Der freistehende, 80 m hohe Schlossberg von Neulengbach dürfte aus strategischen Gründen wegen seiner weiten Aussicht schon von den Kelten und Römern zeitweise als Wachtposten genützt worden sein. Als um die Jahrtausendwende Teile des östlichen Niederösterreichs kolonisiert wurden, verlief hier der sog. Madjarenhag. Diese Verteidigungslinie der Ungarn bestand aus einzelnen Verteidigungsstellungen und Hausbergen, die aus Holz und Erde errichtet und durch ein System von Gestrüpp, geflochtenen Zäunen, Spitzpfählen und Gräben miteinander verbunden waren. Als diese Verhagung nachhaltig durchbrochen war, errichteten die vorrückenden Grafen ein Burgensystem. Neulengbach war ein wichtiger Stützpunkt in dieser Verteidigungslinie, die sich viele Kilometer durchs Land zog. Die Hochfreien von Lengenbach erbauten aber ihr erstes Festes Haus in Altlengbach, an der Stelle der heutigen Pfarrkirche. Erst um 1191 zogen sie in das leichter zu verteidigende Neulengbach im Zwiesel zwischen Labenbach und Anzbach, das damals seinen heutigen Namen erhielt. 1197 wird hier erstmals ein Otto von Lengenbach urkundlich erwähnt. Die damalige Burg war noch eine bescheidene Anlage, die aus einem Palas und zwei Türmen bestand. Ein kleiner Raum im Palas diente als einfache Burgkapelle. Sie war den Heiligen Johannes (dem Täufer) und Martin geweiht. Am Höhepunkt ihrer Macht besaßen die Lengenbacher mehr als 20 Burgen mit riesigem Grundbesitz, der von St. Pölten bis zum Riederberg reichte. Sie waren Domvögte von Regensburg, erloschen aber mit dem Tod Ottos V im Jahr 1236. Danach wurde die Burg von den Babenbergern eingezogen und landesfürstlich. Die Zeit Leopolds VI, des Glorreichen und Friedrichs des Streitbaren war die Glanzperiode der Burg. Unter den zahlreichen Gästen waren Minnesänger wie Ulrich von Liechtenstein, Neithart von Reuenthal und Gottfried von Totzenbach. Die nächsten Burgherren waren Ministeriale, die sich ebenfalls „von Lengenbach“ nannten aber die Herrschaft nur mehr als landesfürstliches Lehen hielten. Sie veranlassten die Aufstockung des Palas und die Erhöhung der Türme um zwei Stockwerke sowie einige Zubauten.
Nach einem Adelsaufstand ließ der Landesfürst ab 1310 die Burg einziehen und von Pflegern verwalten. Die Herrschaft gehörte zur Morgengabe Friedrichs des Schönen an seine Gemahlin Isabella von Aragon. Im 15. und 16. Jahrhundert verpfändeten die immer unter Geldmangel leidenden Habsburger Neulengbach mehrfach. So war 1549 Johann Hofmann zu Grünbühel Pfandinhaber der Burg. Ab 1565 befand sich Neulengbach im Besitz von Rudolf Khuen von Belasy. Er war ein Bruder des Salzburger Erzbischofs Johann Jakob Khuen von Belasy. 1573 gelang es Rudolf die Herrschaft käuflich zu erwerben. Er ließ um 1577 die mittelalterlichen Bauten durch einen heute unbekannten Baumeister in ein ausgedehntes Spätrenaissance-Schloss verwandeln. Da dafür dreimal so viel Platz benötigt wurde, als der Burgfelsen bot, mussten in dem steilen Gelände unterhalb der Westseite der Burg riesige Stützmauern und Unterkonstruktionen errichtet werden, wodurch die Anlage mehrstöckiger Kasematten ermöglicht wurde. Diese dienten als Basis für die Erweiterungsbauten der Familie Khuen. Bis heute hat das Schloss sein damals erhaltenes burgartiges Aussehen bewahrt. Rudolfs Sohn Johann Eusebius war einer der wenigen bedeutenden Gutsherren des östlichen Niederösterreichs, der dem Katholizismus treu blieb, währende seine Nachbarn größtenteils Anhänger des Protestantismus waren. Die Familie Khuen besaß Neulengbach bis 1646, als es durch Heirat in das Eigentum der Grafen Palffy von Erdöd überging. 1683 verteidigte Gräfin Sidonie Pálffy, geb. Liechtenstein die Burg erfolgreich gegen die türkischen Streifscharen, die den etwas tiefer liegenden Markt bereits in Schutt und Asche gelegt hatten. Seine Bewohner konnten sich zum Großteil in der Burg in Sicherheit bringen. Ab 1696 waren die Freiherren von Bartolotti-Partenfeld die neuen Schlossbesitzer. Darauf folgten von 1740 bis 1778 die Fürsten Lubomirski. Wetzlar Freiherr von Plankenstern, der die Herrschaft von 1778 bis 1797 besaß, vermietete das Schloss als Kaserne an das Regiment Kerpen, was sich nachteilig auf die Bausubstanz auswirkte.
Erst mit dem Bankier Graf Moritz von Fries, dem Neulengbach in den nächsten 26 Jahren gehörte und der für seinen luxuriösen Lebensstil bekannt war, brachen für das Schloss wieder freundlichere Zeiten an. Er ließ u. a. die Schlosskapelle protestantisch verändern und den bis dahin kahlen Burghügel in einen großen botanischen Garten umgestalten. Fast hundert Jahre lang (1823 – 1920) waren dann die Fürsten von Liechtenstein Schlosseigentümer. Sie benützten Neulengbach als Jagdschloss und richteten auf dem Schlossgelände einen Tiergarten ein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts befand sich im verpachteten Schloss eine Kuranstalt. 1912 vernichtete ein Brand den Dachstuhl und beschädigte große Teile des Westtraktes. Dabei wurden der Kapellenturm und ein Großteil der Inneneinrichtung zerstört. Im Ersten Weltkrieg waren in den noch benützbaren Gebäuden gefangene russische Offiziere untergebracht. 1920 kam Neulengbach an die Gemeinde Wien, die die Dächer erneuerte und das Schloss als Lehrmädchen-Erholungsheim adaptierte. 1938 musste die Gemeinde Wien Schloss Neulengbach der Deutschen Armee abtreten. Im Zweiten Weltkrieg waren hier eine Ausbildungsstätte der Wehrmacht und später ein Lazarett untergebracht. Kurz vor Kriegsende wurden die Gebäude durch einen dreitägigen Artilleriebeschuss schwer beschädigt und anschließend ausgeplündert. Während der russischen Einquartierung nach 1945 wurden die betroffenen Innenräume völlig devastiert. Sogar die Fußböden und Fensterrahmen dienten als Heizmaterial. Von 1952 bis 1960 kümmerte sich der Schlossverein Neulengbach um das Schloss, das er von der Gemeinde Wien erworben hatte. Danach ging es in zweifelhaften Privatbesitz über Seit 1962 ist die Grazer Familie Wakonig Eigentümer, die es bei einer Versteigerung erworben hatte. Sie begann mit ernsthaften Renovierungsarbeiten, doch war das Schloss wohl zu groß für die Finanzkraft einer Familie. 1967 wurde ein kleines Heimatmuseum in den ansonsten weitgehend leeren Räumen eingerichtet. Es ist längst geschlossen. Leider stellt der Besitzer das Schloss dieses kaum mehr für kulturelle Veranstaltungen, wie die Theateraufführungen der 70er Jahre zur Verfügung.
Die Burg liegt in beherrschender Lage auf einem bewaldeten Hügel über der Stadt. Von ihr aus konnten sowohl die wichtige Straße nach Wien, als auch die Verbindungen nach St. Pölten und Tulln kontrolliert werden. Ihr heutiges Aussehen erhielt sie ab 1500, doch bestand hier bereits im Mittelalter eine Höhenburg aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die ansonsten freistehende Hauptburg ist von einer 540 m langen äußeren Wehrmauer umgeben. Diese ist mit acht, aus Bruchsteinen errichteten Rundtürmen verstärkt. Sie stammt zum Teil noch aus dem späten 15. Jahrhundert, doch wurde sie im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts mit Ziegelmauerwerk aufgestockt. An ihrer Innenseite befand sich einst ein Wehrgang, der aber aufgegeben wurde, als man die kräftigen Stützbogen anlegte, um die Stabilität der Mauer zu erhöhen. Die darüber befindlichen Schießscharten wurden beibehalten. Die zum Teil an der Innenseite abgeflachten Rundtürme tragen Kegeldächer. Im Inneren sind sie meist mit Sternrippengewölben ausgestattet. Terrainerhöhungen im Inneren des Schlossareals lassen die Ringmauer hier wesentlich niedriger erscheinen als sie außen ist. Der Zugang zur Burg liegt an der Südseite. Der neunachsige Torbau ist zweigeschossig und durch zwei Rundtürme geschützt. Er ist in die Umfassungsmauer integriert und noch heute bewohnbar. Seine schlichte Fassade zeigt Steingewändefenster. Im Untergeschoß ist das Bruchsteinmauerwerk unverputzt. Das bemerkenswerte Renaissanceportal ist rustiziert. In seinem flachen Dreiecksgiebel wurde im 19. Jahrhundert ein großes Steinwappen der Familie Liechtenstein angebracht. Rechts und links neben dem Hauptportal ermöglichten Fußgängerpforten den Zutritt in den ausgedehnten äußeren Burghof. Dieser diente in Kriegszeiten einst der umliegenden Bevölkerung als willkommener Fluchtort. Die Burg Neulengbach wurde in ihrer Geschichte übrigens nie erobert, wenn man von den Ereignissen im Zweiten Weltkrieg einmal absieht.
An der höchsten Stelle des Hügels liegt die dreigeschossige Hauptburg, ein mächtiger Vierflügelbau mit zwei quadratischen Ecktürmen, die nur wenig höher als die übrigen Gebäude sind. Die ältesten Bauteile der Burg finden sich an der leicht geschwungenen Westfront. Ihre Fassade ist völlig schmucklos. Der nahezu quadratische Südwestturm hat eine Seitenlänge von ca. 12,5 m. Er ist der einstige Bergfried. Seine Quadermauern sind von beachtlicher Qualität. Die Mauerstärke beträgt im unteren Bereich 3,5 m, während die 9,1 m langen Mauern des kleineren und schmäleren Nordwestturmes nur 2,3 m dick sind. Der mittelalterliche Palas ist im Westtrakt der Burg seit ihrem Ausbau zum Renaissanceschloss verbaut. Das mittelalterliche Rundbogentor wurde damals vermauert und mit bereits lediglich dekorativen Schlüsselscharten versehen. Es befindet sich neben dem ebenfalls rundbogigen Renaissanceportal, das im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts eingebaut wurde. Der einst 23 x 12 m große Palas sowie der Bergfried wurden beim Ausbau zum Renaissanceschloss überbaut bzw. höhenmäßig den übrigen Bauten angeglichen, so dass sie von außen als mittelalterliche Bauten nicht erkenntlich sind. Damals entstanden auch die beiden Flügel im Süden und Norden. An drei Seiten des Innenhofes tragen toskanische Doppelsäulen Erdgeschoßlauben. Diese werden von Kreuzgratgewölben abgeschlossen. Die darüber befindlichen Steingewändefenster stammen ebenfalls aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Ostseite des Hofes wurde erst später geschlossen. Hier befinden sich jedoch keine Gebäude sondern lediglich ein Verbindungsgang zur ehemaligen, breiten Wehrplatte, die der Stationierung von Kanonen diente.
In der Mitte des Hofes liegt ein großes steinernes Brunnenbecken. Daneben steht ein alter „Viginierbaum“, der letzte Rest der botanischen Bemühungen des Grafen Fries. Zwei doppelarmige Haupttreppen befinden sich neben den mittelalterlichen Türmen, während in den Ecktürmen der Renaissancezeit Wendeltreppen eingebaut waren. Eine davon wurde in der Zwischenkriegszeit durch einen Aufzug ersetzt. Die Innenräume sind nahezu leer. Die Burg war ja fast immer unbewohnt und hatte daher auch keine spektakulären Prunk- bzw. Repräsentationsräume. Sie diente vorwiegend militärischen Zwecken sofern sie nicht für die Verwaltung der ausgedehnten Herrschaft benötigt wurde. In einem quadratischen Raum in der Nordostecke des Schlosses war die Kapelle eingerichtet, doch wurde diese bereits 1798 profaniert und in zwei Geschosse unterteilt. Die jeweiligen Besitzer bevorzugten in friedlichen Zeiten das wohnlichere kleine „Schlößl“ im östlichen Teil des Schlossparks. Dieser zweigeschossige, mit Eckrondellen ausgestattete Dreiflügelbau wurde beim Ausbau des Schlosses in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als eher bescheidenes Wohngebäude errichtet. An seiner Nordseite springt ein Erker vom Ende des 18. Jahrhunderts vor. Bemerkenswert sind die großen Säle im Hauptschloss, so der elf Meter lange „Rittersaal“ mit zwei wuchtigen Monolithen als Mittelsäulen. Ein weiterer Saal im Obergeschoß hat eine Fläche von 270 m² und eine Höhe von 8 m. Ein kleiner tonnengewölbter Raum ist durch ein rekonstruiertes gotisches Spitzbogenportal zugänglich. Interessant sind auch die gigantischen Stützmauern, die bis zu drei Stockwerke unter das Erdgeschoß reichen. Die dadurch geschaffenen unterirdischen Gänge dienten der Bevölkerung bis zum Zweiten Weltkrieg als Schutzbunker.
Während die Bausubstanz und auch die Dächer des Schlosses zumindest auf den Laien noch einen relativ stabilen Eindruck machen, benötigen die Fassaden vor allem an der Westseite wohl dringend eine Renovierung und einen neuen Anstrich. Seit längerer Zeit bemüht sich ein Personenkomitee gemeinsam mit der Stadt Neulengbach und dem Burgherrn um ein Sanierungs-, Finanzierungs- und Verwendungskonzept für diese größte Burg des Wienerwaldes. Mögen sie zu einem guten Ergebnis kommen, bevor ihnen Wind und Wetter sowie der Zahn der Zeit einen Strich durch die Rechnung machen.
Lage: Niederösterreich/Wienerwald – auf einem Hügel inmitten der Stadt Neulengbach
Ort/Adresse: 3040 Neulengbach
Besichtigung: Zuletzt konnte das Schloss von Mai bis Oktober an Sonntagen um 10.00 im Rahmen einer Führung besichtigt werden.
Weitere Literatur:
21.01.2018