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Sierndorf


Die Ursprünge des Schlosses gehen auf die Herren von Sierndorf zurück, die wohl zu den Gefolgsleuten des Kadolt von Wehing gehörten. In den 60er-Jahren des 13. Jahrhunderts wird ein Albero von Sierndorf urkundlich erwähnt, auf den 1272 ein Swikerus de Syrendorf folgte. Die Sierndorfer waren aber kein sehr langlebiges Geschlecht. Schon nach wenigen Generationen erlosch die Familie um 1378. Zu den Herren von Sierndorf gehörte auch der kunstsinnige Propst Stephan von Klosterneuburg, der beim großen Stiftsbrand von 1330 die 1198 von Meister Nikolaus von Verdun geschaffenen Tafeln des Verduner Altares rettete, indem er sie ständig mit Wein übergießen ließ, um sie vor dem Schmelzen zu bewahren. Als Erben der Sierndorfer traten die Herren von Sunnberg auf. Sie verkauften die Herrschaft an die reiche Wiener Bürgerfamilie der Tirna. An sie erinnert ein kleiner Grabstein in der Schlosskirche. Nach ihrem Aussterben fiel Sierndorf an Christoph von Malzkasten. 1493 erwarben die Brüder Ludwig und Hans Thürnbacher die Herrschaft. Bereits drei Jahre später erwarb Hans von Zelking 1496 das landesfürstliche Lehen. Im Zuge einer Vermögensteilung übernahm sein Bruder Wilhelm 1505 die Herrschaft Sierndorf. 1510 konnte das bisherige Lehen in freies Eigen umgewandelt werden. Wilhelm von Zelking heiratete 1511 die aus Oberbayern stammende Margaretha von Sandizell, mit der er 16 Kinder hatte, von denen aber nur die Hälfte ihren Vater überlebte. Er baute um 1516 die alte Burg Sierndorf zum Renaissance-Wasserschloss aus. Von der mittelalterlichen Bausubstanz haben sich nur die Grundmauern und teilweise die geböschten Außenmauern erhalten. Er stiftete auch den bemerkenswerten Hochaltar sowie vier Seitenaltäre in der von ihm neu erbauten Kapelle.

Wilhelm von Zelking machte unter Kaiser Karl V Karriere. 1521 wurde er zum Ritter geschlagen. Er wurde Hauptmann zu Hainburg und dann Obersthofmeister der verwitweten Königin Maria von Ungarn. Er starb 1541 und wurde im Wiener Minoritenkloster bestattet, wo auch mehrere seiner Ahnen und Verwandten begraben wurden. Sein Sohn Karl starb 1577. Sein Totenschild ist über einer Empore der Schlosskirche angebracht. Unter den Herren von Zelking erlebte das Schloss seine erste Blütezeit. Es war Mittelpunkt und Verwaltungszentrum einer großen Herrschaft. Zu den Wirtschaftsbauten, die um 1550 am Schlossareal standen, gehörte auch ein Brauhaus, das aber 1778 privatisiert wurde. Aus finanziellen Gründen mussten die bereits hochverschuldeten Zelkinger 1604 die Herrschaft an die Familie Herberstein verkaufen. An sie erinnern ein Totenschild, ein Medaillon sowie ein eingemauerter Gruftdeckel in der Schlosskirche. Maria Susanna Herberstein brachte den Besitz 1696 in ihre Ehe mit Albert Ernst Graf Gurland ein. Möglicherweise war es seine Familie, die das Schloss barockisieren ließ. 1736 starben die fünf Kinder der erst selbst kurz zuvor zur Witwe gewordenen Gräfin Dorothea Josefa Gurland, so dass mit ihr 1749 die Familie erlosch. Ihr Neffe Leopold Graf Schallenberg erbte das Gut, verkaufte es aber bereits 1756 an Graf Rudolf Josef Colloredo. Seine Familie kam aus dem Friaul, wo sich ihr Stammvater, Liabordo (Liebhard) von Waldsee bzw. Wallsee um 1025 niederließ. Als ihre Stammburg gilt die von Wilhelm von Mels um 1305 errichtete Burg Colloredo die MonteAlbano. Von ihr hat die Familie ihren Namen übernommen. Ihr wirtschaftlicher Mittelpunkt wurde vor allem nach dem 30-jährigen Krieg Böhmen, wo sie mehrere Herrschaften (Opocno, Dobris, Zbiroh) besaß. 1763 wurde der Reichsvizekanzler Maria Theresias, Graf Rudolf Josef Colloredo, in den Reichsfürstenstand erhoben.

Nach der Übernahme von Sierndorf wurde das Schloss zumindest im Inneren neu ausgestattet. Da die Quellenlage unübersichtlich ist, wäre es auch möglich, dass es nicht die Gurlands sondern die Colloredos waren, die die Barockisierung des Renaissanceschlosses vornahmen. Seit der Einheirat der letzten Gräfin Mansfeld 1789, die deutlich zum Familienvermögen beitrug, führen die Fürsten den Doppelnamen Colloredo-Mannsfeld. Sie stellten im Laufe ihrer Geschichte hohe Politiker und Bischöfe, sowie Feldherren und Diplomaten. Mit dem Abbau der Wälle und Bastionen, die das Schloss umgaben und noch auf dem Vischer-Stich von 1672 dargestellt sind, verlor das Gebäude bis 1846 sein wehrhaftes Aussehen. Zu den letzten baulichen Veränderungen kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als an der Südseite des Innenhofes ein dekoratives Treppenhaus angebaut wurde. Damals musste auch das Gewölbe der Schlosskirche durch Camillo Sitte erneuert werden. 1895 kam es zu einer Erbteilung, bei der Graf Franz Ferdinand Colloredo-Mannsfeld Sierndorf übernahm, während sein älterer Bruder die böhmischen Güter erbte. 1940 wurde der Besitz durch das Deutsche Reich enteignet, aber 1950 der Familie Colloredo-Mannsfeld wieder zurückgegeben. Das für viele niederösterreichische Burgen verhängnisvolle Jahr 1945 hatte das Schloss relativ gut überstanden, doch war das Inventar großteils vernichtet und das Gebäude leicht beschädigt worden. Mittlerweile macht das Schloss wieder einen sehr gepflegten Eindruck. Die zahlreichen Mitglieder der Familie Colloredo-Mannsfeld leben heute vorwiegend in Österreich, Tschechien und der USA. Ihre nach 1945 neuerlich enteigneten tschechischen Besitzungen haben sie bis 2011 weitgehend zurück erhalten.

Das kastellartige Schloss Sierndorf liegt gemeinsam mit dem im Norden angeschlossenen Meierhof in einem weitläufigen englischen Park am Nordrand des Ortes. Es war von zwei Gräben und einem mit runden Eckbastionen verstärkten Wall umgeben. Ein Teil des Grabens hat sich an der Südseite und eine Eckbastion im Südwesten des Schlosses erhalten. Der Rest wurde noch vor 1846 eingeebnet. Der innere Graben war früher mit Wasser gefüllt. Er wurde von einer Zugbrücke überspannt. Die seinerzeitige Dominante der Anlage, der von einer Marienstatue gekrönte Turm, wurde 1878 wegen Baufälligkeit abgetragen. Die Marienstatue wurde von Johann Nepomuk Graf Wilczek für sein Schloss Moosham erworben. An der Stelle des Turmes steht heute ein geböschter Strebepfeiler. Die alte Wendeltreppe blieb jedoch erhalten. Das Gebäude ist eine vierflügelige, dreigeschossige Anlage, die einen großen Innenhof umschließt. Schauseite ist die lange Ostfront, in die die spätgotische Schlosskapelle und heutige Pfarrkirche integriert ist. Diese hebt sich nur durch die drei großen und ein kleines Spitzbogenfenster von der schlichten ungegliederten Schlossfassade ab. Sie wurden aber erst bei der 1896 vom Architekten Camillo Sitte durchgeführten Gesamtrestaurierung von der Hoffront hierher verlegt. Der anschließende Wohntrakt wird im Nordosten von einem schräg gestellten turmartigen Eckrisalit begrenzt. Ein weiterer findet sich an der Südwestecke des Gebäudes. Das aus der Renaissance stammende Rundbogenportal ist im 18. Jahrhundert barock verändert worden. Damals wurden über dem Triglyphenfries zwei Steinfiguren, David und Saul darstellend, angebracht. Darüber befindet sich ein von Putten gehaltenes Doppelwappen der Fürsten Colloredo. Die zahlreichen Fenster sind mit einfachen Steingewänden und grünen Holzläden versehen.

Durch eine dreijochige, mit Kreuzgewölbe und Bandlwerkstuck geschmückte Einfahrt gelangt man in den Innenhof. Seine Fassaden sind den Außenfronten angeglichen. Das Erdgeschoß des Südtraktes wurde im 19. Jahrhundert in segmentbogenförmige Arkaden aufgelöst. Sämtliche Erdgeschoßräume sind gewölbt. Im Südtrakt trägt eine toskanische Säule aus dem 16. Jahrhundert das Kreuzgratgewölbe eines quadratischen Raumes. Der Zugang zu den Repräsentationsräumen im ersten Stock erfolgt über eine von der Einfahrt emporführenden spätbarocken Prunktreppe. Ihre ornamentierte Steinbalustrade ist im zweiten Obergeschoß mit von Putten gehaltenen Ziervasen geschmückt. Vom Hof aus führen zwei Renaissance-Spindeltreppen sowie die neugotische Stiegenanlage an der Ostseite in die oberen Stockwerke. Hier sind die Räume flach gedeckt und meist reich stuckiert. Im Westtrakt liegt die Bibliothek mit einer originalen Einrichtung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Wände des zweigeschossigen Festsaals, der sich über die östliche Hälfte des Nordtrakts erstreckt, sind mit verschiedenfarbigem Stuckmarmor verkleidet. Wandpilaster schaffen eine einheitliche Gliederung des Raumes. Von besonderer Qualität sind die Supraporten und Kapitelle des Saales. Das leider stark restaurierte und übermalte Deckenfresko stellt die vier Jahreszeiten dar, wobei in das Programm auch die vier Kontinente (ohne das damals noch unbekannte Australien), die vier Tageszeiten und die vier Elemente einbezogen sind. Das Fresko ist von einer gemalten Scheinarchitektur, die die Wandarchitektur an die Decke verlängert, umgeben und stammt aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Sie ist ein Werk von Johann Carl Jacobe. Das Vorzimmer zum Festsaal wurde 1898/1902 durch den Prager Künstler Gottfried Raubalik mit Vogel- und Blumenmotiven ausgemalt. An den Festsaal schließt ein Turmzimmer an, dessen farbenfrohes Deckenfresko den entführten Ganymed in ebenfalls reicher Architekturumrahmung zeigt. Das Fresko stammt aus dem Jahr 1714 und wird dem Strudel-Schüler Johann Georg Schmidt (dem Wiener Schmidt) zugeschrieben. Auch hier sind die Wände mit Stuckmarmor verkleidet

Die der Gottesmutter geweihte Schlosskapelle wurde 1282 erstmals genannt, aber zwischen 1511 und 1516 als vierjochiger Saalbau neu errichtet. Sie dient seit der Sperre und dem folgenden Abriss der alten Ortskirche beim Friedhof seit 1784 als Pfarrkirche von Sierndorf. Daher musste ein vom Park zugängliches Portal geschaffen werden. Da sie zuvor als Privatkapelle diente, war sie nur vom Hof aus zugänglich. Der innen dreiseitige Chorabschluss ist außen nur durch das große Fenster als solcher erkennbar. Das feine Netzrippengewölbe wurde im Zuge einer umfassenden Restaurierung, bei der das Gewölbe erhöht wurde, 1896 erneuert. Das bedeutendste Kunstwerk der Kapelle ist ein Renaissance-Steinaltar aus dem Jahr 1518. Er galt lange Zeit als verschwunden, doch wurde er 1881 durch den Freiherrn Eduard von Sacken hinter einem barocken Altarverbau wiederentdeckt, mit dem er 1690 umgeben wurde. Die qualitätvollen Reliefs des Mittelteiles stellen die Verkündigung, die Himmelfahrt Mariens sowie das Schweißtuch der Veronika dar. In der Predella erkennt man die Anbetung der Hl. Drei Könige sowie die Stifter Wilhelm von Zelking und Margarete von Sandizell sowie die ersten fünf ihrer 16 Kinder. Die steinfärbig gestrichenen Lindenholzflügel zeigen Szenen aus dem Marienleben. Die vier Seitenaltäre aus der Zeit um 1520 wurden um 1700 durch Barockaltäre ersetzt. Bemerkenswert ist auch ein Taufstein in Astwerkgotik aus dem Jahr 1518. Hier wurden die Kinder Wilhelms von Zelking getauft. Zwei offene Emporen ragen in den Chorraum hinein. Ihre Fronten sind reich mit Maßwerk geschmückt. Sie ruhen auf schön gegliederten Kragsteinen. Ihre Gitteraufsätze stammen aus der Zeit um 1720/30. In fensterähnlichen Nischen des linken Oratoriums stehen zwei aus Kalksandstein gearbeitete und bemalte, lebensgroße Halbfiguren. Sie stellen den Stifter der Kapelle, Wilhelm von Zelking und seine Frau Margarete von Sandizell, dar. Es scheint, dass sie von diesem Scheinoratorium aus ewig das Geschehen am Hochaltar verfolgen. Beide Figuren sind mit 1516 datiert. Wie auch das Maßwerk, das die Emporen schmückt, stammen sie möglicherweise aus der Werkstätte Anton Pilgrams in Wien. Die beiden an den Wänden montierten Totenschilde gehörten Karl Ludwig von Zelking (gest. 1577) und Gotthard von Herberstein (gest. 1625).

Lage: Niederösterreich - ca. 7 km nördlich von Stockerau

Ort/Adresse: 2011 Sierndorf, Bez. Korneuburg

Besichtigung: nur von außen möglich. Die Kirche ist lediglich während der Gottesdienste geöffnet. Der Park ist frei zugänglich


Weitere Literatur:


20.11.2015