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Weitenegg


Schon im 9. Jahrhundert gehörte die „Grafschaft“ Weitenegg zum reichseigenen Zollgebiet von Melk. Diese „provincia Weitenekke“, die dem deutschen König unterstellt war, bestand aus der Gegend um Melk sowie einem Teil des südlichen Waldviertels. Weitenegg stellte den Nordpfeiler einer burgengeschützten Verteidigungslinie dar, die sich bis zu den Voralpenbergen hinzog und zu der auch die Schallaburg sowie die heute längst abgekommene Burg Peilstein bei St. Leonhard am Forst gehörte. Sie sollte das Land vor Einfällen aus dem Osten schützen. Im 11. und 12. Jahrhundert war Weitenegg Eigentum der Freisinger Bischöfe. 1108 wird erstmals ein Luitpold de Wideniche urkundlich erwähnt. Um 1150 gelangte Weitenegg, das zuvor den Grafen von Tengling-Peilstein gehört hatte, durch Heirat an die Grafen von Pernegg. Der Ausbau von Weitenegg zur damals nahezu uneinnehmbaren Burg erfolgte im 13. Jahrhundert. Von 1218 bis 1235 war der Besitz in Händen der älteren Lengenbacher. Nach deren Aussterben kamen die Babenberger zum Zug. Herzog Albrecht I von Österreich bestätigte 1284 die Rechte der 1265 übernommenen Grafschaft. Sie umfasste damals neben der Herrschaft Weitenegg mit dem Yspertal und Raxendorf auch Persenbeug, Emmersdorf und Rehberg. Vorübergehend hatten die Kuenringer das Lehen inne, doch verloren sie dieses mit dem Aufstand Leutholds von Kuenring 1290 wieder an die Habsburger. In der Folge wurde Weitenegg von Burggrafen verwaltet. Von 1301 bis 1364 gehörte es zur Witwenrente der Königin Agnes von Ungarn, einer Tochter Herzog Albrechts I. 1365 wollte Herzog Rudolf IV Weitenegg seiner neugegründeten Propstei Allerheiligen zu St. Stephan als Dotierung für das von ihm geplante Bistum übergeben, doch verweigerte sein Schwiegervater, Kaiser Karl IV, seine Zustimmung. Danach wurde die Burg mehrfach verpfändet. Zuerst 1374 an die Herzogin Violanta von Mailand und dann bis 1395 an Hans von Liechtenstein.. Auch im 15. Jahrhundert, das für seine zahlreichen Fehdekämpfen bekannt ist, wechselte die Burg mehrfach ihre Besitzer, blieb aber landesfürstlich. 1452 wurde sie von den Melker Bürgern im Auftrag der niederösterreichischen Stände erobert.

Fünf Jahre später gelangte sie an den jungen König Ladislaus Posthumus. Der Wiener Bürgermeister Wolfgang Holzer, der Herzog Albrecht VI verraten wollte, zog sich nach dem Misslingen seines Planes nach Weitenegg zurück, das ihm anvertraut war. Auf Befehl des Landesfürsten belagerte Jörg von Seisenegg mit schwerem Geschütz die Burg und eroberte sie schließlich. Holzer floh, wurde aber gefasst und nach seiner Verurteilung 1463 gevierteilt. 1513 überließ Kaiser Maximilian I Weitenegg im Tausch mit dem Schloss Wimberg Jörg von Seisenegg, der es 1531 an die Herren von Lappitz verkaufte. Nun wurde Weitenegg mit Leiben vereinigt und hatte in der Folge die gleichen Besitzer. Im 16. Jahrhundert wurde der Bau noch einmal zur Festung ausgebaut. Während der Türkenkriege wurde die Anlage als Fluchtort für die Bevölkerung bestimmt. 1645 war die Burg noch so wehrhaft, dass ihr Hauptmann Johann Stockinger eine Belagerung durch schwedische Truppen erfolgreich überstehen konnte. Am Vischer-Stich von 1672 macht die Burg noch einen durchaus intakten Eindruck. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde sie aber als Wohnsitz aufgegeben und verfiel. 1738 erwarben die Edlen von Fürnberg die Herrschaft. 1795 verkaufte sie der kaiserliche Postmeister Josef Edler von Fürnberg gemeinsam mit Luberegg und anderen Besitzungen im Donautal und dem südlichen Waldviertel an Kaiser Franz I. Auch Weitenegg wurde als Privatbesitz dem Familiengüterfonds einverleibt und blieb bis 1918 beim Kaiserhaus. 1832 stürzten etliche donauseitige Gebäudeteile ab. 1870 brach man den östlichen Bergfried weitgehend ab, wobei das gewonnene Material zum Bau der benachbarten Ultramarinfabrik verwendet wurde. Um 1900 setzten erste Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen ein. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Weitenegg vom Kriegsgeschädigtenfonds übernommen. Später fiel es an die Österreichischen Bundesforste. 1983 erwarb Kommerzialrat E. Wipplinger, der Inhaber der benachbarten Farbenfabrik Weitenegg, dessen Familie die Ruine bis heute besitzt.

Weitenegg ist eine der interessantesten Burgruinen an der Donau. Der 130 m lange und stellenweise nur 16 m breite Wehrbau am Eingang des Weitentales ist eine typische Abschnittsburg. Der eher niedrige Bergrücken auf dem sie sich erstreckt, fällt im Süden so steil zur Donau hin ab, dass von hier aus kaum ernsthafte Angriffe zu erwarten gewesen wären. Nach Westen hin sorgt ein natürlicher Felseinschnitt für Schutz. Die Steilheit des Geländes erschwerte auch hier eine feindliche Annäherung. Die stark gegliederte Anlage passt sich der Form des Burgfelsens an. Auf dem schmalen Felsgrat im Zwiesel zwischen Donau und Weitenbach wurden ein Vorhof im Osten, dann drei aufeinanderfolgende Innenhöfe und sechs Tore hintereinander angeordnet, so dass ein Angreifer jeden Hof einzeln erobern musste, um zum Kern der Anlage vorzudringen. Diese schwierige militärische Aufgabe wurde durch die ungewöhnliche Anlage von zwei hohen Wehrtürme (Bergfriede) noch erschwert, von denen aus eingedrungene Feinde in die Zange genommen werden konnten. Durch den ehemaligen Halsgraben an der östlichen Schmalseite führt der Weg aufwärts zu einer kleinen Vorburg mit dem ehemaligen Pförtnerhaus. Sein Mauerkern stammt noch aus dem Mittelalter. Das Gebäude war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bewohnt. Über den Graben führte einst eine Zugbrücke. In der donauseitigen Wehrmauer erleichterten etliche Schlüsselscharten die Verteidigung. Sie ist durch Bögen und Strebepfeiler verstärkt. Dahinter ragt aus dem gewachsenen Felsen der 15 m hohe Stumpf des östlichen viereckigen Bergfrieds (10 x 11 m) auf. Mit einer Höhe von 36 m war er einst der höchste Turm der Burg. Er stammte aus dem 13. Jahrhundert und hatte die Aufgabe, das Tor zu sichern. Seine etwa 2,5 m starken Außenwände bestehen aus einer mittelalterlichen Füllmauer, d. h. aus zwei aus Bruchsteinblöcken aufgemauerten Schalungen, in die unregelmäßige Steine mit einer Mörtelmasse eingeschüttet wurden. Wie im Mittelalter üblich, gab es einen Hocheinstieg. Von der einstigen Vorburg führt ein schmaler Steig zur Donau hinunter.

Durch eine Doppeltoranlage mit einem Rundbogenportal gelangt man in den ersten Hof, an dessen rechter Längsseite sich der „Kasten“, ein ehemaliger Palas mit wuchtigem Tonnengewölbe und klobigen Mauerpfeilern hinzieht. Er ist hofseitig nur eingeschossig, doch weist seine nördliche Außenmauer drei Stockwerke auf. Ein rundbogiges Portal führt in das, im 16. Jahrhundert unterteilte Erdgeschoß. Aus Platzmangel wird der erste Hof an seiner Südseite nur von der hier zweigeschossigen Ringmauer begrenzt. Der hintere Teil des Hofes wurde im 17. Jahrhundert durch Wohntrakte verbaut. Durch ein weiteres gewölbtes Tor betritt man den langgestreckten zweiten Hof. Der hier befindliche, ursprünglich zweigeschossige, im 16. Jahrhundert aber aufgestockte und erweiterte Palas sowie die damals ebenfalls ausgebaute Kapelle gehören zum ältesten Baubestand. Links vom Eingang führte seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts eine doppelarmige Freitreppe in das Obergeschoß, wo sich die ehemaligen Wohnräume befanden. Sie ist jedoch 1932 eingestürzt. Im hinteren Teil dieses Hofes liegen, heute noch recht gut erhaltene, barocke Wohntrakte aus dem 17. Jahrhundert, die in Ziegel gemauerte, weitgespannte Kreuzgratgewölbe aufweisen. Sie stehen noch bis zum profilierten Dachgesims aufrecht. Der damalige schlossartige Umbau ist vor allem an den großen rechteckigen Fenstern erkennbar, die an einem mittelalterlichen Wehrbau natürlich unmöglich gewesen wären. Unter dem querliegenden ehemaligen Festsaaltrakt hindurch erreicht man den dritten und letzten Hof. Hier fällt vor allem der in der vorderen Hofecke liegende, in spätgotischen Formen pyramidenartig erbaute, aber bereits teilweise in Ziegeln aufgemauerte Mantelkamin der ehemaligen Burgküche auf. Gegenüber steht eine zweite Esse mit Mantelkamin. Man nimmt an, dass eine Rauchküche als Herrschaftsküche diente, während die zweite für die Besatzung und die Bediensteten gehörte. Von einem an die Ringmauer angebauten Gebäude aus dem 16. Jahrhundert führt ein Aufgang zum Hocheinstieg des die Anlage nach Westen abschließenden, sechsgeschossigen westlichen Bergfrieds.

Dieser stammt aus dem 12./13. Jahrhundert und gehört, wie auch der östliche Bergfried, zur frühen, spätromanischen Erweiterung der Altburg „Witenekke“. Der im Grundriss quadratische Turm hat eine Seitenlänge von 10 m. Er ist der am besten erhaltene Bau der ansonsten stark ruinösen Anlage. Im Spätmittelalter wurde er um zwei Stockwerke auf sechs Geschoße erhöht. Damals wurde er auch durch einen massiven keilförmigen Anbau an seiner Nordseite verstärkt. Seine Mauerstärke springt im Inneren von Stock zu Stock beträchtlich zurück. In den einzelnen Geschossen sind noch gotische, später mit Ziegeln vermauerte Fensteröffnungen erkennbar. Über eine Steinstiege im keilförmigen Turmanbau an der Nordseite gelangt man auf die im fünften Geschoß um den Bergfried führende Wehrgalerie, von der man eine gute Übersicht über die Burganlage hat. Sie war ursprünglich als hölzerner Wehrgang gestaltet, wurde aber im frühen 16. Jahrhundert durch einen von Konsolen abgestützten vorkragenden steinernen Umgang ersetzt. Nachdem dieser 1882 zum Teil abgetragen worden war, wurde er nach 1900 erneuert. Ebenfalls erneuert wurde der Turmabschluss, der am Vischer-Stich von 1672 noch ein hohes trapezförmiges Dach zeigt, das aber sicher auch nicht dem ursprünglichen Turmabschluss entsprach. Vermutlich war dieser als Pultdach gestaltet. Etwas nördlich von Weitenegg liegt am Weitenbach die ehemalige Herrschaftsmühle. Der Bau ist ein großer zweigeschossiger Vierseithof, der im Kern auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Die Fensterkörbe im Obergeschoß stammen vom Ende des 18. Jahrhunderts.

Lage: Niederösterreich/Donautal - 3 km westlich von Melk am linken Donauufer

Besichtigung: der Zugang zur Ruine ist meist versperrt, die Gesamtanlage kann jedoch gut von der an ihrem Fuß vorbeiführenden Wachau-Bundesstraße überblickt werden.


Weitere Literatur:


18.03.2017