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Hermesvilla


Der Lainzer Tiergarten ist ein 24,5 km² großes ehemaliges kaiserliche Jagdgebiet und heutiges Naturschutzgebiet im Westen von Wien. Es ist von einer 22 km langen Mauer umgeben. 1881 entschloss sich Kaiser Franz Joseph in ihm einen repräsentativen, aber privaten Wohnsitz für sich und die Kaiserin Elisabeth errichten zu lassen. Er beauftragte damit den renommierten Wiener Ringstraßenarchitekten Karl von Hasenauer. Dessen erster Entwurf wurde vom Kaiser abgelehnt, der zweite genehmigt. Kaiserin Elisabeth hatte sich einen Ort der Ruhe gewünscht, da sie das Hofzeremoniell, die Hofburg und Schloss Schönbrunn ablehnte aber die Natur liebte. Der für das Publikum nicht zugängliche Lainzer Tiergarten bot daher für sie den idealen Bauplatz – sollte man meinen. Franz Josef erfüllte ihr diesen Wunsch und schenkte ihr das Schlösschen. Im Juni 1882 hatte die Österreichische Unionbaugesellschaft mit der Errichtung der Grundmauern begonnen, vier Jahre später war der Bau inklusive der Einrichtung vollendet. Die Gesamtkosten von mehr als 2 Mio. Gulden wurden aus der kaiserlichen Privatkasse bezahlt. Das Schloss wurde ursprünglich „Villa Waldruh“ genannt, was heute etwas tiefgestapelt erscheint. Schließlich setzte sich aber die Bezeichnung Hermesvilla durch. Sie hängt mit der Schwärmerei der Kaiserin für die Antike zusammen. Es wurde nach der vom Berliner Bildhauer Ernst Herter geschaffenen und 1888 auf der Gartenterrasse aufgestellten Marmorstatue des griechischen Gottes Hermes benannt. Ab 1884 war Kaiserin Elisabeth alleinige Eigentümerin. Die Innenausstattung wurde stark von der Kaiserin bestimmt, doch gingen auch viele Ideen auf ihren Obersthofmeister Baron Franz Nopcsa zurück, der ihren persönlichen Geschmack kannte. Mit der ersehnten Ruhe für die rastlose Kaiserin wurde es aber nichts. Immerhin verbrachte sie hier meist in den Monaten Mai und Juni einige Wochen pro Jahr mit dem Kaiser. Ansonsten setzte sie ihre ausgedehnten Reisen fort. Sie fand das Haus zu düster und den Wald zu feucht.

Nach ihrer Ermordung erbte 1898 ihre jüngste Tochter, Erzherzogin Marie Valerie, das Schloss. Testamentarisch hatte Elisabeth aber ihrem Gatten ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hielt sie sich gerne hier auf. Von 1903 bis 1906 lebte sie mit ihrer Familie sogar ständig in der Hermesvilla. Sie ließ die Räume nach ihrem Geschmack einrichten, doch wurden diese, soweit wie möglich, bei der letzten Restaurierung in ihren ursprünglichen Zustand rückversetzt. Marie Valerie verkaufte 1911 die Hermesvilla dem Hofärar, das bereits seit 1890 ein Vorkaufsrecht hatte. Die Erhaltungskosten wurden aber bis zum Tod Franz Josephs aus seiner Privatkasse bestritten. In einem Nebengebäude des Schlosses wurde 1918/19 ein Invalidenspital für Kriegsversehrte eingerichtet. Aufgrund der Habsburger-Gesetze, die eine Enteignung der kaiserlichen Familie und eine Verstaatlichung ihres Vermögens vorsahen, kam das Schloss 1922 an den Kriegsgeschädigtenfonds und 1937 in den Besitz der Republik Österreich, die es im nächsten Jahr der Stadt Wien verkaufte. Zwar wurde im ersten Stock ein kleines Museum eingerichtet, doch gab es nicht mehr viel zu sehen. Der Plan, die Hermesvilla den Jagdgästen von Hermann Göring zur Verfügung zu stellen, konnte wegen des Kriegsausbruches nicht umgesetzt werden. Das Gebäude überstand zwar das Ende des Zweiten Weltkrieges unversehrt, verfiel aber in den Jahren danach mehr und mehr. Das Schloss wurde 1945 von der russischen Besatzungsmacht requiriert und erst 1950 wieder freigegeben. Der in dieser Zeit übliche Vandalismus verursachte schwere Schäden. Durch mangelnde Pflege litten vor allem die Wandmalereien und Tapeten. Es gab damals Pläne zum Abriss der Hermesvilla und zur Umwidmung des Lainzer Tiergartes. Dass dies verhindert werden konnte, ist nicht zuletzt dem passionierten Jäger und späteren Wiener Bürgermeister Bruno Marek zu verdanken. Erst 1955 wurden die zerstörten Fenster durch Bretter geschützt. 1971 übernahm der „Verein der Freunde der Hermesvilla“ die umfassende Restaurierung. Seit 1979 ist das Schloss eine Außenstelle des Historischen Museum der Stadt Wien (jetzt: Wien Museum), in der laufend Sonderausstellungen zu kulturgeschichtlichen Themen stattfinden.

Die Hermesvilla besaß eine opulente Innenausstattung, an der die bedeutendsten Künstler des Wiener Historismus beteiligt waren. Die originale Einrichtung ist allerdings nur zum Teil erhalten. Schon zur Zeit der Kaiserin wurden häufig Gemälde und Möbelstücke ausgewechselt. Da sich Elisabeth bereits 1897 entschloss, das erst 1891 für sie errichtete Achilleion auf Korfu aufzugeben, wurden im nächsten Jahr zahlreiche Kunstgegenstände von dort in die Hermesvilla gebracht. Ein Teil davon wurde später von der Erzherzogin Marie Valerie in ihren Hauptwohnsitz Schloss Wallsee mitgenommen. Auch Erzherzogin Gisela nahm sich einige Souvenirs nach München mit. Bei einem Einbruch wurden im Jänner 1919 zahlreiche historische Kostbarkeiten gestohlen. Daraufhin wurden über 700 Möbel, Bilder und kunstgewerbliche Gegenstände im Hofmobilien-Depot sichergestellt. Das noch vorhandene Tafelsilber wurde in die Hofsilberkammer verbracht. Zu größeren Verlusten an Kunstwerken und Einrichtungsgegenständen kam es auch 1945, als diese in einigen niederösterreichischen Schlösser ausgelagert waren, um sie vor möglichen Bombenangriffen zu schützen. Dazu kam es zwar nicht, doch hatten Kriegs- und Nachkriegsereignisse für eine weitere Dezimierung gesorgt, so dass nach Kriegsende viele Teile der Ausstattung nicht mehr aufzufinden waren. Nach 1971 bemühte man sich an Hand der noch vorhandenen Inventarlisten die alte Ausstattung soweit wie möglich wieder in der Hermesvilla zu vereinen. Hilfreich bei dieser Aktion war eine Serie von Fotografien der Innenräume, die 1899 nach dem Tod Elisabeths von Rudolf Lechner gemacht worden war.

Die Hermesvilla ähnelt in Größe und Stil stark dem ungefähr gleichzeitig errichteten Schloss Rothschild in Reichenau. Es ist ein zwei- bis dreigeschossiger Bau mit einer Fassadenverkleidung aus weißen Hausteinen und bandartig platzierten rot und gelb glasierten Ziegeln. Typisch für den Historismus stellt sie eine Mischung aus Renaissance- und Barockelementen dar. Im Gegensatz zu den meisten österreichischen Barockschlössern sind ihre Hauptfassaden asymmetrisch gestaltet, vor allem weil die Seitenrisalite unterschiedliche Höhen haben und ihre Giebel verschiedenartig gestaltet sind. Die Schauseite des Schlosses ist dem Park zugewendet. Die Giebelgruppe und die Fassadenplastiken schuf Rudolf Weyr, das Prometheusrelief Anton Scharff. Beide Geschosse sind mit gusseisernen Loggien ausgestattet. Die Schmiedeeisenarbeiten stammen von Albert Milde. Der Bildhauer Viktor Tilgner schuf zwei große Brunnen, einen für die Terrasse an der Gartenfront und einen, der Genoveva mit ihrem Reh zeigt, für den relativ großzügigen Hof, der sich an der Rückseite erstreckt. Dieser wird von Nebengebäuden begrenzt, zu denen auch eine große, durch eine Glaskuppel beleuchtete Reithalle gehörte, die von der Kaiserin, die eine erstklassige Reiterin war, bei ihren Besuchen gerne genutzt wurde. Anschließend lagen die Stallungen. Die Halle war mit dem von Elisabeth bewohnten Schlosstrakt durch einen gedeckten schmiedeeisernen Wandelgang verbunden. An der gegenüberliegenden Hofseite befanden sich die Küche sowie Wohnräume der Bediensteten. In der Mitte des Hofes steht ein von vier Steinsäulen gestützter Pavillon mit einem geschwungenen Pyramidendach. Die Straße, die zum Schloss führt, war eine der ersten Wiens, die elektrisch beleuchtet waren. Hingegen wurden moderne Sanitärräume erst 1896 auf Anregung der Kaiserin eingebaut. Damals wurde auch die Hermesvilla an das Telefonnetz angeschlossen.

Betritt man das Schloss durch den unspektakulären Haupteingang an der Hofseite, gelangt man in die achteckige Eingangshalle. Ihre schwere Neo-Renaissance-Vertäfelung wurde 1884 vom Hoftischler Friedrich Paulick aus Eichenholz gearbeitet. Die bemalten Glasfenster stammen wie auch jene im Vestibül des ersten Stocks aus der Glasmalerei-Anstalt von Carl Geylings Erben. In sie sind bemalte Wappen-Gläser aus dem 17. Jahrhundert eingesetzt. Heute befinden sich hier die Kassa sowie ein Verkaufsstand. Die große Marmorskulptur der Lichtfee Peri wurde 1890 für das griechische Schloss Achilleion der Kaiserin angekauft, aber 1898 hier aufgestellt. Sie ist ein Werk des englischen Bildhauer Charles Francis Fuller. Rechts vom Vestibül lagen ursprünglich die Wohnräume der Erzherzogin Marie Valerie. Direkt hinter der Eingangshalle befindet sich der größte Raum des Erdgeschosses, der als Sala terrena konzipierte ehemalige Speisesaal. Er wird wegen seiner Wandverkleidung auch Marmorsaal genannt. Seine Ausstattung geht vorwiegend auf Viktor Tilgner zurück, der mit seinem Stuck-Deckenrelief „Aurora schwebt vor dem Wagen des Sommers durch die Lüfte“ ein Meisterwerk schuf. Auch der figurale Schmuck der Wandbrunnen und die in die Supraporten eingefügten Reliefs stammen vom gleichen Künstler. Links neben der Eingangshalle liegt das Stiegenhaus mit seiner prächtigen dreiarmigen Treppe. Ihr reich verziertes Geländer ist ein Werk von Albert Milde und Alois Hanusch. Es wurde 1885 fertiggestellt, wurde aber in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg so devastiert, dass es zum Teil rekonstruiert werden musste. Die Längswand des Raumes ist mit einer italienischen Tapisserie aus dem 17. Jahrhundert geschmückt, die Diana mit Nymphen zeigt. Im Stiegenhaus stand einst die berühmte Skulptur des „Sterbenden Achilles. Sie wurde 1885 von Ernst Herter gefertigt, aber 1891 in das Schloss Achilleion auf Korfu gebracht, wo sie im Park aufgestellt wurde. An ihrer Stelle schmückt heute die 1898 von Ignaz Weirich geschaffene Marmorstatue „Aspasia“ den Raum. Die links vom Stiegenhaus bzw. dem Speisesaal gelegenen Räume wurden von der älteren Tochter des Kaiserpaares Erzherzogin Gisela benutzt. Ihre Original-Ausstattung ist nicht erhalten. Hier befindet sich heute das Restaurant.

Da die Hermesvilla privaten Charakter hatte, gab es hier keine echten Repräsentationsräume. Die Wohnräume des Kaiserpaares im ersten Stock waren aber dennoch gediegen eingerichtet, besonders jene der Kaiserin. Die Räume des Kaisers lagen im Nord-, die der Kaiserin im Südflügel. Die Suite der Kaiserin bestand aus Garderobe, Turnzimmer, Toilettezimmer, Schlafzimmer und Salon. Besonders aufwendig gehalten ist das Schlafzimmer der Kaiserin. Es wurde nach einem Entwurf von Hans Makart mit Malereien aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ geschmückt. Dieses war das Lieblings-Theaterstück der Kaiserin. Nach dem Tod von Hans Makart waren hier u. a. Julius Berger, Hugo Charlemont, Franz Matsch, Pietro Isella sowie Georg und Gustav Klimt in seinem Sinn tätig. Das Deckengemälde zeigt Oberon und Titania mit ihrem von zwei Panthern gezogenen Wagen. Um es nicht zu zerstören, verzichtete man auf die Anbringung eines großen Lusters. An Möbeln fällt vor allem das imposante Prunkbett aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts auf. In ihm hatte bereits Kaiserin Maria Theresia übernachtet, wenn sie auf ihren Reisen in den Kaiserzimmern der Poststation Strengberg Station machte. Es wurde 1885 für die Hermesvilla erworben. Eine lebensgroße Statue, die auf den vorherrschenden Gemütszustand der Kaiserin Bezug nimmt, ist jene der „Melancholie“, die 1894 hier aufgestellt wurde. Eine im benachbarten Eckturm situierte Wendeltreppe sowie ein anschließender gedeckter Gang ermöglichte eine direkte Verbindung zwischen dem Schlafzimmer und der Reithalle. Bemerkenswert ist auch das Turnzimmer, dessen Wände in Anlehnung an pompejanische Vorbilder mit sieben Darstellungen antiker Sportarten bedeckt sind. An der Zimmerdecke bemerkt man vier Gemälde, die eine Hirschjagd, ein Wettrennen, eine Kampfszene sowie ein Wettfahren zeigen. Die Ausschmückung stammt hauptsächlich von August Eisenmenger aber auch von Hugo Charlemont und Adolf Falkenstein. Die ursprüngliche Einrichtung bestand aus einem Turnapparat, einem Schwebebalken und zwei Garnituren von Ringen. Sie ist nicht erhalten.

Unüblich für ein Schloss der erzkatholischen Habsburger ist, dass es in der Hermesvilla keine Schlosskapelle gibt. Ihre Funktion wurde vom sog. Kirchensaal übernommen. Dies ist ein großer Gesellschaftsraum, dessen ursprüngliche Ausstattung nur mehr zum Teil erhalten ist. In einer Wandecke war hinter einem Wandspiegel ein Altar verborgen, der an Sonn- und Feiertagen zur Abhaltung der hl. Messe benötigt wurde. An der Zeremonie durften neben der kaiserlichen Familie auch die Dienerschaft und das Personal des Gutes teilnehmen. Zur anschließenden Wohnung des Kaisers gehörten Garderobe, Arbeits-, Schlaf- und Toilettezimmer sowie die Kabinettskanzlei. Sie war aber wesentlich einfacher als die Suite der Kaiserin gehalten. Bemerkenswert war das spartanische Messingbett im Schlafzimmer. Beim einzigen Raum, der etwas repräsentativer gestaltet war, handelt es sich um das Arbeitszimmer des Kaisers, wo er auch bei Bedarf mit seinen Ministern konferierte. Die von Bernhard Ludwig geschaffene Wandverkleidung sowie das Mobiliar waren aus Eibenholz. Der Stuckplafond imitiert eine geschnitzte Holzdecke. Ober den Türen sind Bronzemedaillons der Kinder sowie seiner Schwiegertochter Stefanie angebracht. Sie wurden von Anton Scharff modelliert. Der zweite Stock war für das Dienstpersonal reserviert. Er ist heute für Besucher nicht zugänglich. An der nach Westen gerichteten Front befindet sich eine überdeckte Auffahrt. Der nach Osten gerichteten Haupt- und Gartenfassade ist eine Terrasse vorgelagert. Das zum Schloss gehörende Parkareal geht nahtlos in die Wälder des Lainzer Tiergartens über. Als der Garten in den Jahren 1882 bis 1890 angelegt wurde, hatte man aber Gehölze aus dem Mittelmeerraum bevorzugt.

Lage: im östlichen Bereich des Lainzer Tiergartens

Ort/Adresse: 1130 Wien

Besichtigung: Vom Palmsonntag bis 1. November von 10.00 bis 18.00 Herbst/Winter: eingeschränkte Öffnungszeiten

Homepage: www.wienmuseum.at/de/standorte/hermesvilla.html


Weitere Literatur:


11.10.2017