Noch im Hochmittelalter machte man zwischen den Orten Mittergrabern, Schöngrabern und Obergrabern keinen Unterschied. Ein „Grawarn“ wird bereits um 1120 erwähnt. Die Namen weisen aber darauf hin, dass hier das Land der Herren von Grabern lag. Diese scheinen in diversen Urkunden bereits im 14. Jahrhundert auf, sind aber geographische nicht genau lokalisierbar. Sie dürften bald ausgestorben oder weggezogen sein, denn um die Mitte des 14. Jahrhunderts scheinen in Mittergrabern bereits die Herren von Sitzendorf auf. Diese verkauften ihren Sitz um 1370 an Jans von Tyrna. Als Mittergrabern 1409 an Jörg von Dachsberg veräußert wurde, wird es bereits als Feste bezeichnet. Im Erbweg ging diese an die Stubenberger über, die Hans Oberholzer als Pfleger einsetzten. Oberholzer war der Besitzer eines Meierhofes, der von den Stubenbergern zum Freihof erhoben wurde. Nach 1482 gehörte Mittergrabern einem Gefolgsmann des ungarischen Königs Matthias Corvinus, der nicht wegziehen wollte, als sich die politischen Verhältnisse geändert hatten und er eine Übergabevereinbarung akzeptiert hatte. 1493 musste Kaiser Friedrich III Druck ausüben, um sich wieder in den Besitz des Schlosses zu setzen. Im 16. Jahrhundert gehörte das landesfürstliche Lehen zuerst dem böhmischen Ritter Schwolski und dann ab 1559 dem Landmarschall Hans Wilhelm von Roggendorf. Er gilt als Erbauer des heutigen Schlosses, das wohl durch den Umbau eines bereits bestehenden Sitzes entstanden ist. 1610 scheinen die Grafen von Hardegg als Lehensnehmer auf, die aber bereits sieben Jahre später von der Familie Sonderndorf abgelöst wurden. Die nächsten Schlossbesitzer waren 1754 die Ludwigsdorf, dann die Grafen Fuchs und ab 1823 die Freiherren von Wacken. Von 1872 bis 1945 gehörte Mittergrabern den Grafen Waldstein, die die Herren von Wacken beerbt hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm das Land Niederösterreich Mittergrabern und richtete 1952 im Schloss eine landwirtschaftliche Fachschule für Mädchen ein. Seit einigen Jahren ist Mittergrabern wieder in Privatbesitz. In den Jahren 1986/87 erfolgte eine umfassende Restaurierung. Derzeitiger Eigentümer ist Dipl. Ing Paul Gessl.
Das Schloss liegt im Nordteil des gleichnamigen Ortes. Es ist von einem gepflegten Park umgeben. Das Schlossgebäude ist ein dreigeschossiger Kastenbau, an dessen Rückseite 1874 zwei kurze Flügeln und ein Stiegenhaus angebaut wurden. Seine nach Süden gerichtete Schauseite ist dem Park zugewendet. Ihr ist eine schmale Terrasse vorgelagert, von der eine geschwungene Steintreppe in den Garten bzw. Park führt. Die flankierenden Steinlöwen sind eine Zutat des 19. Jahrhunderts. Damals kam es zu mehreren Umbauten und Erweiterungen. So wurden 1834 der Turm und das Attikageschoß abgetragen. Die Fassaden des Schlosses weisen nur spärlichen Dekor auf. Dieser besteht vorwiegend aus der aufgemalten Eckquaderung und den profilierten Fensterverdachungen. Die Fenster des ersten Obergeschosses wirken durch die großen dunklen Fensterläden etwas ungewöhnlich. An der Ostseite hat sich im Erdgeschoß ein spätgotisches Spitzbogenportal erhalten, das in die ehemalige Kapelle führte. An der westlichen Seitenfront wurde 1694 eine Sonnenuhr aufgemalt. Die Räume des Erdgeschosses sowie die Halle im ersten Stock weisen Tonnengewölbe mit Stichkappen auf. Die Zimmer des Obergeschosses zeigen Flachdecken mit teilweise farbigen Stuckverzierungen aus der Zeit um 1730. Die beiden neobarocken Stuckdecken im ersten Obergeschoß wurden um 1870 gestaltet. Die Kapelle wurde 1878 neugotisch ausgestattet und mit einem Kreuzgratgewölbe versehen. Von der noch unter den Grafen Waldstein vorhandenen Inneneinrichtung ist kaum noch etwas erhalten. Die im Erdgeschoß aufgestellte barocke Figur des hl. Johannes Nepomuk vom Anfang des 18. Jahrhunderts befand sich ursprünglich im Schlosspark. Nur durch eine Straße vom Schlossareal getrennt liegt ein 1828 errichtetes zweigeschossiges Gebäude mit geschweiften Giebeln. Es handelt sich dabei um einen ehemaligen Speicherbau.
Lage: ca. 9 km nordwestlich von Hollabrunn
Besichtigung: nur von außen möglich
Weitere Literatur:
30.03.2016