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Wien - Leopoldsberg


Welcher Schüler aus Wien oder Niederösterreich kennt nicht die Geschichte vom Hl. Leopold (Markgraf Leopold III von Babenberg, der mit seiner Gattin Agnes kurz nach ihrer Heirat am Söller seines Schlosses am Gipfel des heutigen Leopoldsberges stand, als ein starker Windstoß den Schleier der Markgräfin entführte. Seine unbeschädigte Auffindung nach acht Jahren soll zur Gründung des Stiftes Klosterneuburg geführt haben. Leider ist dies nur eine hübsche Legende ohne Wahrheitsgehalt. 1105 gab es am damals noch unwirtlichen Kalenberg, wie der Leopoldsberg bis 1683 hieß, sicher noch keine landesfürstliche Burg, geschweige denn ein repräsentatives Schloss. Möglicherweise befand sich hier eine hölzerne Warte. Leopold III lebte übrigens im Klosterneuburger Fürstenhof. Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen über die Errichtung der Burg, doch dürfte diese erst kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts erfolgt sein. Um 1250 lebte hier angeblich die Herzogin Gertrude. 1287/88 hatten Herzog Albrecht I und seine Familie hier Schutz vor den aufständischen Wienern gesucht. 1351 wird die im Turm befindliche Georgskapelle erwähnt, die kurz zuvor durch Johanna von Pfirt, der Gattin Herzog Albrechts II, gestiftet worden war. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde die Burg nur wenig genutzt und vernachlässigt. Herzog Albrecht III ließ sogar einen Teil der Bauplastik nach Laxenburg bringen, wo sie zur Ausgestaltung des Alten Schlosses verwendet wurde. Unter Herzog Albrecht V wurde die bereits herunter gekommene Burg am damaligen Kalenberg restauriert. Da sie im 15. Jahrhundert in mehrere kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt wurde, ließ Kaiser Friedrich III zwecks besserer Verteidigungsmöglichkeit am Abhang des Kalenberges einen Tabor errichten. Dennoch wurde sie 1484 von den Truppen des ungarischen Königs Matthias Corvinus eingenommen. 1490 gehörte sie wieder den Habsburgern. Kaiser Maximilian I übergab die Anlage 1502 seinem Jägermeister Wolfgang Fueger, der sich danach Wolfgang Kalenberger nannte. Er war der letzte landesfürstliche Pfleger am Leopoldsberg.

Im Vorfeld der ersten Wiener Türkenbelagerung ließ König Ferdinand 1529 die Burg weitgehend zerstören, um den Türken keine Angriffsbasis zu bieten. Als 1557 auch der bereits baufällige Hauptturm gesprengt wurde, war ihr Schicksal endgültig besiegelt. Sie wurde zur Ruine. 1679 ließ Kaiser Leopold I auf einem Teil des Geländes eine kleine Kirche errichten, die heute zur Dominante des Berggipfels geworden ist. Vier Jahre später fand hier am Tag des Entsatzes der Stadt Wien eine Frühmesse statt, bei der der polnische König Sobieski ministrierte und der Kapuzinerpater Marco d’Aviano eine anfeuernde Predigt hielt. In den Jahren 1718 bis 1720 erfolgte ihr Ausbau zur heutigen zweitürmigen Anlage. Der damit betraute Wiener Hofarchitekt Antonio Beduzzi schuf im Auftrag von Kaiser Karl VI 1720 unmittelbar daneben auch ein eher schlichtes Schloss. Damals entstanden auch die Försterei, die zuletzt als Pfarrhof diente sowie die beim heutigen Tor liegenden Stallungen. 1786 wurden die letzten Reste der mittelalterlichen Burg abgetragen. Das ganze Areal gelangte 1787 an das Stift Klosterneuburg, das es heute noch besitzt, aber ständig verpachtet. 1791 brannte das Schloss ab, wurde jedoch bald wiederhergestellt. Von 1794 bis zu seinem Tod 1814 hatte sich der in österreichischen Diensten stehende Feldmarschall und Diplomat Charles Joseph Fürst de Ligne in einem Teil der Gebäude eingemietet. Er ließ die Innenausstattung erneuern. Ein weiterer Mieter war ab 1814 Fürst Johann I von und zu Liechtenstein, der umfangreiche Umgestaltungen vornehmen ließ. Die schweren Kriegsschäden von 1945 wurden bereits in der Nachkriegszeit wieder behoben. Bis 2007 bestand hier ein beliebtes Ausflugsrestaurant, das aber geschlossen wurde, da es den modernen Hygiene-Vorschriften nicht mehr entsprach. Das Stift Klosterneuburg dürfte am Burggelände kein großes Interesse mehr haben. Ansonsten hätte es dieses nicht zuletzt auf 100 Jahre dem Architekten Alexander Serda verpachtet, der zwar seit Jahren die Errichtung eines Hotels bzw. Restaurants plant, aber derzeit keine Bauarbeiten durchführt. Das Gelände ist nicht mehr öffentlich zugänglich. Auch die Kirche kann nicht besucht werden. Möglicherweise wird sie aber noch heuer wieder geöffnet werden

Die Lage der einstigen Burg war gut gewählt. Stand sie doch am Gipfel des östlichsten Ausläufers des Wienerwaldes und bot eine ausgezeichnete Aussicht auf das Wiener Becken, das immer schon Aufmarschgebiet aller aus dem Osten kommender Feinde war. Die mittelalterliche Anlage hatte ungewöhnlich große Ausmaße. Davon zeugen heute noch die Reste der teilweise gut erhaltenen Ringmauer. Der Zugang erfolgte durch die ausgedehnte, heute bereits völlig abgekommene Vorburg im Westen. Lediglich von ihrer Begrenzungsmauer sind noch kärgliche Reste zu sehen. Hingegen ist die nach Osten anschließende Hauptburg praktisch noch vollständig von der mittelalterlichen, aber teilweise erneuerten Wehrmauer umgeben. Sie war bis zu 2 Meter stark. Als Baumaterial wurden hauptsächlich Bruchsteine verwendet. Gut erhalten ist auch der früher wesentlich tiefere Graben, der der Wehrmauer vorgelegt ist. Von der ursprünglichen Bebauung des großen Burghofes hat sich kaum aufgehendes Mauerwerk erhalten. An ihre Stelle ist an der West- und der Nordseite ein an die Ringmauer angebauter hakenförmiger zweigeschossiger Baukomplex aus dem 17. und 18. Jahrhundert getreten, der dem Stift Klosterneuburg für seine wirtschaftlichen Bedürfnisse diente. Nachdem ein Brand 1892 größere Schäden angerichtet hatte, wurden die betroffenen Gebäude stark verändert wieder aufgebaut. Der umgebaute ehemalige Palas wurde im 19. und 20. Jahrhundert als Restaurant genutzt. Von ihm sind noch Reste vorhanden, die auf das 13. Jahrhundert zurückgehen. Der Bau ist 63 m lang und 11 m breit. In sein Obergeschoß wurde ein mit Habsburger-Gemälden geschmückter „Rittersaal“ eingebaut. Sein Äußeres wurde um 1830 gotisierend verändert. Unter Fürst Johann I von Liechtenstein entstand die neugotische Loggia, durch die man verleitet wird, dem Gebäude fälschlicherweise ein wesentlich höheres Alter zuzubilligen. An der Stelle des 1557 gesprengten Hauptturmes steht die nach der zweiten Wiener Türkenbelagerung ausgebaute, dem hl. Leopold geweihte Barockkirche. Es ist ein rechteckig ummantelter Zentralbau mit Vorhalle. Der Rundturm an der Südfront der Außenmauer wurde 1948 vom Bildhauer Mario Petrucci in eine Heimkehrer-Gedächtnisstätte umgestaltet. Von der Innenausstattung der spätromanischen Burg hat sich vor Ort natürlich nichts erhalten, doch wurden in der unmittelbaren Umgebung mehrere Spolien gefunden, die sich heute in Wiener Museen befinden. Sie zeigen, wie auch die nach Laxenburg verbrachten Marmorsäulen, dass die Babenberger und frühen Habsburger durchaus Wert auf ein gepflegtes Heim und eine künstlerische Ausstattung legten.

Lage: am Gipfel des Leopoldsberges

Ort/Adresse: 1190 Wien

Besichtigung: derzeit nicht möglich


Weitere Literatur:


22.02.2018