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Salzburg - Mirabell


Wenn es das verbotene Liebesverhältnis zwischen dem Salzburger Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau (1559 – 1617) und der um acht Jahre jüngeren Kaufmannstochter Salome Alt nicht gegeben hätte, würde es heute auch kein Schloss Mirabell geben. Um 1580 erfreuten sich die Salzburger Domherren nicht gerade des Rufes besonderer Frömmigkeit. Sie waren meist zweitgeborene Mitglieder adeliger Familien und waren für den geistlichen Beruf bestimmt, da sie keine Aussicht hatten, den Familienbesitz zu erben. Eine zweite Versorgungsmöglichkeit wäre lediglich eine militärische Karriere gewesen. Diese hätte auch Wolf Dietrich von Raitenau bevorzugt, doch hatte seine Familie anders entschieden. So ist es zu verstehen, dass er bereits mit 12 Jahren Stiftsherr und mit 16 Jahren Domprobst von Basel wurde. Im Alter von 28 Jahren wurde er 1587 in einer Zeremonie zum Priester und gleich auch zum Erzbischof von Salzburg geweiht. Wichtig waren vor allem die Einnahmen aus diesen Ämtern. Wie auch bei vielen anderen geistlichen Renaissancefürsten üblich, hielt er sich eine Mätresse. Zölibat hin oder her, jedenfalls entstanden aus dieser Verbindung 15 Kinder. Für die Familie Alt waren die Salzburger Altstadt und die ihr zugewiesenen Gemächer in der Residenz bald zu beengt. Salome war eine bürgerliche Hausfrau, die für ihre Familie lebte und sich von der Politik fern hielt. Wolf Dietrich war ebenfalls ein Familienmensch und hätte sein Verhältnis gerne durch eine Heirat legitimiert, doch war dies selbst für einen Fürsterzbischof, der mit absoluter Macht regierte damals nicht möglich. Seine mehrfachen Ansuchen beim Papst wurden abgelehnt oder gar nicht beantwortet. Er beschloss daher, seine Familie außerhalb der Stadt, aber nahe genug, um sie täglich besuchen zu können, anzusiedeln.

Ein geeigneter Baugrund war bald gefunden. Etwa 200 m außerhalb der Stadtmauer befand sich am rechten Ufer der Salzach im Augebiet ein flacher Schwemmkegel, der auch bei Hochwasser nicht überflutet wurde. Auf ihm entstand in den Jahren 1605/1606 ein ansehnliches Lustschloss, dem er nach Salomes Familiennamen die Bezeichnung „Altenau“ gab. Es war eine burgartige Anlage mit einem kupfergedeckten Turm in der Mitte. Von diesem mehrstöckigen Gebäude ist noch ein Teil in der Südwestecke des heutigen Schlosses erhalten. Architekt war der Italiener Vincenzo Scamozzi. Das Schloss wurde angeblich innerhalb von sechs Monaten errichtet. Zeitgenössische Besucher berichten von einem großen herrlichen Gebäude, das von schönen Gärten umgeben war. Das Innere soll prächtig ausgestattet gewesen sein. Um den sozialen Unterschied zwischen einer Kaufmannstochter und dem Fürsterzbischof zu verkleinern, verlieh Kaiser Rudolf II auf Ansuchen Wolf Dietrichs Salome Alt das Prädikat „von Altenau“. Wolf Dietrich konnte sein Lustschloss aber nicht lange nutzen, da er bald und nicht nur wegen der immer wieder hervorgehobenen Salzhandelsrechte mit Herzog Maximilian von Bayern in ernste Konflikte geriet. Militärisch war er seinem Nachbar deutlich unterlegen und Diplomatie war ohnehin nicht seine Stärke. Als offene Feindseligkeiten ausbrachen, flüchtete Wolf Dietrich, wurde aber 1612 gefangen genommen und als Fürsterzbischof abgesetzt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1617 wurde er zuerst auf der Burg Hohenwerfen und dann auf Hohensalzburg in Haft gehalten. Dafür sorgte sein Cousin, Markus Sittikus Graf von Hohenems, der von den Salzburger Domherren zu seinem Nachfolger als Fürsterzbischof gewählt worden war. Salome Alt wurde zwar finanziell abgesichert, musste aber mit ihren Kindern das Schloss verlassen. Sie zog zu Verwandten nach Wels, wo sie 1633 starb.

Markus Sittikus änderte sofort den Namen des Schlosses von Altenau auf Mirabell, um die Erinnerung an diese für einen Fürsterzbischof äußerst peinliche Liaison seines Vorgängers auszulöschen. Allerdings hatte er selbst sogar zwei Mätressen, die er aber nicht zu heiraten beabsichtigte. Markus Sittikus vergrößerte die Schlossgärten, nahm aber am Gebäude keine Veränderung vor. Als sein Nachfolger Paris Graf Lodron fürchtete, dass Salzburg in den Dreißigjährigen Krieg einbezogen werden könnte, ließ er die Stadt mit neuen Bastionen befestigen. Bei dieser Gelegenheit wurde Schloss Mirabell in das Stadtgebiet einbezogen. Es wurde zu seiner Sommerresidenz. Er hielt sich gerne hier auf, wo er auch 1653 starb. Fürsterzbischof Johann Ernst Graf Thun wollte dem bisher italienisch geprägten Salzburg ein damals „modernes“ barockes Aussehen geben. Der von ihm in das Fürsterzbistum geholte Stararchitekt Bernhard Fischer von Erlach leistete ganze Arbeit. Mirabell blieb aber vorerst davon verschont, da Fischer zwar etliche Pläne für Schloss und Garten lieferte, diese aber bis zum Tod des Landesfürsten 1709 nicht umgesetzt wurden. Erst dessen Nachfolger Fürsterzbischof Franz Anton Graf Harrach beauftragte Johann Lukas von Hildebrandt mit einem großzügigen Umbau. Die Arbeiten dauerten von 1721 bis 1726. Es entstand ein prächtiger spätbarocker Stadtpalast, der an der Ostseite über dem Mittelrisalit einen massiven Turm mit einem hohen, zweimal eingeschnürten Kuppelhelm besaß. Dieser war zwar bereits 1710 errichtet, aber erst durch Hildebrandt mit der Kuppel bereichert worden. Die beiden breiten Eckrisalite waren mit Mansarddächern gedeckt. Die Giebel der Risalite und die Attika waren mit Sandsteinfiguren und -vasen geschmückt. Mit der Säkularisation des Erzbistums von 1803 gelangte Mirabell in Staatsbesitz. Während der Bayernherrschaft von 1810 bis 1816 lebte hier Ludwig I als bayrischer Kronprinz. Hier wurde auch sein Sohn Otto, der später griechischer König wurde, geboren.

1816 wurde Salzburg wieder österreichisch und Schloss Mirabell kam als Sommerresidenz in kaiserlichen Besitz. Der Palast Hildebrandts ist in seiner ursprünglichen Form nicht mehr erhalten, da 1818 ein verheerender Stadtbrand auch Schloss Mirabell weitgehend ruiniert. Dabei wurden der mächtige Turm über dem Hauptportal sowie der gesamte Ostflügel zerstört. Durch den Einsturz der Dächer wurden auch die Deckenfresken von Johann Michael Rottmayr und Gaetano Fanti, aber auch ein Großteil des kostbaren Inventars vernichtet. Lediglich der Westtrakt blieb weitgehend erhalten. Der klassizistische Wiederaufbau erfolgte unter Kaiser Franz II durch Peter von Nobile in stark vereinfachten Formen. So wurde auf den Mittelturm komplett verzichtet, was heute den Gesamteindruck stark beeinträchtigt. Nach dem Brand wurde auch die von Hildebrandt errichtete sala terrena abgetragen. Nach den Wiederherstellungsarbeiten wurde das Schloss weitgehend vermietet. Von 1850 bis 1865 residierte hier der Salzburger Erzbischof Kardinal Maximilian Ritter von Tarnoczy. Ab 1854 bis zu seinem Ableben 1858 lebte hier in einer kleinen Wohnung als Gast des Kaisers der Kapuzinerpater Joachim Haspinger, der Freund und Kampfgenosse Andreas Hofers, den er im Aufstand der Tiroler und Salzburger gegen Napoleon tatkräftig unterstützt hatte. Im Krieg Österreichs gegen Preußen von 1866 war im Schloss ein Lazarett eingerichtet. Im gleichen Jahr kam der Mirabellgarten als kaiserliche Schenkung in den Besitz der Stadt. Vier Jahre später konnte sie auch das Schloss erwerben. Allerdings nutzte sie es kaum. 1906 gab es den Plan, Schloss Mirabell als Kurhaus zu führen, was aber nicht verwirklicht wurde. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg hatten hier verschiedene Privatpersonen Wohnungen, u. a. auch der Präsident der Salzburger Festspiele. Seit 1950 ist es Sitz des Salzburger Bürgermeisters und der Stadtverwaltung. Im Südflügel der Orangerie befand sich von 1973 bis zu seiner Schließung im Jahr 2012 das Salzburger Barockmuseum.

Das Schloss ist ein dreigeschossiges vierflügeliges Gebäude um einen weitläufigen Innenhof. Die zum Mirabellplatz gerichtete Straßenfront Nobiles wirkt mit ihren 18 Fensterachsen etwas langweilig. Lediglich ihre Mitte wird durch einen flachen, dreiachsigen, übergiebelten Mittelrisalit etwas belebt. Dies ist vor allem auf das triumphbogenartige Portal mit den einen Balkon stützenden Säulen und den Riesenpilastern in den Obergeschossen zurückzuführen. Die Hofseite des Parktraktes im Westen hat aber noch ganz das Hildebrandt’sche Aussehen behalten. Die mittleren drei Fensterachsen sind hier um eine Achse in den Hof vorgezogen. Besonders die ovalen Oberstockfenster mit ihrem verschlungenen Ranken- und Riemenwerk sind für ihn charakteristisch. Im Inneren blieben vom Werk Hildebrandts lediglich drei wesentliche Repräsentationsräume vom Feuer verschont, nämlich das schwungvolle Treppenhaus, der prächtige Marmorsaal und die zweigeschossige Schlosskapelle. Zum Treppenhaus gelangt man durch eine zwischen dem Hof und den Gärten gelegene Eingangshalle. Mit seinen zarten Stukkaturen im Stil des frühen Rokokos ist die „Engelsstiege“ wohl der schönste Teil des Schlosses. Die Treppe läuft an drei Seiten eines quadratischen Schachtes und wird von zwei Absätzen unterbrochen. In den Wandnischen stehen überlebensgroße mythologische Figuren. An der Innenseite der Treppe sind die freistehenden Pfeiler mit einer durchbrochenen, reichverzierten Balustrade aus weißem Marmor verbunden. Auf ihr sitzen spielende Putti, die zum Teil Bronzelampen tragen. Sie und auch die Nischenfiguren stammen aus der Werkstatt von Georg Raphael Donner. Das Deckenfresko war vermutlich von Gaetano Fanti, hat aber den Stadtbrand nicht überstanden. Besonders repräsentativ ist auch der zweigeschossige Marmorsaal in der Mitte des Westtraktes, der heute dem städtischen Standesamt als Trauungssaal dient, sofern nicht gerade Konzerte oder andere Veranstaltungen in ihm stattfinden. Er wurde von Jakob Gall reich mit vergoldetem und weißem Stuck dekoriert. Die Wände sind durch nach unten verjüngte Hermenpilaster gegliedert. Sie sind mit Stuckmarmor belegt, während der Fußboden, die Türpfosten und die Kamine aus echtem Marmor gearbeitet sind, wobei die Brauntöne überwiegen. In der südöstlichen Ecke des Schlosses liegt die Kapelle. Sie wurde ebenfalls sehr aufwändig gestaltet. An den vierjochigen Saal schließt eine Rundapsis an. Die dominierenden Elemente sind die gekrümmten Stuck- und Marmorflächen zwischen den kannelierten Pilastern, sowie die Balustrade der Empore, von der aus die Fürsterzbischöfe am Gottesdienst teilnahmen. Der mächtige Altar ist eine Säulenkonstruktion aus rotem und grauem Marmor mit goldenen Figuren und einer goldenen Baldachinkrone.

Zum Gesamtkunstwerk Mirabell gehören natürlich auch die ausgedehnten Gärten, die sich westlich und südlich des Schlosses erstrecken. Sie haben ihr barockes Gepräge weitgehend behalten. Sie entstanden ab 1687 im Auftrag von Fürsterzbischof Johann Ernst Graf Thun nach Entwürfen von Johann Fischer von Erlach und wurden 1730 durch Franz Anton Danreiter entscheidend verändert. Dieser war fürsterzbischöflicher Hofgarteninspektor. Er gab dem Park sein heutiges Gepräge. Die Hauptachse des Gartens ist nicht wie üblich auf die Schauseite des Schlosses ausgerichtet, sondern auf die Türme des Doms und die dahinterliegende Festung Hohensalzburg. Ottavio Mosto war 1690 der Schöpfer zahlreicher Parkplastiken, wie der überlebensgroßen Figurengruppen der vier Elemente, die den Springbrunnen im Zentrum des Mirabellgartens umgeben. Aus der Zeit Salome Alts stammt noch ein kleiner Brunnen, der Susanne im Bade darstellt. Mit Fischer von Erlach verbindet man die riesigen urnenähnlichen Vasen, die die Anlage bereichern. Auch das Vogelhaus ist ein Werk des 17. Jahrhunderts. Eine besondere Sehenswürdigkeit stellt der, auf einer durch die Befestigungsanlagen entstandenen Terrasse liegende Zwerglgarten mit seinen grotesken Marmorfiguren von Gnomen und Narren dar, der um 1715 angelegt wurde. Sie erinnern an die damalige Mode der Hofzwerge, die im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitet war. Einstmals sollen bis zu 28 Zwerge den Bastionsgarten bevölkert haben. Der bayrische Kronprinz Ludwig ließ sie aber versteigern, da er fürchtete, dass seine Frau, die damals schwanger war sich „verschauen“ und ein ähnliches Kind zur Welt bringen könnte. Einige von ihnen konnten nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurückerworben werden, einige stehen noch im Park von Schloss Leopoldskron. Vor dem Zwerglgarten steht inmitten eines Brunnens die in Kupfer getriebene Figur des Pegasus. Sie wurde 1661 im Auftrag von Fürsterzbischof Guidobald Graf Thun vom Innsbrucker Hofbildhauer Kaspar Gras geschaffen und ursprünglich am Kapitelplatz aufgestellt. Nach mehrfachen Umsiedlungen kam der Pegasus 1913 endgültig hierher. Der Aufgang zum Basteigarten wird von zwei großen steinernen Einhörner bewacht, die vermutlich von Michael Bernhard Mandl um 1706 für Schloss Klessheim angefertigt wurden. Der Park war ursprünglich nur zur Belustigung des Fürsterzbischofs bestimmt, doch ließ ihn Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo zumindest an Sonn- und Feiertagen für seine Untertanen öffnen. 2001 wurden die zahlreichen Blumenrabatte den Originalen des 17. Jahrhunderts nachgebildet. Ein wenig abseits liegt das älteste Heckentheater im deutschen Sprachraum, das zwischen 1710 und 1718 von Mathias Diesel geschaffen wurde. Unmittelbar dahinter hatte man 1877 das „Zauberflötenhäuschen“ aufgestellt, das zuvor in einem Hof des Wiener Freihauses stand und in dem Mozart 1791 seine „Zauberflöte“ komponierte.

Ort/Adresse: 5010 Salzburg, Mirabellplatz

Besichtigung: Schloss Mirabell ist ein öffentliches Gebäude, das teilweise frei zugänglich ist


Weitere Literatur:


11.07.2018