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Gartenpalais Liechtenstein


Das Gartenpalais Liechtenstein zählt zu den ältesten adeligen Sommerpalästen Wiens. Die Türken hatten 1683 die Wiener Vorstädte in Schutt und Asche gelegt, so dass danach im Gegensatz zur ummauerten Stadt preiswerter Baugrund in Hülle und Fülle vorhanden war. Fürst Johann Adam Andreas I von Liechtenstein hatte allerdings bereits 1658 von der Familie Auersperg einen Haus- und Weingarten in der Roßau erworben, den er nun mehrmals durch Zukäufe erweitern ließ. Nach dem Entsatz der Stadt und der endgültigen Abwehr der Türkengefahr entstand hier eines der schönsten Sommerschlösser der Wiener Umgebung. Die Planverfasser Johann Bernhard Fischer von Erlach, Domenico Egidio Rossi und Domenico Martinelli zählten zu den besten europäischen Architekten ihrer Zeit. Bei den ersten Planungen war noch Fischer von Erlach führend beteiligt. Er dürfte den Generalplan für das riesige Grundstück, das bis über die heutige Lichtentaler Kirche hinaus reichte, entworfen haben. Neben dem Palais und der Kirche waren auch eine Mustersiedlung und ein Brauhaus vorgesehen. 1689 wurde nach seinen Plänen am anderen Ende des vorgesehenen Parks ein Belvedere erbaut. Es war dies das erste von Johann Bernhard Fischer von Erlach in Wien errichtete Bauwerk. Gleichzeitig gestaltete Jean Trehet den lang gestreckten Garten und errichtete eine Orangerie. Mit der Erbauung des wichtigsten Teiles der Anlage, dem Palais, wurde Domenico Martinelli beauftragt, nachdem bereits 1690 Domenico Egidio Rossi einen detaillierten Entwurf vorgelegt hatte. Dieser enthielt bereits den zentralen Festsaal und die beiden repräsentativen Treppenhäuser. Der Baubeginn verzögerte sich jedoch um Jahre. Zuerst musste der 1691 vorgesehene italienische Bauführer Antonio Riva auf Grund eines Protestes der Wiener Maurerzeche durch den einheimischen Hofmaurermeister Lorenz Laher ersetzt werden. Dann verlangte Fürst Liechtenstein vom römischen Architekten Carlo Fontana einen neuen Entwurf. Schließlich wurden aber die Pläne Martinellis ab 1697 durch Alexander Christiani ausgeführt, während Laher bis 1711 nur die Nebengebäude errichtete. Mittlerweile hatte das beabsichtigte Sommerpalais aber seine von Fischer von Erlach beabsichtigte Leichtigkeit verloren und vor allem durch den Verzicht auf die Außentreppen sich im Äußeren einem Stadtpalast angenähert. 1704 war das Gebäude im Rohbau fertig.

Die Ausgestaltung des Inneren zog sich bis 1709 hin. Sie erfolgte durch die besten Künstler Wiens, wie den Bildhauer Giovanni Giuliani, den Stukkateur Santino Bussi und die Maler Marcantonio Franceschini und Johann Michael Rottmayr, sowie Andrea Pozzo. Franceschini war jedoch nicht zu bewegen gewesen, nach Wien zu reisen und hier die Freskierung wichtiger Räume vorzunehmen. Er schuf seine Gemälde in Öl auf Leinwand in Italien. Diese wurden dann nach Wien gebracht und statt Fresken an den Decken montiert. Johann Adam benützte einen längeren Aufenthalt in Italien zum Erwerb zahlreicher Kunstschätze. Bis zum Tod des Bauherrn im Jahr 1712 entstand ein barockes Gesamtkunstwerk, das aus dem Hauptbau, einer palazzoartige Stadtvilla im römischen Stil, mit seinen Nebengebäuden, den Kunstschätzen und dem weitläufigen Garten bestand. Nachfolger Johann Adams wurde dessen Neffe Joseph Wenzel Fürst von Liechtenstein, der vor allem als Diplomat und Feldherr von der Kaiserin Maria Theresia geschätzt wurde. Hundert Jahre später öffnete Johann Fürst Liechtenstein die Anlage dem Publikum. Als Sommerpalast waren die Räume nur zum Repräsentieren bestimmt. Sie sind so groß, dass sie praktisch unbeheizbar waren. Daher wurden sie auch bald nicht mehr bewohnt. Ab 1807 übersiedelte allmählich die schon damals berühmte Liechtenstein’sche Gemäldegalerie aus dem Majoratshaus in der Bankgasse hierher. 1940 zählte sie 1613 Werke. Aus Sicherheitsüberlegungen wurde sie aber am Ende des Zweiten Weltkrieges nach Vaduz transferiert. Bedingt durch die massiven Enteignungen in der Tschechoslowakei nach den beiden Weltkriegen und den hohen Kosten für die Behebung der Kriegsschäden mussten einige Spitzenwerke der Gemäldegalerie ins Ausland verkauft werden. Auch das Familienarchiv wurden ins Fürstentum verbracht. Von 1957 bis 1978 diente das Palais dem Österreichischen Bauzentrum als Domizil für seine Dauerausstellung. Bis zu seiner Übersiedlung ins neue Museumsquartier 2001 war ab 1979 das „Museum Moderner Kunst“ im Palais untergebracht. Dieses ist auch heute noch im Besitz der Fürsten Liechtenstein. Es wurde in den letzten Jahren unter Fürst Hans Adam II prächtig renoviert. Vor allem die Restaurierung der Ölbilder und Fresken war recht aufwendig. Seit 2004 beherbergt das Palais wieder die Liechtenstein’sche Gemäldegalerie, eines der exquisitesten Kunstmuseen Wiens und zugleich vermutlich die größte Privatsammlung der Welt. Von Rubens bis Waldmüller fanden sich hier Meisterwerke der berühmtesten europäischen Maler. Seit dem Abschluss der Revitalisierung des Stadtpalais in der Bankgasse wird die Sammlung der Biedermeiergemälde, die zu den bedeutendsten der Welt gehört, jedoch dort gezeigt.

Das Liechtenstein’sche Gartenpalais ist einer der besterhaltenen Adelspaläste Wiens. Es ist ein repräsentativer, rechteckiger Baublock von 13 Fensterachsen an der 75 m langen Hauptfront und 7 Achsen an den Seitenfronten. Das Gebäude ist mit einem flachen Walmdach gedeckt. Die Gartenfront ist wesentlich stärker gegliedert als die Ehrenhofseite. Ihr war eine breite Terrasse vorgelagert. Deren monumentale Abschlussmauer, die den Gesamteindruck wesentlich bestimmte, ist leider nicht erhalten. Die Gliederung der Fassaden erfolgt durch eine große Riesenpilasterordnung sowie durch die stark vortretenden dreieckigen und segmentbogigen Fensterverdachungen. Der seichte fünfachsige Mittelrisalit ist hofseitig leicht überhöht. Gartenseitig tritt er deutlich hinter den Seitenflügeln zurück. Der Hauptzugang zum Palais erfolgt stadtseitig von der Fürstengasse aus. Eine Inschrift am repräsentativen klassizistischen Hauptportal, zeigt das von Johann Fürst von Liechtenstein angebrachte Motto „Der Kunst, den Künstlern“, dass er das Palais nicht als feudales Domizil für seine Familie, sondern als der interessierten Öffentlichkeit zugängliches Kunstmuseum betrachtet hatte. Der halbkreisförmige Ehrenhof wird großteils von eingeschossigen Gebäuden begrenzt, in denen sich ursprünglich u. a. die fürstlichen Stallungen und Wagenremisen befanden. Die Mittelrisalite der Seitenfronten sind deutlich zurückgezogen. Der gesamte Mittelteil des Hauptschlosses wird im Erdgeschoß vom Vestibül und der großen Sala terrena eingenommen. Diese war einst nach beiden Seiten hin offen und diente als Durchfahrt vom Ehrenhof in den Park. Die fünf Rundbögen der Pfeilerhalle mussten jedoch später aus klimatischen Gründen verglast werden. Dies war vor allem für die Deckenfresken Rottmayrs wichtig, die bereits unter der Witterung gelitten hatten. Die Schäden, die durch ungünstige Restaurierungen im 19. und durch zahlreiche Neuschöpfungen von Details des Malers Karl Geiger im 20. Jahrhundert an den Deckenfresken der Sala terrena entstanden waren, mussten aufwendig behoben werden. In diesem Gartensaal stehen zwei bedeutende Skulpturen Giulianis, die nach Vorbildern von Massimiliano Soldani geschaffen wurden: „der tanzende Faun“ und „die sterbende Kleopatra“. Auch der Goldene Wagen des Fürsten Joseph Wenzel von Liechtenstein ist hier ausgestellt.

Die an die Sala terrena anschließenden sechs Erdgeschoßräume sind mit 26 Fresken mythologischen Inhalts von Johann Michael Rottmayr geschmückt. Sie sind von Stuckreliefs Santino Bussis eingefasst. Diese Räume dienten ursprünglich als Spiel- bzw. Gesellschaftszimmer. Je drei Räume waren den Herren und den Damen zugeteilt. Das Damenappartement weist besonders schöne Stuckarbeiten auf. Als das Majoratshaus in der Herrengasse kurz vor dem Ersten Weltkrieg abgerissen wurde, verlegte man die Historische Bibliothek mit ihrer von Joseph Hardtmuth geschaffenen klassizistischen Einrichtung sowie einen großen Teil des Hausarchivs der Familie Liechtenstein in das Herrenappartement im Erdgeschoß des Gartenpalais. Die Bibliothek gehörte damals bereits zu den Sehenswürdigkeiten Wiens. Insgesamt zählt die Büchersammlung heute etwa. 100.000 Bände. An das Vestibül schließen die beiden zweiläufigen Treppenhäuser an. Sie erschließen den Zentralraum des Palais, den großartigen Marmorsaal, auch Herkulessaal genannt. Dieser erstreckt sich sowohl über das Haupt- als auch über das Mezzaningeschoß. Er ist 25 m lang und 16 m hoch. Zwischen 16 Riesenhalbsäulen aus rotem Kunstmarmor mit vergoldeten Kapitellen sind große Ölgemälde eingelassen. Mit zwei großen, reich verzierten Kaminen aus grauem Kunstmarmor versuchte man den Riesensaal zu beheizen. Ursprünglich führten fünf hohe Türen aus dem Saal in die dahinter liegende Große Galerie, doch wurden vier davon zu Beginn des 19. Jahrhunderts zugemauert als das Palais erstmals als Museum eingerichtet wurde und man in der Galerie Wandflächen für die großen Gemälde des Decius-Mus Zyklus von Rubens benötigte.

Höhepunkt der malerischen Ausstattung des Palais ist das große Deckenfresko im Herkulessaal. Es wurde in den Jahren 1704 bis 1708 vom Jesuitenbruder Andrea Pozzo geschaffen und stellt die Heldentaten des Herkules dar. Der Marmorsaal ist einer der beeindruckendsten Barocksäle Wiens. Er wurde im 19. Jahrhundert klassizistisch dekoriert, doch wurden diese Eingriffe in die Originalsubstanz zu Beginn des 20. Jahrhunderts rückgängig gemacht. Pozzo schuf auch die Ölgemälde für die Wände und die Decke der mittlerweile längst profanierten Hauskapelle im Trakt an der Porzellangasse. In weiteren Sälen findet man Wandmalereien von Antonio Belluci und Marcantonio Franceschini. Anlässlich der Restaurierung der beiden Treppenhäuser wurden im Sommer 2002 die verloren geglaubten Fresken Rottmayrs entdeckt. Sie waren seit 1810 unter Ölbilder des Venezianers Antonio Belluci versteckt, die dieser für das Stadtpalais in der Bankgasse gemalt hatte. Als Rottmayrs Fresken zum Teil durch einen Wassereinbruch zerstört worden waren, hatte man einfach Bellucis Gemälde darüber befestigt. Sie hatten aber durch Formatveränderungen, wie z. B. Anstückelungen schwer gelitten, was bei den Restaurierungsarbeiten zu beträchtlichen Problemen führte. Auch die Rottmayr-Fresken waren sehr beschädigt, konnten aber wiederhergestellt werden. Das Fresko im westlichen Stiegenhaus zeigt den „Sturz der Giganten“, jenes im östlichen Treppenhaus die „Aufnahme des Herkules (?) in den Olymp“. Der heute hochgeschätzte Rottmayr war übrigens ursprünglich für Johann Adam Andreas I Fürst von Liechtenstein nur zweite Wahl, da er italienische Maler bevorzugte, diese aber nicht immer verfügbar waren. So sagte auch der 1705 von ihm kontaktierte Giuseppe Maria Crespi schließlich ab.

Der Liechtensteinpark ist heute der älteste, noch vorhandene, feudale Schlosspark Wiens und zugleich der erste, der nach der Beendigung der Türkengefahr entstanden ist. Die prachtvolle barocke Gartenanlage erstreckte sich bis an den Alserbach, wo das Belvedere den optischen Abschluss bildete. Die Anlage war schon im 18. Jahrhundert so berühmt, dass sie von der Hofgesellschaft mehrfach zur Abhaltung großer Feste genützt wurde. Bei einem 1754 vom neapolitanischen Botschafter Marchese Majo veranstalteten Gartenfest wurde dieses von etwa 8.000 Lampen erhellt. Der Weg vom Schottentor bis zum Gartenpalais war mit vergoldeten Laternen und lodernden Pechpfannen besetzt. Auch die Vermählung Maria Antoinettes mit Ludwig XVI wurde hier ausgiebig gefeiert. Anlässlich der Geburt des Thronfolgers, des späteren Ludwig XVII, besuchten hier ca. 3.000 Personen einen Maskenball. 1814 wurde der ursprünglich im Stil Le Notres angelegte Barockgarten unter Feldmarschall Johann Fürst von Liechtenstein in einen englischen Landschaftspark umgewandelt. Die meisten der zahlreichen barocken Gartenplastiken wurden damals verkauft. Von Giulianis Werken haben sich nur einige Vasen und zwei monumentale Statuen erhalten. Seine Skulpturen auf den Nebengebäuden wurden schon vor Jahrzehnten durch Kopien ersetzt. 1814 ließ der Architekt Josef Kornhäusel die Mauer mit einem Teil der Nebengebäude an der Fürstengasse abreißen und an ihrer Stelle einen klassizistischen Triumphbogen und einen Zaun errichten, so dass das bis dahin abgekapselte Ensemble zur Stadt hin geöffnet wurde. Der kahle Ehrenhof wurde gleichzeitig durch kleinteilige Grünanlagen etwas freundlicher gestaltet. Im Jahre 1873 wurde das bereits mehrfach umgebaute Belvedere abgetragen. An seiner Stelle errichtete Heinrich von Ferstel das Neue Palais Liechtenstein. Der historische Garten hinter dem Gartenpalais wurde bei der letzten Generalsanierung rekonstruiert. Er geht in den Landschaftspark des 19. Jahrhunderts über, hinter dem das Neue Palais Liechtenstein liegt. Im Mittelpunkt des Gartens steht eine Brunnennymphe von Franz Anton Zauner.

Ort/Adresse: 1090 Wien, Fürstengasse 2

Besichtigung: nur mit Führung, für die man sich auf der homepage des Palais anmelden muss, möglich

Homepage: www.palaisliechtenstein.com


Weitere Literatur:


17.11.2017