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Salzburg - Chiemseehof


Der Chiemseehof ist ein umfangreicher Gebäudekomplex am Rande der Altstadt zwischen der Chiemsee-, der Kai- und der Pfeifergasse. Der Hof ist alter Kulturboden. Bei Ausgrabungen wurden Artefakte gefunden, die beweisen, dass hier eine große Badeanstalt der römischen Stadt Juvavum bestand. Er ist aber auch ein gutes Beispiel für die Verwandlung einer fürstlichen Residenz der Gotik und der Renaissance in eine Beamtenburg unserer Tage. Der seinerzeit wesentlich kleinere und bescheidenere Bau wird erstmals 1216 urkundlich erwähnt. Damals gründete der Salzburger Erzbischof Eberhard II das Bistum Chiemsee. Es war eine große Diözese, die vom Chiemsee bis nach Jochberg und vom Pass Strub bis zum Brixental reichte. Dem neuen Bischof wurde ein Haus als Residenz zugewiesen, das im Bereich des heutigen Spitals der Barmherzigen Brüder lag. Um 1300 erfolgte der Ausbau zur bischöflichen Residenz durch Bischof Albert. In den späteren Jahren wurde der bischöfliche Wohnsitz durch den Ankauf von Häusern bzw. durch Neubauten ständig ausgebaut. 1315 wurde der Garten angelegt und 1583 vergrößert. 1355 errichtete man eine Hauskapelle, die ein Jahr später geweiht wurde. Die Chiemseer Bischöfe waren Salzburger Suffraganbischöfe, d. h. sie waren zwar die ersten Prälaten unter den Salzburger Landständen, unterstanden aber den Salzburger Fürsterzbischöfen und waren in ihrer Selbständigkeit stark eingeschränkt.

Ihr Kloster war das Augustiner Chorherrenstift Herrenwörth auf der Herreninsel im Chiemsee, doch zogen sie es vor, in Salzburg nahe dem jeweiligen Fürsterzbischof zu residieren. Seit 1610 stammten ohnehin alle Chiemseer Bischofe aus dem Salzburger Domkapitel. Sie waren aber keine willenlosen Werkzeuge des Landesfürsten, sondern kämpften gelegentlich erbittert – wenn auch meist vergebens - gegen diesen um ihre Rechte. So brach 1595 aus einem geringfügigen Anlass ein Streit zwischen dem Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau und dem von ihm 1589 zum Bischof von Chiemsee ernannten Dr. Sebastian Cattaneo aus. Er war immerhin Hoftheologe und Generalvikar. Um den Zorn seines Erzbischofs auszuweichen, der keine andere Meinung als seine eigene duldete, zog er sich nach Herrenchiemsee zurück. Wolf Dietrich sperrte ihn darauf aus seiner Salzburger Residenz, dem Chiemseehof aus und verbot ihm sogar seine Winterkleider zu holen. Nicht einmal der Papst, an den sich Cattaneo gewandt hatte, konnte Wolf Dietrich zur Einsicht bringen. Auch Kaiser Rudolf II war machtlos. Schließlich gab Cattaneo 1604 auf und zog nach Mailand, wo er fünf Jahre später starb, ohne seine Salzburger Residenz je wiedergesehen zu haben.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts zerstörte ein Brand einen Großteil des mittelalterlichen Chiemseehofes, wobei auch das Archiv weitgehend vernichtet wurde. Als man 1694 begann, die schweren Schäden zu beheben, entschloss man sich zu einem weitgehenden Neubau, wodurch der Chiemseehof sein heutiges Aussehen erhielt. Es entstand ein viergeschossiges Ensemble, das nicht nur die Wohnung des Bischofs sondern auch Platz für die zahlreichen mit der Führung eines Bistums verbundenen Ämter enthielt. Natürlich wurde auch auf die Repräsentation nicht vergessen. So wurde im Erdgeschoß als Gartensaal eine Sala terrena eingerichtet. Eine aufwändige Treppenanlage führte in die oberen Stockwerke. Der bereits 1677 errichtete große Schüttkasten an der Pfeifergasse, in dem die Getreideabgaben der bischöflichen Untertanen gesammelt wurden, erhielt 1696 ein zusätzliches Stockwerk. Um 1800 erfolgte der Anbau eines Stöckels für den Kammerdiener des letzten Bischofs von Chiemsee, das 1873 um ein Geschoß erhöht wurde. Mit der Säkularisation von 1803 wurden in Bayern die geistlichen Fürstentümer aufgehoben. Davon war auch das Bistum Chiemsee betroffen. Als dieses 1806 behördlich aufgelöst wurde, ging der zuvor einige Jahre leer stehende Chiemseehof in österreichischen Staatsbesitz über. Er wurde dem Salzburger Erzbischof Johann Augustin Gruber zur Verfügung gestellt, der von 1824 bis 1835 hier wohnte.

In den Jahren 1833 bis 1835 diente er dem aus Spanien geflüchteten Prinzen Don Carlos als standesgemäßes Exil. 1862 wurde der umfangreiche Gebäudekomplex vom nunmehr österreichischen Kronland Salzburg erworben. Da dieses über keine geeigneten Räumlichkeiten verfügte, baute man vier Jahre später die oberen Räume des mächtigen Getreideschüttkasten im Nordtrakt in den vierachsigen Landtagssaal um. Im Lauf der Jahrzehnte wurde er mehrmals adaptiert. Sein wichtigster Schmuck sind heute drei große Landtafeln, die die Wappen der Vertreter der Landstände von 1620, 1706 und 1739 zeigen. Die meisten Räume des Riesenkomplexes wurden aber vorerst nicht benötigt, wurden vermietet bzw. der städtischen Feuerwehr zur Verfügung gestellt. Ein ehernes Gesetz besagt jedoch, dass jeder leer stehende Raum bald seine Bewohner findet. So war es natürlich auch in Salzburg. Es dauerte nicht lange und der Chiemseehof war nicht nur Sitz des Landtages sondern auch der selbständigen Landesverwaltung des Herzogtumes Salzburg. Heute sind in den ca. 160 Räumen fast 110 Landesbeamte in der Verwaltung des Bundeslandes tätig. 1873 wurde der Südtrakt zu Arbeits- und Repräsentationsräumen der Landesregierung umgestaltet. Den Umbauarbeiten fielen leider auch das Kumpfmühltor samt Zubauten und Verbindungsgang sowie die darüber liegende Chiemseehofkapelle zum Opfer. Die wertvolle Inneneinrichtung blieb aber weitgehend erhalten. Die ehemaligen Wohnräume des Bischofs dienen nun dem jeweiligen Salzburger Landeshauptmann als Repräsentations- und Arbeitsräume. Die Fassaden des Chiemseehofes wurden 1967 erneuert. 1977 wurde eine umfangreiche Innenrestaurierung durchgeführt.

Der Chiemseehof ist ein ausgedehnter dreiflügeliger Baukörper über einem unregelmäßigen Grundriss. Das Ensemble gehört heute zum UNESCO-Welterbe der Stadt Salzburg. Dennoch fällt es von außen nicht besonders auf. Der große, annähernd rechteckige Innenhof wird im Osten von einem stattlichen Gitter begrenzt. Die ehemalige bischöfliche Residenz ist aus verschiedenen Objekten entstanden, die aber nach dem Neubau von 1694 höhenmäßig weitgehend angeglichen wurden. Auch die Durchfensterung stammt aus dieser Zeit. Das Hauptportal liegt im dreigeschossigen Westtrakt (Chiemseegasse 8). Es wird von zwei toskanischen Säulen flankiert und von einem gesprengten Segmentgiebel abgeschlossen. Im Lünettengitter des Segmentbogens erkennt man das gemalte Wappen des Bischofs Sigmund Ignaz von Wolkenstein, der für den großen Umbau von 1694 verantwortlich war. Über dem Portal ist das steinerne Wappen des Landes Salzburg angebracht. Hofseitig ist die Portalzone mit dem Wappenstein des Bischofs Sigmund Ignaz von Wolkenstein geschmückt. Südseitig wird der Hof von einem Verbindungsgang begrenzt, der fünf segmentbogige Arkaden zeigt. Hinter den darüber liegenden Doppelfenstern liegt der sog. Bischofsgang. Er ist mit den Gemälden der Chiemseer Bischöfe geschmückt. Anschließend an das Hauptgebäude liegt ein viergeschossiger barocker Baukörper. Im Osten springt ein turmartiger Flügel vor. Der interessanteste Raum des Chiemseehofes ist das Kupferstichkabinett im Turmtrakt, die ehemalige Bibliothek. Der kleine rechteckige Raum kann durch eine Geheimtür betreten werden. Seine einheitliche Ausstattung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts mit seinen vertäfelten Wänden ist erhalten geblieben. In ihnen sind Kupferstiche in profilierten Rahmen eingelassen. Die ursprünglichen farbigen Miniaturen wurden aber von Bischof Franz Karl Eusebius Graf Waldburg-Friedberg-Trauchburg in sein Familienschloss Zeil transferiert. An der Decke findet man allegorische Darstellungen in Grisaillemalereien, die von Stuckmarmor umgeben sind. Auch die einheitliche Rokokoausstattung des Vorzimmers (um 1750) mit der farbigen Stuckdecke ist noch vorhanden.

Lage: Chiemseehofstraße 8

Ort/Adresse: 5010 Salzburg

Besichtigung: üblicherweise nur von außen möglich


Weitere Literatur:


26.12.2015