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Schallaburg


Auf dem Hügel, auf dem sich das heutige Schloss befindet, wurden Besiedlungsspuren aus der ersten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends gefunden. Eine Schenkungsurkunde aus dem 9. Jh. erwähnt einen Bach namens „Scalaha“. Im 10. Jh. n. Chr. kam das umliegende Gebiet an die bayrische Familie der Sighardinger und schließlich an einen Zweig der Grafen von Burghausen, die sich dann nach Schala nannten. Aus dem 1043 genannten Pielachgau entwickelte sich allmählich die Grafschaft Schalla um Loosdorf, Pielach und Schallaburg. Erster bekannter Besitzer ist Graf Sighard von Schala, der 1104 in Regensburg ermordet wurde. Sein gleichnamiger Sohn war mit der Tochter des Markgrafen Leopold II von Österreich verheiratet. Er gilt als Bauherr der ersten größeren Burg an dieser Stelle. Kurz nach 1190 starben die Grafen von Schala aus. Ihre Burg kam über die verwandten Grafen von Peilstein, die 1218 ausstarben und die Grafen von Plain, die bis 1260 lebten, an den Landesfürsten, der die Schallaburg als Lehen weitergab. 1242 saß hier Otto von Ottenstein. 1286 belehnte Herzog Albrecht I, Otto von Zelking und dessen Frau Leukardia mit der halben Feste Schalla, doch dürfte schon dessen Vater hier ansässig gewesen sein und die andere Hälfte als Eigen besessen haben. Die Herren von Zelking fassten die einzelnen freistehenden Gebäude der bisherigen Burg zu einem unregelmäßigen Gebäudekomplex zusammen. 1413 erhielten sie die hohe Gerichtsbarkeit verliehen.

Im Erbweg kam die Herrschaft 1450 an das oberösterreichische Adelsgeschlecht der Losensteiner, die hier eine Seitenlinie begründeten und die Schallaburg bereits im Eigenbesitz innehatten. Christoph von Losenstein war kaiserlicher Rat und Hauptmann der Leibgarde des Thronfolgers. Sein Sohn Hans Wilhelm ließ die mittelalterliche Burg in ein großzügiges Renaissanceschloss verwandeln. Unter seiner Herrschaft wurde vor allem der prächtige Arkadenhof errichtet. Er baute das benachbarte Loosdorf zu einem protestantischen Zentrum des Landes aus. Außerdem gründete er dort 1574 eine „Hohe Schule“ zur Vorbereitung junger Adeliger auf das Universitätsstudium und ließ die neue Pfarrkirche errichten. Als er 1601 starb, hinterließ er trotz zweimaliger Ehe keine Kinder, aber riesige Schulden, so dass sein Erbe und Neffe Georg Christoph, die Schallaburg seinem Schwiegervater, Georg von Stubenberg, übergeben musste, der dann alle Forderungen erfüllte. Hans Wilhelm von Stubenberg musste 1660 aus religiösen Gründen die Herrschaft an die Familie der Kletzl von Altenach verkaufen. Diese veräußerten sie ein Jahrhundert später an Bartholomäus Freiherr von Tinti. Seine Nachkommen besaßen die Schallaburg bis 1940. Karl Gustav Freiherr von Tinti ließ 1906/08 den großen Arkadenhof renovieren. 1877/78 fand eine Neugestaltung der Repräsentationsräume statt. Der 1940 erfolgte Verkauf an den westfälischen Freiherrn Josef von Nagel-Doornick erwies sich nachträglich für die Schallaburg als keine glückliche Entscheidung, da diese nach Kriegsende von der russischen Besatzungsmacht zum deutschen Eigentum erklärt und requiriert wurde. In der Zeit bis zur Rückgabe 1955 wurde das Schloss schwer verwüstet. So dienten die Terrakottafiguren den Soldaten als Ziele für Schießübungen. Wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse wurde die Anlage bis 1965 weiterhin nicht gepflegt. 1967 erwarb das Land Niederösterreich die vor dem Verfall stehenden Gebäude. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Schallaburg grundlegend saniert und revitalisiert. Seit 1971 ist sie ein überregionales Kulturzentrum, in dem u. a. jährlich große Ausstellungen abgehalten werden.

Die Schallaburg besteht aus zwei Teilen: der mittelalterlichen Burg und dem Renaissanceschloss. Ältester Teil ist das „Feste Haus“, das um die Wende zum 12. Jahrhundert erbaut wurde. Diese Turmburg hatte eine Grundfläche von 23 x 11,5 Meter. Ihre Außenmauern ragen noch fast 20 m empor. Sie war fünfgeschossig und hatte im unteren Bereich eine Mauerstärke von mehr als zwei Meter. Der Eingang befand sich auf der Westseite in fast 7 m Höhe. Im Inneren war das Gebäude durch Flachdecken unterteilt, doch wurden diese später teilweise durch Tonnengewölbe ersetzt. Das dritte Geschoß wurde zur Gänze von einem fast sieben Meter hohen Saal eingenommen. Er ist noch durch die acht Rundbogenfenster erkenntlich. Nach dem Bau des Renaissanceschlosses wurde dieser, auch „Poggenhammer“ genannte Bau, nicht mehr für Wohnzwecke benützt. Seit dem 18. Jh. ist er eine dachlose Ruine. Die alte Ringmauer ist noch in einer Länge von über 100 m erhalten und umschließt die Feste von drei Seiten. Sie schützte das Feste Haus, den Bergfried, die Kapelle und eine 12 m tiefe Zisterne. Die Mauer ist durchschnittlich 15 m hoch. Als Baumaterial benützte man die Steine, die man bei der Aushebung des Halsgrabens gewonnen hatte. Der Raum zwischen der Feste und der Ringmauer wurde im 16. Jh. zu Kasematten verbaut. Aus der Romanik stammt auch die einst freistehende Kapelle südöstlich der Wohnburg. Aus dieser Zeit sind noch die ehemalige Krypta und die südöstliche Außenwand erhalten. Die Unterkirche erhielt später ein Kreuzgratgewölbe aus Hausteinen. An den gotischen Umbau im 14. Jh. erinnern noch zwei kleine Spitzbogenfenster und ein Gewölbeansatz. Kurz nach 1660 wurde die Kapelle neuerlich umgestaltet und ein neues Gewölbe eingezogen. Sie war dreischiffig angelegt, doch wurden im 18. Jh. die Säulen entfernt, so dass sich ein einheitlicher Raum ergab. Anlässlich der letzten Restaurierung stellte man das Hochgrab des Hans Wilhelm von Losenstein hier auf, das sich zuvor – allerdings zerlegt – in der Pfarrkirche von Loosdorf befunden hatte. Es dürfte vom Regensburger Bildhauer Hans Pötzlinger (1535 – 1603) geschaffen worden sein. Vom einstigen Bergfried sind nur mehr die Fundamente erhalten. Er hatte eine Seitenlänge von 9 m und durfte etwa 15 bis 20 m hoch gewesen sein. Der siebengeschossige Turm, der heute mit seiner Blechhaube weithin die Silhouette der Schallaburg bestimmt, hatte auf Grund seiner etwas schwachen Struktur keine Wehrfunktion und diente lediglich als repräsentativer Blickfang. Er gehört nur räumlich zur Altburg, ist aber ein Werk der Renaissance. Der kleine Arkadenhof war ein kleiner Vorhof, der im 14. und 15. Jh. durch verschiedene Wohn- und Wirtschaftsgebäude umbaut wurde. Seine endgültige Gestaltung erfolgte erst im 16. Jh. mit der Schaffung eines Verbindungsganges vom Wohntrakt zur Kapelle. Es handelt sich dabei um gedrungene Rundbogen-Lauben im Erdgeschoß, auf denen ein von schlanken toskanischen Säulen gebildeter Arkadengang ruht. Der an der Westseite zwischen der Ringmauer und der alten Festung eingebaute „Exzellenztrakt“ entstand in den Jahren nach 1540. Er diente der Herrschaft als Wohnung und war reich mit Fresken geschmückt, von denen sich größere Fragmente erhalten haben. Auch einige bemalte Balkendecken und Kachelöfen sind noch vorhanden.

Mit der Errichtung des Renaissanceschlosses wurde der alte Baubestand auf mehr als das Doppelte erweitert. Es ist das bedeutendste profane Renaissancebauwerk Niederösterreichs. Sein Kernstück ist der große Terrakottenhof, der als einer der schönsten Innenhöfe Europas gilt. Er wirkt wie aus einem Guss, doch wurden seine Bauten in zwei Phasen des 16. Jh. errichtet. Zwischen 1540 und 1550 wurde die Vorburg geschliffen und der nördliche Teil des Berings mit dem Bergfried abgetragen. Am Nordende des neugeschaffenen Hofes entstand ein zunächst freistehender Saalbau. Auf dem mächtigen Tonnengewölbe des heutigen „Waffenkellers“ liegt der große Saal, dessen Kassettendecke nach den Resten der alten Renaissancedecke 1881 nachgebaut wurde. Ab 1570 folgte dann der weitere Ausbau. Der Saalbau wurde mit dem einstöckigen Osttrakt und dem Westtrakt zu einer Dreiflügelanlage zusammengeschlossen. Der bis dahin eingeschossige Westtrakt wurde bei dieser Gelegenheit aufgestockt und der Nordflügel durch zwei markante Ecktürme verstärkt. Die an den Saal anschließenden Turmzimmer weisen noch die alte Groteskmalerei sowie Stuckbänder auf. Anschließend wurde den neuen Gebäuden ein Arkadengang vorgesetzt, der den direkten Zugang zu den Räumen des ersten Stocks ermöglichte, aber in erster Linie repräsentative Aufgaben als Wandelgang hatte. Er ist ein selbständiger Bauteil, der die gesamte Ost- und Nordseite umfasst und mit seinen beiden Aufgängen einen Teil der West- und Südseite beansprucht. Erst später wurde er durch das Vorziehen des Hauptdaches in die dahinter liegenden Gebäude einbezogen.

Im Gegensatz zur sonst üblichen Bauweise von mehrstöckigen Arkaden wurden im Obergeschoß Pfeiler und im unteren Bereich toskanische Säulen als Stützen verwendet. Jeder Bogen des Erdgeschosses trägt zwei Bögen des ersten Stocks. Die tragenden Elemente sind mit nicht weniger als 1600 Terrakotten bedeckt. Sie stellen Fabelwesen, mythologische Figuren, Wappen, Masken bzw. Fratzen dar und gingen auf Musterbücher niederländischer und nordwestdeutscher Künstler zurück. Vor allem Heinrich Aldegrever hat für viele Darstellungen die Vorlagen geliefert. Am Stiegenaufgang der Südostecke findet sich eine Signatur „Jakob Bernecker“, der allerdings nur einer von mehreren Hafnermeistern gewesen sein dürfte, die die Terrakotten schufen. Einige Figuren gehen auf Gustav Freiherr von Tinti zurück, der bei einer Restaurierung 1906 bis 1908 schadhaft gewordene Teile durch neu angefertigte ersetzen ließ. An der Innenwand des langen Ostflügels hängen Medaillons mit den Bildnissen von zwanzig römischen Kaisern. Terrakotten waren in der Renaissancezeit sehr beliebt, da sie wesentlich billiger und rascher herzustellen waren, als vergleichbare Steinplastiken. Sie waren ursprünglich bunt bemalt, so dass sich seinerzeit ein ganz anderer Gesamteindruck ergab. Der trapezförmige Hof wirkte längst nicht so vornehm wie heute. Die beiden Freitreppen und der achteckige Brunnen in seiner Mitte verleihen ihm zusätzliche Eleganz. Die Malereien an den Hofgebäuden entstanden um 1590. Der Arkadenhof war schon am Ende des 16. Jh. eine viel bewunderte Sehenswürdigkeit.

Im 16. Jahrhundert passte man die äußeren Wehranlagen den Erfordernissen „moderner“ Kriegsführung an. So sicherte man die Auffahrt zum Schloss durch das „Jägerstöckl“ mit einem angebauten Geschütz-Rondell. Das mit Scharwachtürmen und einer Zugbrücke über den sechs Meter tiefen Halsgraben versehene „Försterstöckl“ war die eigentliche Torburg. Über ihrem Haupttor ist die Jahreszahl 1573 angebracht. Darüber erkennt man einen Engel mit dem Losenstein- und dem Roggendorfwappen. Über dem kleinen „Einlasstörl“ befindet sich das aus Terrakotta gefertigte Doppelwappen Losenstein-Schärffenberg. Durch das Portal gelangt man über einen kleinen Vorhof in den großen Arkadenhof. Die südliche Angriffsseite wurde mit zwei kleinen Rondellen, einem Zwinger und einem Halsgraben mit Eckturm verstärkt. An der Nordseite sicherte eine Bastei, die zur Aufstellung von Kanonen bestimmt war, das Schloss. Im 16. Jh. wurden auch die Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude im Süden angelegt, die heute als „Gerichtsstöckl“ und „Neues Schloss“ bezeichnet werden. Zwischen ihnen und dem Bering der alten Burg liegt der 106 m lange und 60 m breite „Turnierhof“. Militärisch gesehen war er ein Glacis, das dazu diente, dem anrückenden Feind keine Deckung zu geben. In friedlichen Zeiten war er gärtnerisch gestaltet und fungierte wohl als Festplatz.

Lage: Niederösterreich/Alpenvorland – ca. 5 km südlich von Melk

Besichtigung: Von Mitte April bis Ende Oktober Sonderausstellungen sowie das Spielzeugmuseum Mo – Fr 09.00 – 17.00, Sa, So, Fei 09.00 – 18.00

Homepage: www.schallaburg.at


Weitere Literatur:


18.01.2003