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Wien - Süßenbrunn


1320 wird im Dorf Prunn im südlichen Marchfeld erstmals ein Festes Haus erwähnt. Damals übergab Dietrich von Pillichsdorf, Marschall von Österreich und Vormund seiner Nichte Cathrein, das bisher von ihm verwaltete Gut seinem Mündel, da dieses offenbar kurz zuvor geheiratet hatte. 1529 wurde die Ortschaft durch die auf Wien vorrückenden Türken völlig zerstört und blieb in der Folge öde. Sie musste um 1583 durch den damaligen Herrschaftsinhaber Urban Süeß, dem kaiserlichen Superintendent von Raab, neu besiedelt werden. Er ließ auch das Schloss errichten. Der Name der Ortschaft wechselte von Prunn auf Süßenbrunn. Auf Süeß folgte 1591 als Schlossherr Sigmund Freiherr von Landau, der die Herrschaft durch Zukäufe der Dörfer Aderklaa und Gerasdorf weiter ausbaute und das Schloss vergrößerte. Als eifriger Anhänger des Reformators Martin Luther stellte er in Süßenbrunn, wie auch auf seinen sonstigen Gütern, evangelische Prediger an. Da er und seine Familie in der Gegenreformation ihren Glauben nicht aufgeben wollten und von Kaiser Ferdinand II der Rebellion bezichtigt wurden, verloren seine Söhne 1620 ihre gesamten Güter und mussten das Land verlassen. Schloss Süßenbrunn wurde bereits zwei Jahre später ein Opfer des Dreißigjährigen Krieges. Der Kaiser verkaufte die Halbruine dem kaiserlichen Rat Wolff Sigmund von Losenstein, nachdem sich dieser verpflichtet hatte, auf seinen Besitzungen keine andere Religion als die katholische zu dulden. Um 1647 kam es zu Plünderungen durch Schwedische Truppen. Ab 1660 gehörte Süßenbrunn den Fürsten Auersperg. 1667 hatte Adam Anton Freiherr von Grundemann die Herrschaft von Johann Weikhardt Fürst Auersperg übernommen. In einem Visitationsbericht wird 1677 eine Schlosskapelle erwähnt, in der die Messen wieder nach katholischem Ritus gehalten wurden.

1693 wurde eine neue Glocke für die Schlosskapelle angeschafft. 1802 gelangte Süßenbrunn an den Freiherrn Georg Wilhelm von Walterskirchen, was aber kein glücklicher Zeitpunkt war, da bereits sieben Jahre später napoleonische Truppen das Schloss und besonders die Kapelle verwüsteten. 1813 wird Johann Graf Kokorzowa als Schlossherr erwähnt, auf den schon 1816 Johann Josef Freiherr von Bartenstein folgte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich das Schloss im Besitz der Grafen Dubsky von Trebomyslice, die einige Umbauten im Stil des Historismus vornahmen. So wurde um 1850 die Fassade erneuert. Ihr bekanntestes Mitglied war die Schriftstellerin Marie Ebner von Eschenbach. Zu den späteren Eigentümern gehörte Adolf Boesch, der 1905 einen bemerkenswerten Taubenschlag mit dem Aussehen einer von neugotischen Türmen beschützten Burg errichten ließ. Möglicherweise diente er auch nur als Hühnerstall. 1926 erwarb die Theresianische Akademie in Wien den 200 ha großen Landsitz, um mit der damals dort noch vorhandenen landwirtschaftlichen Produktion die Versorgung ihrer Zöglinge zu verbessern. Von 1933 bis 1938 beherbergte Schloss Süßenbrunn ein Kinderheim. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es geräumt, gerade rechtzeitig, denn zu Kriegsende wurde es von den nach Wien vorrückenden russischen Truppen schwer beschädigt. Nach dem Abzug der Russen erfolgte die Behebung der Kriegsschäden. Die Landwirtschaft wurde bis in die 1970er Jahre weitergeführt, dann aber verpachtet. Heute gehört das ehemalige Gut dem Unternehmer Ludwig Reiter, der es 2008 übernahm und seither hier eine renommierte Schuhmanufaktur betreibt.

Das U-förmige Schloss ist von einem großen Garten umgeben, der auch heute noch durch eine Mauer vom benachbarten Ort getrennt ist. Er bestand ursprünglich aus einem Obst-, einem Küchen- und einen kleinen Englischen Garten, ist jedoch heute völlig verwildert. Das Grundstück liegt im Nordteil von Süßenbrunn, das heute ein Ortsteil des 22. Wiener Gemeindebezirks Donaustadt ist. An der nördlichen und westlichen Grundgrenze liegen langgestreckte barocke Wirtschaftsgebäude, in denen der jetzige Eigentümer seine Schuhwerkstätten eingerichtet hat. Das eigentliche Schloss ist ein zweigeschossiges Gebäude, dessen Schauseite dem Ort zugewendet ist. Ihre Mitte wird durch einen viereckigen Turm betont, der ursprünglich mit einer Uhr geschmückt war. Heute wird die Turmfassade im letzten Stock durch eine Gruppe von Rundbogenfenster aufgelockert. Unterhalb des flachen Zeltdaches läuft ein Fries um den Turm. In seinem ersten Stock befindet sich ein hoher Saal, der als Sommerspeisesaal diente. Er wird durch drei hohe Rundbogenfenster beleuchtet, denen ein Balkon vorgelagert ist. Beiderseits des Turmes schließen fünfachsige Seitenflügel an. Sie enthielten im Erdgeschoß neben der Kanzlei sieben und im Obergeschoß zwölf Wohnräume. Der Ehrenhof des Schlosses befindet sich an seiner Rückseite Hier dürfte früher die Schlosskapelle gelegen sein, doch ist sie seit vielen Jahren profaniert und als Sakralraum nicht mehr zu erkennen. Zuletzt wurde sie in den Dreißiger-Jahren des 20. Jahrhunderts für das Kinderheim im neugotischen Stil adaptiert. Das Schloss steht heute leer und harrt seiner wohlverdienten Revitalisierung. Zeitdruck besteht nicht, da seine Walmdächer erst vor einigen Jahren neu gedeckt wurden. Im Obergeschoß haben sich einige einfache Stuckdecken aus dem 17. Jahrhundert erhalten. Zu den Nebengebäuden gehört auch ein mit einem Glockenturm versehener Schüttkasten, der im Äußeren durch seinen hohen Volutengiebel und den Blendarkaden einer Kirche ähnelt. Im Inneren zeigt er eine offene Holztramdecke. Nordwestlich des Schlosses liegt das zweigeschossige ehemalige Verwalterstöckl, das im Giebelfeld des Mittelrisalites ein Wappen der Grafen Dubsky von Trebomyslice zeigt. Inmitten des früheren Obstgartens liegen die von Efeu überwucherten Reste einer Statue von Victor Tilgner (um 1880), die eine Wassernymphe zeigte. Der einst dazugehörige Brunnen ist kaum noch zu erkennen. Auf dem hinteren Teil des Schlossareals befinden sich eine Reithalle und ein Turnierplatz.

Ort/Adresse: 1220 Wien, Süßenbrunner Hauptstraße 9/Weingartenallee 2

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


20.07.2018