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Groß Gerungs - Ödenschlössl


Gründer des Ortes und einer ersten Befestigung waren Vasallen bzw. Verwandte der Kuenringer, die auf der unweit gelegenen Burg Rapottenstein hausten. Sie hatten vom Kaiser riesige Waldgebiete mit der Auflage bekommen, diese zu kolonisieren. Das im Süden des heutigen Marktes gelegene Ödenschlössl diente den lokalen Kolonisten als Stützpunkt. Gleichzeitig hatte es die Funktion eines Vorpostens von Rapottenstein. Der kleine Wehrbau wurde vermutlich um 1160 von den nahen Verwandten der Kuenringer Ulrich von Stiefern bzw. dessen beiden Söhnen Berthold und Wichard errichtet. Ob der 1160 in einer Zwettler Urkunde genannte Heinrich von Gerung hier lebte, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. 1261 wird ein Ernst de Gerungs als Zeuge urkundlich erwähnt. Gerungs war ein freies Eigen der Kuenringer, das vorwiegend an lokale Kleinadelige als Lehen vergeben wurde. Ende des 14. Jahrhunderts befand sich die kleine Herrschaft im Besitz der Herren von Volkersdorf. Im 15. Jahrhundert gelangte Gerungs an die Herren von Dachsberg und dann an die mit ihnen verschwägerten Herren von Starhemberg, die es mit ihrer Herrschaft Rapottenstein vereinigten. Die kleine Feste war militärisch von keiner großen Bedeutung und konnte der mächtigen Burg Rapottenstein im Ernstfall keine große Hilfe sein. Als Lehensnehmer scheinen um die Mitte des 15. Jahrhunderts Niklas Stockhorner (1437 - 1447) sowie die Erndorfer (1454/56) auf. Von 1498 bis 1507 besaß Kaspar von Rogendorf das Gerungser Lehen. Im 16. Jahrhundert treten Jörg Apfelthaler und Peter Gassner als Lehensnehmer auf. Noch vor 1597 kaufte die Propstei Zwettl den bereits vernachlässigten Sitz, der in der Folge aufgegeben wurde. 1698 wurden die Gebäude durch einen Brand teilweise zerstört. 1784 wurden sie an private Bewerber verkauft und in Wohnhäuser umgebaut.

Wer heute das Ödenschlössl besichtigt, wird nicht vermuten, dass es auf eine mittelalterliche Burg aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückgeht. Es wurde im Lauf seiner Geschichte mehrfach umgebaut und schließlich in den Jahren 1901/03 beim Bau der Eisenbahnlinie Gmünd – Groß Gerungs teilweise zerstört, so dass es heute als Schloss nicht mehr erkennbar ist. Die Trasse der Bahn führt nunmehr in Tieflage unmittelbar an den Resten des einstigen Wehrbaues vorbei. Vor allem der Graben, die Umwallung und mehrere Nebengebäude gingen verloren. Erhalten sind nur mehr zwei Gebäude, die jetzt privaten Wohnzwecken dienen. Dies sind zwei rechteckige Giebelhäuser, die im rechten Winkel zueinander stehen, aber durch den Zufahrtsweg getrennt sind. Die um die Mitte des 20. Jahrhunderts noch erkennbaren mittelalterlichen Details, darunter die Reste eines Wehrganges sind den Umbauten nach 1962 zum Opfer gefallen. Das zweigeschossige Haus Nr. 69 diente vermutlich bereits dem alten Wehrbau als Wohnhaus. Es ist verputzt, doch hat man wie bei den älteren Bauten im benachbarten oberösterreichischen Mühlviertel üblich, Granitreste unbearbeitet lassen, die den Verputz durchbrechen. Die heute durch den Bewuchs kaum sichtbare Eckquaderung und das lagerhafte Bruchsteinmauerwerk weisen auf das hohe Alter des ansonsten unspektakulären Wohnbaues hin, ebenso eine vermauerte Lichtscharte. Unmittelbar gegenüber der Zufahrt liegt das Haus Nr. 68, das den letzten Rest des alten Meierhofareals darstellt. Es ist längst modernisiert und nur mehr durch die an der Vorderseite angebrachte Tafel „Ödenschlössl“ als historisches Gebäude zu erkennen.

Lage: Niederösterreich/Waldviertel - auf einer kleinen Geländestufe an der Südgrenze der Stadtgemeinde Groß Gerungs

Ort/Adresse: 3920 Groß Gerungs

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


03.11.2017