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Ochsenburg


Als Markgraf Leopold II im Jahr 1085 seine Tochter Elisabeth mit dem Markgrafen Otakar II von Steiermark verheiratete, brachte diese in die Ehe reichen Grundbesitz im oberen Traisen- und Gölsental ein. Dazu gehörte auch das Gebiet um die Ochsenburg, das der Markgraf aber bald an Ministeriale vergab. 1161 wird ein Dietrich von Ossenburch urkundlich genannt, der einer steirischen Ministerialenfamiliet entstammte. Man vermutet, dass er bereits der Familie Neidberg angehörte, die ab 1218 auf der Ochsenburg ansässig war. Als die Babenberger an die Macht kamen, verloren die Neidberger vorübergehend ihr Lehen, blieben aber auch in dieser Zeit Pfleger auf der Burg. Damals wurde diese an die Herren von Altenburg verliehen, von denen 1284 ein Chunrad von Ochsenburg von Kaiser Rudolf I zum Vogt für einen Teil der St. Pöltner Klostergüter bestellt wurde. Etwas später ging die Herrschaft wieder als Lehen an die Familie Neidberg über. Um 1360 war die Herrschaft durch Gütertausch an die Drosendorfer Linie der Herren von Wallsee gekommen, die sie aber 1374 an Hans Püsendorfer verkauften. 1383 erwarben der St. Pöltner Propst Friedrich Pockfuß und der Konvent des Chorherrenstiftes St. Pölten die Ochsenburg mit ihrem beträchtlichen Grundbesitz. Das Stift blieb Eigentümer bis es 1530 beides an Veit Lassberger verkaufen musste. Die Ursache dafür ist sicherlich in der Einhebung der Türkensteuer zu suchen, die damals vor allem geistliche Grundeigentümer belastete. Die Ochsenburg blieb nun bis 1675 im Eigentum der Familie Lassberger, als sie von den Herren von Leisser erworben wurde.

1699 ging sie neuerlich durch Kauf an das Chorherrenstift St. Pölten. Unter Propst Christoph Müller von Prankenheim wurde der barocke Umbau, der bereits unter den Vorbesitzern begonnen wurde, vermutlich durch Jakob Prandtauer mit der Errichtung der Schlosskapelle vollendet. Am Vischer-Stich von 1672 ist der Ostflügel noch im Aufbau zu sehen. Propst Johann Michael Führer ließ das Innere für Don Manuel von Portugal teilweise neu ausstatten. Er war der Zwillingsbruder des portugiesischen Königs Johann V und wohnte 1733 auf der Ochsenburg. Nach der Aufhebung des Klosters durch Kaiser Josef II im Jahr 1784 kam das Schloss an den niederösterreichischen Religionsfonds. 1785 wurde das Nutzungsrecht an der Herrschaft der neuerrichteten Diözese St. Pölten übertragen. Eine Marmortafel über dem Portal weist darauf hin, dass 1821 Franz Schubert mit seinen Freunden Moritz von Schwind und Franz von Schober hier den Sommer verbrachte. Schober war ein Verwandter des Bischofs Dankesreiter, der die Einladung aussprach. Schubert komponierte hier Teile der Oper Alfonso und Estrella, für die Schober das Libretto verfasste. 1866 wurde die Ochsenburg bischöfliches Mensalgut. Im Zweiten Weltkrieg war im Schloss zuerst ein Lazarett für die Deutsche Wehrmacht und dann für die russischen Besatzungstruppen untergebracht. Als die Russen 1947 das Gebäude aufgaben, war es devastiert und unbewohnbar. Nach der 1949/50 erfolgten Renovierung wurde die Ochsenburg wieder von den St. Pöltner Bischöfen als Sommersitz benützt. In den letzten Jahrzehnten waren aufwändige Sommerresidenzen für die hohe Geistlichkeit nicht mehr zeitgemäß. So verzichtete zuletzt sogar Papst Franziskus auf seine Residenz in Castel Gandolfo. Bischof Klaus Küng von St. Pölten hatte schon einige Jahre zuvor auf den sommerlichen Aufenthalt in der Ochsenburg verzichtet und das weitgehend ungenutzte Schloss 2010 zum Verkauf gestellt. Da dieser aber nicht zustande kam, wurde beschlossen, das Gebäude zu restaurieren und gelegentlich zu vermieten.

Das schlichte frühbarocke Schloss liegt auf einem schroff abfallenden Felsvorsprung, 30 m über dem rechten Traisenufer. Es ist schon von weitem sichtbar. Ochsenburg ist heute der südlichste Stadtteil von St. Pölten. Ein steiles, schindelgedecktes Dach fasst die vier Flügel ungleichen Alters zu einem wuchtigen dreigeschossigen Vierkanter zusammen. Im Norden ist ihm das von Mauern und zwei Bastionen eingefasste Basteigärtchen vorgelagert. Die Außenfassaden sind mit einer einheitlichen Putzquaderung versehen. Die kleinen Erdgeschoßfenster sind meist durch Schmiedeeisengitter gesichert. Die großen Fenster des ersten Obergeschoßes weisen darauf hin, dass sich dahinter die Beletage befindet. Die deutlich kleineren quadratischen Fenster des zweiten Obergeschosses beleuchteten Neben- und Lagerräume. Der einzige Zugang liegt an der siebenachsigen Ostfront. Zwei steinerne Löwen bewachen eine Steinbrücke, die über den 2,5 m tiefen und 5,6 m breiten, trockenen Halsgraben führt. An ihrer Stelle befand sich einst eine Zugbrücke. Das große korbbogige Portal hat ein eisenbeschlagenes Holztor mit einem Mannloch in der Mitte. Über dem Tor fällt ein großes, mit einem schmiedeeisernen Korb versehenes Fenster auf. Durch die kreuzgratgewölbte Einfahrt gelangt man in den 15 m langen und 13,5 m breiten Innenhof. Seiner Nord- und Südseite sind dreigeschossige Galerien vorgelagert. Es handelt sich dabei um barocke Pfeilerarkaden mit je drei Korbbögen. Die heute durch Fenster geschlossenen Arkaden waren ursprünglich offen. Sie wurden erst um 1731 fertiggestellt. Über dem Portal hat sich hofseitig eine interessante Inschrifttafel des Propstes Christoph Müller von Prankenheim aus dem Jahr 1700 erhalten. Die Erdgeschoßräume weisen Kreuzgrat- und Tonnengewölbe auf, während die Räume der oberen Geschosse zum Teil Holzbalkendecken zeigen. Lediglich der Westflügel des Schlosses ist ein Renaissancebau, dessen Räume in allen Geschossen gewölbt sind. Unterkellert ist nur ein kleiner Teil des Ost- und des Westflügels. Aus dem Dach des Nordflügels springt ein Dachreiter, der eine Glocke enthält, vor. Er reicht jedoch nicht über den Dachfirst hinaus.

Die Beletage ist reich mit Stuckverzierungen und Deckengemälden aus dem 18. Jahrhundert ausgestattet, besonders im großen Salon, wo stuckierte Fruchtkränze große Jahreszeitenbilder rahmen. Arbeits- und Konferenzzimmer sind ebenso festlich dekoriert, wie auch das Jagdzimmer mit seinen Trophäen. Von der ursprünglichen Möblierung hat sich nichts erhalten. Prälat Karl Freiherr von Hackelberg-Landau war das letzte Mitglied seiner Familie und zugleich Herr auf Schloss Großpertholz. Er vermachte 1921 die dortige Einrichtung dem Bischof von St. Pölten, der damit Schloss Ochsenburg ausstattete. Glücklicherweise wurden die Möbel kurz vor dem Zweiten Weltkrieg ins Bischofspalais nach St. Pölten gebracht und entgingen so den Zerstörungen der folgenden Jahre. Das sog. „Salettl“ im Nordtrakt ist ein zweijochiger Raum mit reichem plastischen Stuck. Der Südtrakt wurde erst um 1698, vermutlich durch Jakob Prandtauer, errichtet. Hier befindet sich im Erdgeschoß der Eingang zur Schlosskapelle, die dem hl. Nikolaus geweiht ist. Wie es sich für einen geistlichen Besitz geziemt, ist sie das Prunkstück des Schlosses. Sie ersetzte eine bereits 1374 erwähnte Kapelle, die aber völlig verschwunden ist. Die jetzige Kapelle ist zweigeschossig und mit einem Tonnengewölbe versehen. Dieses sowie die Wandflächen sind mit spätbarocken Dekorationsmalereien bedeckt. Der rechteckige Raum wird durch drei große Fenster an der Südseite beleuchtet. Die Ausstattung des Sakralraumes mit den Wandmalereien, dem Altar und den Gemälden erfolgte unter Propst Mathias Alteneder in den späten 70er Jahren des 18. Jahrhunderts. Das Gemälde des repräsentativen marmornen Hauptaltares zeigt den hl. Nikolaus. Es wurde, gemeinsam mit vier weiteren Ölgemälden an den Längswänden, zwischen 1755 und 1779 von Martin Johann Schmidt, dem „Kremser Schmidt“ geschaffen. Der Osttrakt stammt nur in seinen Außenmauern aus der Renaissancezeit. Der barocke Ausbau erfolgte um 1672. Vor der Schlossbrücke wurde im Gedenken an Franz Schubert ein Brunnen errichtet. Unweit davon liegt ein zum Schloss gehörender vierflügeliger Meierhof. Er stammt aus dem 19. Jahrhundert, doch wurden bei seiner Errichtung vermutlich barocke Bauteile wiederverwendet.

Lage: ca. 7 km südöstlich des Stadtzentrums von St. Pölten

Ort/Adresse: 3100 St. Pölten

Besichtigung: An Sonntagen wird in der Schlosskapelle eine hl. Messe gelesen, die meist öffentlich zugänglich ist. Die sonstigen Innenräume können normalerweise nicht besichtigt werden. Eher selten finden im Schloss bzw. im Schlosshof Liederabende und Konzerte statt.


Weitere Literatur:


08.11.2016