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Palais Ehrbar


Friedrich Conrad Ehrbar war ein typischer Aufsteiger der Wiener Gründerzeit. Er war aus Deutschland als einfacher Handwerker nach Wien gekommen, wo er in der Klavierfabrik Eduard Seuffert tätig war. Einer seiner dortigen Arbeitskollegen war übrigens Heinrich Steinweg, der später seine Klaviere unter dem Namen Henry Steinway mit großem Erfolg verkaufte. Aber auch Ehrbar machte Karriere, als er in der Klavierfabrikation Gusseisenrahmen einführte, die Witwe seines Chefs heiratete und schließlich dessen Firma übernahm. Er ließ in den Jahren 1876/77 durch den Architekten Josef Weninger ein Wohnpalais im Stil des Strengen Historismus errichten, das auch nach ihm benannt wurde. Zum Palais gehörte auch das benachbarte Eckhaus, das von Ferdinand Berehinak für Friedrich Ehrbars gleichnamigen Sohn erbaut wurde. In ihm befindet sich neben kleineren Räumen ein prächtiger zweigeschossiger Konzertsaal, der von Julius Schrittwieser 1877 eingerichtet wurde. Er war damals neben dem Großen Musikvereinssaal und dem 1913 abgerissenen Bösendorfersaal der einzige, ausschließlich Konzertveranstaltungen gewidmete Saal in Wien. 1911 bekam er mit dem Einbau einer Galerie seine heutige Gestalt. In ihm sind um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts viele hervorragende internationale Künstler wie Johannes Brahms, Anton Rubinstein, Pietro Mascagni, Arnold Schönberg, Anton Bruckner und Gustav Mahler aufgetreten. Leider wurden die Ehrbar-Säle bereits im Ersten Weltkrieg zweckentfremdet als Lazarett und Vorratsräume genutzt. Anschließend dienten sie als Fabrikationsstätten und Lager einer Tischlerei. 1937 wurden sie notdürftig restauriert und wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland wurden die Eigentümer enteignet und sowohl das Palais als auch der Konzertsaal arisiert. Im Zweiten Weltkrieg dienten die inzwischen herabgekommenen Säle neuerlich als Lagerstätten. 1946 wurde der Hauptsaal durch den Direktor Prayner renoviert und von seinen Übertünchungen befreit. Dabei wurden die Vergoldungen des Stucks wieder freigelegt und der Originalzustand des Saales wieder hergestellt. Im November 1946 wurde der Ehrbar-Saal mit einem Festkonzert der Wiener Philharmoniker wieder in das Konzertangebot der Stadt Wien eingegliedert. Vor allem seit 2005 finden hier regelmäßig Konzerte mit erstklassigen internationalen Interpreten statt. Das Palais ist heute Sitz des Prayner Konservatoriums, das der musikalischen Ausbildung nationaler und internationaler Studenten dient

Die Fassade in der Mühlgasse 28 weist ein relativ hohes gequadertes Sockelgeschoß auf, in dem sich neben einigen großen Rundbogenfenster auch das rundbogige Portal befindet. Die Portalzone wird durch zwei Diamantquader-Streifen betont. Die beiden darüber liegenden Geschosse sind reich mit Neo-Renaissancemotiven geschmückt. Besonders aufwendig ist der in den beiden Hauptgeschossen von zwei Pilastern mit korinthischen Kapitellen begrenzte dreiachsige Mittelrisalit. Ein wuchtiger halbkreisförmiger Balkon mit einem schönen Schmiedeeisengitter springt über dem Portal im ersten Stock markant vor. Er stützt sich auf Konsolen und eine muschelartige Bodenplatte. Die Fenster der Beletage zeigen abwechselnd dreieckige und segmentbogenförmige Verdachungen. Die Parapete sind mit Blendbalustraden ausgestattet. Über dem Mittelfenster weist eine große Inschrifttafel in vergoldeten Lettern auf den Bauherrn hin. Über den einfacheren Fenstern des dritten Geschosses läuft ein Zahnschnittfries über die ganze Fassade. Das Attikageschoß ist deutlich schlichter gehalten. Seine wesentlich kleineren Fenster weisen gesprengte Segmentbogenverdachungen auf. Die Gebäudemitte wird hier durch ein von Greifen gehaltenes Wappen betont. Nach oben hin wird die Fassade durch ein kräftiges Kranzgesims abgeschlossen. Im Inneren sind vor allem das Foyer und das Treppenhaus mit ihren Kassettendecken und ionischen Pilastern bemerkenswert. Der Ehrbar-Saal liegt im angrenzenden Eckhaus Mühlgasse 30. Dessen fünfgeschossige Fassade wird in den mittleren drei Etagen durch Erker und Putzfelder gegliedert. Die abgefaste Hausecke trägt ein von drei halbrunden Giebeln begrenztes Pyramidendach mit Helm. Der Ehrbar-Saal wird durch korinthische Riesenpilaster und Kandelabersäulen gegliedert. An seiner Stirnseite ist ein von Hermenpilaster flankiertes Porträtmedaillon von Kaiser Franz Josef angebracht.

Ort/Adresse: 1040 Wien, Mühlgasse 28/30

Besichtigung: meist nur bei Konzerten möglich


Weitere Literatur:


19.04.2018