Situation war natürlich auf Dauer nicht befriedigend, so dass sich der Kaiser 1869 entschloss, ein eigenes Jagdhaus errichten zu lassen. Für ein solches lag Mürzsteg nahezu ideal. Mit dem Auto gelangt man heute in etwa eineinhalb Stunden von Wien hierher. Zu Kaisers Zeiten ging es nicht ganz so schnell, doch war die Reisezeit durch die Erbauung der Südbahn von der Wiener Residenz ins Hochgebirge durchaus passabel. Die für die damalige Zeit rasche Verbindung war für einen Kaiser äußerst günstig, der die Jagd liebte, aber oft nur wenig Zeit dafür hatte. Mit dem Hofzug ging es bis Neuberg, die restlichen 13 Kilometer bis zum Jagdschloss wurden mit der Kalesche zurückgelegt. Zu den Hofjagden, die jeweils im Frühjahr und im Herbst stattfanden, wurden gerne Mitglieder der europäischen Hocharistokratie eingeladen, so dass ein Aufenthalt in Mürzsteg oft Bestandteile eines Staatsbesuches wurde. Zu den Gästen zählte unter anderem der russische Zar Nikolaus II (1903), aber auch der deutsche Kaiser Wilhelm II und der englische König Edward VII. Privater Natur waren die Aufenthalte des kaiserlichen Schwiegersohnes Prinz Leopold von Bayern und dessen Vaters, des Prinzregenten Luitpold von Bayern, die zu den hochadeligen Stammgästen zählten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Jagdeinladungen selten und man begnügte sich mit gemeinsamen Wanderungen und Spaziergängen.

Die Baukosten von etwa 30.000 Gulden hatten den Staat kaum belastet. Sie wurden aus dem Privat- und Familienfonds beglichen. Die Planungen sahen vor, dass die laufenden Kosten von ca. 4.400 Gulden pro Jahr durch die Auflassung der Hofjagden in den Niederwildrevieren von Holitsch (heute Holic in der Nordwestslowakei) und Niederweiden gedeckt werden sollten. Für die Planung wurden die vor allem bei der Bebauung der Wiener Ringstraße stark engagierten Architekten August Schwendenwein und Johann Romano herangezogen. Trotz ihrer vielen Palais und Schlösser war Mürzsteg ihr einziges Bauprojekt für das Kaiserhaus. Nahezu alle anderen Bauten wurden im Auftrag privater Bauherren durchgeführt. Beide Architekten betrachteten den eher bescheidenen Auftrag als große Ehre. Schwendenwein wählte bei seiner Erhebung in den Ritterstand das Prädikat „von Lanauberg“. Unter der lokalen Bauleitung von Michael Gröbl entstand am Hang des Lanauberges ein zweigeschossiges, stark gegliedertes Gebäude im sog. Heimatstil, das wesentlich bescheidener als der heutige Bau war. Die Außenwände waren verputzt und die Gebäudeecken durch eine Eckquaderung betont. An der der Mürz zugekehrten Front befand sich im Erdgeschoß eine hölzerne Veranda. Sie war von zwei Eckrisaliten begrenzt. Jener im Westen zeigte im Obergeschoß einen Flacherker. An der Nordseite gab es ursprünglich ebenfalls eine Einbuchtung mit einer Veranda. Doch wurde bereits 1870 durch eine Begradigung der Fassade Platz für zwei dringend benötigte Innenräume geschaffen. Eigentlich wusste man natürlich schon bei der Planung, dass das Gebäude für ein kaiserliches Gästehaus zu klein sei, doch galt der Kaiser als außerordentlich bescheiden. Im Erdgeschoß waren lediglich fünf Wohnräume geplant. Der größte lag südseitig und diente als Speisezimmer. Im Obergeschoß gab es sechs weitere Gästezimmer. 1879 kam es mit dem Nordwesttrakt zu einem ersten Ausbau. Die Anzahl der Räume sollte damit deutlich vergrößert werden. Die Pläne stammten diesmal vom Wiener Hofarchitekten und Burghauptmann Ferdinand Kirschner. Acht weitere Gästezimmer und zwei zusätzliche Dienerzimmer machten aus dem bisherigen Jagdhaus immerhin ein bescheidenes Jagdschloss. Neben Kronprinz Rudolf wohnte hier im Obergeschoß gelegentlich Ferdinand IV Großherzog der Toskana. Kirschner hatte den Zubau dem Altbau völlig angepasst, so dass man auf den ersten Blick glauben konnte, dass es sich um ein Gebäude aus einem Guss handeln würde.

Erst zwanzig Jahre später erhielt das Jagdschloss sein heutiges Aussehen. Damals war es bereits etwas in die Jahre gekommen und bedurfte einer Renovierung. Vor allem die hölzernen Bauteile wie Zimmerdecken, Trame und Fußböden mussten erneuert werden. Um dem gelegentlich etwas unfreundlichen und nassen Wetter besseren Widerstand zu leisten, wurde die Fassade im Obergeschoß mit Holzschindeln verkleidet. Im Erdgeschoß erhielt sie einen neuen Anstrich. Es kam jedoch zu Verzögerungen, da die erforderlichen Holzschindeln kurzfristig nicht zur Verfügung standen. Der mit der Renovierung beauftragte Baurat Franz Ritter von Neumann setzte dem Obergeschoß eine etwas eigenwillige Dachlandschaft auf. Die auffallendste Veränderung waren die mächtigen spitzen Dächer, die den zu Türmen (zwei an den Ecken und einem in der Mitte) gewordenen Risaliten aufgesetzt wurden. Die Arbeiten wurden vom Baumeister Alois Seebacher und dem Zimmermann Franz Schreiner 1902 durchgeführt. Seit damals blieb das Äußere des Jagdschlosses weitgehend unverändert. Die Einrichtung der Räume war von Anfang an zweckmäßig, aber künstlerisch unbedeutend. Bemerkenswert war lediglich die häufige Verwendung von Wacholderholz, das ansonsten im Möbelbau nicht sehr geschätzt war. Wie bei Jagdsitzen üblich, waren die Innenwände des Vestibüls und anderer Räume dicht mit Jagdtrophäen behängt. Zum Repräsentieren wurde das im Erdgeschoß befindliche Spielzimmer oder der Speisesaal genutzt. Das Spielzimmer wird heute von einem großen Billardtisch dominiert, der aber erst 1895 angekauft wurde. Unter der Holzdecke des Speisesaales stand ein großer ovaler Tisch für maximal 20 Personen. In der Mitte einer Schmalseite befindet sich ein stattlicher weißer Kamin. Rechts und links von ihm hingen großformatige Tierbilder eines Hirsches und einer Gemse von Franz Xaver von Pausinger. Sie wurden später an die nördliche Längswand verlegt, wo sie die zahlreichen kleinformatigen Kupferstiche von Johann Elias Ridinger ersetzten. Das Zimmer links vom Eingang wurde vom Verwalter bewohnt, doch wurde es in der Jagdsaison dem Jagdleiter zur Verfügung gestellt. Die restlichen Räume im Erdgeschoß waren Gästezimmer und Dienerquartiere. Wegen der Brandgefahr und der möglichen Geruchsbelästigung gab es im Jagdhaus keine Küche. Diese war in einem Gebäude im Park eingerichtet. Im Stiegenhaus hingen neben Bilder mit Jagdmotiven einige geschnitzte Holzreliefs. Das Appartement des Kaisers lag im Obergeschoß, ebenso das seiner Stammgäste. Der größte dortige Raum diente gelegentlich als Empfangssalon. An diesen schloss das Arbeitszimmer des Kaisers an. Auch die wenigen hier befindlichen Möbel waren aus Wacholderholz gefertigt. Besonders einfach eingerichtet war das Schlafzimmer. Die Möblierung bestand aus einem Eisenbett, einem Waschtisch, einem Betschemmel und einem Tisch. Zum Wandschmuck zählten ein Kruzifix und mehrere Kupferstiche. Prinz Leopold von Bayern und Kronprinz Rudolf bewohnten die anschließenden Räume. Sie waren ähnlich eingerichtet. Unbekannt ist, wo die Bewachungsmannschaft untergebracht war. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass es keine gab, bzw. dass für die Sicherheit der Gendarmerieposten Mürzsteg zuständig war. Die hier versammelten zahlreichen gekrönten Häupter und sonstigen Staatsmänner wären in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die internationalen Anarchisten ein hervorragendes Ziel gewesen. Franz Joseph hatte ja sogar seine Gattin bei einem sinnlosen Attentat in Genf verloren. Interessante Ziele wären auch König Milan von Serbien und König Alfons von Spanien gewesen, die 1883 an den Herbstjagden teilnahmen.

Das Jagdschloss diente auch innerhalb der kaiserlichen Familie als beliebter Aufenthaltsort. Im Jahr 1883 wurde für Kaiserin Elisabeth, die eine begeisterte und sehr gute Reiterin war, aber nicht an den Jagden teilnahm, ein Reitsteig vom Kuhhörndl zum Hocheck angelegt. Drei Jahre später, wurde der Park um das Jagdhaus gestaltet und eine Wasserleitung in das Haus geleitet. Kaiser Franz Joseph nahm zuletzt 1905 an einer Jagd im Revier Mürzsteg teil. Er besaß natürlich etliche Jagdschlösser in allen Teilen der Monarchie. Mürzsteg war aber wie die Kaiservilla in Bad Ischl etwas Besonderes. Um ihm eine Freude zu machen, wurde es für die Internationale Jagdausstellung 1910 im Wiener Prater im Maßstab 1 zu 1 nachgebaut. Es diente am Ausstellungsgelände als Gegenstück zur Rotunde, mit der es durch eine lange und breite Straße verbunden war. Der Nachbau war mit originalen Möbel und Dekorationen aus Mürzsteg und anderen kaiserlichen Jagdschlössern eingerichtet. Nach Beendigung der Ausstellung wurde die Kopie des steirischen Jagdschlosses wieder abgerissen. Franz Josephs Großneffe und Nachfolger Kaiser Karl II hielt sich ebenfalls gerne in Mürzsteg auf. Noch im Oktober 1918, also wenige Tage vor dem Untergang der Monarchie verbrachte er hier einige Tage der Erholung und der Jagd. Nach dem Ende der Monarchie wurde das Jagdschloss dem Kriegsgeschädigtenfonds übertragen, obwohl es nie Staatsbesitz sondern habsburgisches Privateigentum war. Mit den Hofjagden war es natürlich endgültig vorbei. 1921 wurde das Schloss für öffentliche Besichtigungen freigegeben. Um den Nahrungsmittelmangel unmittelbar nach dem Ersten, aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg zu lindern, wurde damals der Park der örtlichen Bevölkerung zum Gemüseanbau zur Verfügung gestellt. Einzelne Zimmer des Schlosses wurden an Feriengäste vermietet. Der habsburgerfreundliche Ständestaat ermöglichte es den Mitgliedern der kaiserlichen Familie die 1918/19 verstaatlichten Vermögensteile zurückzubekommen. Mürzsteg wurde im Jänner 1938 an Otto Habsburg, den Sohn des letzten österreichischen Kaisers und nunmehrigen Familienchef restituiert. Allerdings konnte er sich nicht lange daran erfreuen, da es bereits im März des gleichen Jahres zum erzwungenen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich kam und die Nationalsozialisten Otto des Hochverrats bezichtigten und sein Vermögen neuerlich beschlagnahmten. Das Jagdschloss Mürzsteg, in dem in der Zwischenzeit ein Standesamt eingerichtet worden war, wurde 1940 den Deutschen Reichsforsten zur Verwaltung übergeben. Von März 1945 bis Ende Juli 1945 wurden im Schloss die ungarische Stephanskrone und andere Krönungsinsignien aufbewahrt, die der ungarische Regierungschef Ferenc Szalasi auf seiner Flucht vor den russischen Truppen, die bereits vor Budapest standen, in die Steiermark mitgenommen hatte. Danach wurden sie in einem Fass im Mattsee versenkt, aber von den Amerikanern geborgen und erst viele Jahre später der ungarischen Regierung übergeben. Mürzsteg war von Mai bis Ende Juli 1945 von russischen Truppen besetzt. Diese mussten aber wieder abziehen, da die Steiermark zur britischen Besatzungszone erklärt wurde. Das Schloss hatte den Weltkrieg unversehrt überstanden und auch keine Plünderungen durch russische Soldaten erlitten, da es ein russischer General unter seinen Schutz gestellt hatte, als er erfuhr, dass der russische Zar Nikolaus II hier gewohnt hatte. 1947 wurde Schloss Mürzsteg nicht zuletzt wegen seiner Lage außerhalb der russischen Besatzungszone und der guten Bahnverbindung zum offiziellen Sommersitz der österreichischen Bundespräsidenten bestimmt. Es wird bis heute – im unterschiedlichen Ausmaß – von diesen genutzt. Zuvor musste es aber noch technisch modernisiert werden (Sanitäranlagen, Telefon, elektrisches Licht usw). Zweimal wurde hier internationale Politik gemacht. Nachdem 1903 der Kaiser und der russische Zar über eine Neuordnung am Balkan konferiert hatten, was zu den Mürzsteger Beschlüssen geführt hatte, fanden hier 1994 Friedensverhandlungen zwischen den Präsidenten Ugandas und des Sudans statt. Zu den Staatsgästen der Zweiten Republik zählten u. a. König Hussein von Jordanien und der Schah von Persien.

Lage: am Nordrand des Ortes

Ort/Adresse: 8693 Mürzsteg

Besichtigung: aus Sicherheitsgründen ist eine Besichtigung des Inneren meist nicht möglich


Weitere Literatur:


23.10.2018