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Palais Harrach


Die Straßen zwischen der Schottenkirche und der Hofburg waren bereits seit dem ausklingenden Mittelalter ein bevorzugtes Wohngebiet des Hochadels in Wien. Im Jahre 1435 erwarb Jörg von Puchheim drei kleine Häuser an der Ecke Freyung und Herrengasse. Er ließ sie zu einem Wohnsitz zusammenbauen. Ein benachbartes Haus gehörte ursprünglich Hanns dem Puchsenmeister, der es 1435 an Erhart Poschendorfer veräußerte. Nach einem Häusertausch befand es sich im Besitz des fehdelustigen Wilhelm von Puchheim, zu dessen Wohn- und Wehrbauten auch die Burg Rauhenstein bei Baden (siehe dort!) zählte. Die Puchheimer waren eine reiche Adelsfamilie, die in Oberösterreich, aber auch in Niederösterreich und Salzburg umfangreiche Besitzungen und mehrere Schlösser hatten. Bekannt ist vor allem Schloss Puchheim bei Attnang. 1626 kaufte der Freiherr und spätere Reichsgraf Karl von Harrach die Stadthäuser der Puchheimer in Wien. Seine Familie stammte aus Südböhmen, wo sie im 13. Jahrhundert erstmals genannt wird, doch hatte bereits 1163 ein Thomas Harrach an einem Turnier in Zürich teilgenommen. Ob es sich bei ihm um einen Vorfahren unserer Harrachs gehandelt hat, ist jedoch nicht gesichert. Ihr Stammschloss lag in der Nähe von Krumau. Seine Ruine dürfte im 18. oder 19. Jahrhundert abgekommen sein. Karl von Harrach war Geheimer Rat und Minister von König Ferdinand II. Er konnte seine sechs Söhne und drei Töchter sehr gut verheiraten, wodurch sich das Familienvermögen stark vermehrte. 1627 wurde er in den Reichsgrafenstand erhoben. Einer seiner Schwiegersöhne war der berühmte Feldherr Graf Albrecht von Wallenstein. Auf einen seiner Feldzüge erkrankte er schwer, so dass er nach Wien gebracht wurde, wo er im Stadthaus seines Schwiegervaters gesund gepflegt wurde. 1658 veräußerte Leonhard Ulrich Graf Harrach das umgebaute Haus an der Freyung an die Landstände des Erzherzogtums Unter der Enns, die es aber noch im gleichen Jahr dem kaiserlichen Geheimen Rat und Obersten Erblandmarschall des Herzogtums Krain Johann Weikhard von Auersperg schenkten.

Kurz vor Beginn der zweiten Wiener Türkenbelagerung kam es 1683 in diesem Stadtbereich zu einem großen Brand, dem auch das Stadthaus der Auersperg zum Opfer fiel. 1689 erwarb Graf Ferdinand Bonaventura I von Harrach, kaiserlicher Botschafter in Spanien und Berater Kaiser Leopolds I, die Brandruine. Er ließ sich hier ein prächtiges barockes Stadtpalais errichten, wobei die noch brauchbaren Bauteile integriert und aufgestockt wurden. 1692 war der Rohbau bereits vollendet. Planer der ersten Bauarbeiten war Christian Alexander Oedtl, dem auch die Bauausführung oblag. Der Bauherr dürfte mit seinem Entwurf aber nicht voll zufrieden gewesen sein, da er den aus Lucca stammenden Architekten Domenico Martinelli nach Wien berief. Dieser schickte noch 1689 von Rom aus ein erstes Konzept nach Wien. Er nahm bis 1694 wesentliche Änderungen, besonders an der Fassade vor. Oedtl hatte als Hauptfassade die Herrengasse-Front vorgesehen und bereits mit den Bauarbeiten begonnen. Martinelli verzichtete hier auf große Änderungen und baute die von Oedtl als Nebenfront geplante Freyung-Seite zur Schauseite aus. Damit kam das Palais und vor allem das Hauptportal wesentlich besser zur Geltung, als es in der engen Herrengasse möglich gewesen wäre. Um einen repräsentativen Neubau mit einer Enfilade der Festräume schaffen zu können, musste die Freyung-Front um zehn Meter in den Platz vorgerückt werden. Die Ausgestaltung des Inneren war 1696 vollendet. Der Hof-Stukkateur Johannes Piazoll wurde 1691 mit der Ausschmückung der Decken beauftragt. Bis 1696 schuf er auch die Stuckarbeiten in der Kapelle sowie die Mosaik-Verkleidung der grottenähnlichen Sala terrena. Antonio Beduzzi war als Dekorationskünstler tätig.

Ab 1701 wurde Johann Lucas von Hildebrandt mehrfach für Änderungen herangezogen. Auf ihn dürfte auch der Aufbau des Kapellenaltares zurückgehen. Hildebrandt entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten zum Hausarchitekten der Familie Harrach und war auf nahezu allen ihrer Schlösser tätig. Unter anderem errichtete er das heute leider nicht mehr existierende Gartenpalais in der Ungargasse. Hildebrandt entwarf auch 1721 im Auftrag von Aloys Thomas Raimund Graf Harrach die „Saletta“ im Vorgarten am Spitz zwischen Herrengasse und Freyung. Es war ein eingeschossiger fünfachsiger Pavillon mit hohen Fenstern und einem mächtigen Mansardendach. Wegen der Saletta kam es zu einem Nachbarschaftsstreit unter den Hochadeligen Wiens. Der im gegenüber liegenden heutigen Palais Kinsky lebende Reichsgraf Wirich Philipp Daun beschwerte sich, dass ihm durch den Gartenpavillon die Aussicht verstellt und das Sonnenlicht reduziert worden sei. Es dürfte ihm aber nicht viel genutzt haben. Die anschließende, von ovalen vergitterten Öffnungen durchbrochene Gartenmauer wurde erst 1730 fertig. Graf Ferdinand Bonaventura lebte als Diplomat nur selten in Wien. Erst als er 1703 zum Obersthofmeister Kaiser Leopolds I ernannt wurde, konnte er sein Palais nichtig nutzen. Auch Graf Ernst Guido Harrach, der das Stadtpalais 1749 erbte, plante nicht hier zu wohnen, da er Schloss Prugg in Bruck/Leitha bevorzugte. Er vermietete sein Wiener Stadtpalais an den französischen Botschafter Marquis d’Hautefort und dann bis 1762 an seinen Onkel Ferdinand Bonaventura II Graf Harrach. In den Jahren 1844 bis 1850 kam es durch den Wiener Architekten Franz Schönthaler, der für Franz Ernst Graf Harrach arbeitete, zu größeren Umbauten, die vor allem Platz für die Gemäldegalerie bringen sollten. Dabei wurde auch die Fassade zur Freyung völlig umgestaltet und die Ausstattung der Wohn- und Repräsentationsräume im Stil des Zweiten Rokokos erneuert.

Für die Galerie war das oberste Geschoß vorgesehen. Dieses musste aber zuvor erhöht werden. Aus dem Mezzanin entstand ein Vollgeschoß. Die auf die verschiedenen Harrach-Schlösser in Böhmen und Österreich aufgeteilten Gemälde wurden nun in Wien konzentriert. Ein weiterer Zuwachs hatte sich durch den Verkauf des Gartenpalais in der Ungargasse ergeben. Zeitweise waren bis zu 1000 Werke ausgestellt. Die Sammlung hatte drei Schwerpunkte: 1) die von Graf Ferdinand Bonaventura in seiner Zeit als kaiserlicher Botschafter in Spanien und Frankreich erworbenen Gemälde spanischer und französischer Meister, 2) die von seinem Sohn Aloys Thomas Raimund als Botschafter und späterer Vizekönig von Neapel angekauften Werke der Neapolitanischen Schule und 3) Aloys Sohn Friedrich August, der Hofmeister der Erzherzogin Maria Elisabeth in Brüssel war, bereicherte die Sammlung um Gemälde flämischer und holländischer Meister. Schönthaler ließ auch die Front zur Herrengasse aufstocken. Der Fassadenschmuck blieb aber unberührt. Unter dem Architekten Franz Beer kam es ab 1853 zu weiteren Umbauten. Damals wurden die Attikafiguren von Franz Klieber aufgestellt. Die Familie Harrach verbrachte im 19. Jahrhundert meist nur die Winter in Wien, während sie im Frühjahr und Herbst auf Schloss Prugg lebte und im Sommer ihre böhmischen Besitzungen frequentierte. Ein Mitglied der Familie Harrach war bei den Armen Wiens besonders beliebt. Karl Borromäus Graf Harrach (1761 – 1829) gehörte zu den wenigen Adeligen der Habsburger-Monarchie, die Medizin studiert hatten. Er war zuerst als Armenarzt tätig, der seine Patienten kurierte, ohne ein Honorar zu kassieren. Medikamente stellte er ebenso gratis zur Verfügung, wie Nahrungsmittel, damit sie wieder zu Kräften kamen. Ab 1814 war er Primar des Wiener Elisabethinenspitals. Als er 1829 starb, vermachte er sein gesamtes privates Vermögen den Armen Wiens.

1886 wurde die Gemäldegalerie für das Publikum geöffnet. 1944 wurden die Flügelbauten des Gartenhofes durch Bombentreffer zerstört und die Fassade an der Freyung stark beschädigt. Hildebrandts Saletta wurde komplett vernichtet. Sie hatte in den Jahrzehnten zuvor als Verkaufsniederlage der böhmischen Glasfabriken der Familie gedient. Glücklicherweise waren die Gemälde der Sammlung im Zweiten Weltkrieg ausgelagert und in den Stollen eines Salzbergwerks aufbewahrt worden. Beim Wiederaufbau des Palais in den Jahren 1948 bis 1952 versuchte der Architekt Michel Engelhart den barocken Originalzustand des 18. Jahrhunderts wiederherzustellen. Als Vorlage dienten alte Ansichten der Hauptfassade. Damals wurden auch die zwischen 1774 und 1785 abgetragenen Giebel über den Seitenrisaliten erneuert. Der im 19. Jahrhundert errichtete Wintergarten wurde wieder abgetragen. Bis 1969 befand sich die damals bedeutendste private Gemäldesammlung Österreichs im Palais, doch wurde diese schließlich nach Schloss Rohrau (NÖ) transferiert, wo sie sich noch heute befindet. Das Palais blieb bis 1975 im Besitz der Familie. Als die Gräfin Stefanie Harrach dieses verkaufte, waren die Kriegsschäden im Inneren noch nicht behoben. Das Gebäude stand nun lange leer, wodurch die Substanz weiter litt. 1981 erwarb die Stadt Wien das Palais von der Wohnbaugesellschaft GESIBA. Pläne hier das Kulturamt der Stadt Wien unterzubringen, konnten nicht verwirklicht werden. Nach einem neuerlichen Eigentümerwechsel erwarb 1990 die Immobiliengesellschaft ÖRAG den Bau, ließ ihn durch den Architekten Manfred Wehdorn restaurieren und nutzt ihn seither als Mietobjekt. Das Dach wurde erneuert und ausgebaut. In den Prunksälen des ersten Stocks fanden von 1994 bis 2003 Sonderausstellungen des Kunsthistorischen Museums statt, doch wurde die Zusammenarbeit schließlich wieder beendet.

Das Palais Harrach steht am Beginn der Entwicklung des hochbarocken Palastbaues in Wien. Die dreizehnachsige Fassade an der Freyung wird durch die beiden übergiebelten zweiachsigen Seitenrisalite und ein rundbogiges Portal in der Mitte betont. Die senkrechte Gliederung erfolgt durch korinthische Riesenpilaster, die alle drei Geschosse zusammenfassen. Die Fenster der Beletage sind mit segmentbogigen und dreieckigen Verdachungen versehen. Über dem repräsentativen Mittelportal springt ein, auf zwei freistehenden toskanischen Säulen ruhenden Steinbalkon vor. Zwei Rundbogennischen flankieren das Tor. Über dem Mittelfenster ist ein steinernes Wappen der Familie Harrach angebracht. Dieses besteht im Original aus einer goldenen Kugel, die mit drei silbernen Straußenfedern besteckt ist. An den Enden der Hauptfront gibt es zwei kleinere und einfachere Rundbogentore. Die zur Schottengasse gerichtete Seitenfassade ist konkav geknickt. Das vieleckige Treppentürmchen ist ein Rest des abgerissenen Wintergartens. Das hinter dem Hauptportal liegende querovale Vestibül führt durch ein Rundbogentor zum rechteckigen Großen Hof. Seine Pfeilerarkaden sind verglast bzw. verblendet. Eine Hofecke ist mit einem Brunnen geschmückt, dessen Wasserspeier als Maskaron ausgebildet ist. Im gesprengten Segmentgiebel des Brunnenaufsatzes steht eine große steinerne Ziervase. An der linken Hofseite führt ein Durchgang zum Kleinen Hof, der an das benachbarte Palais Ferstel grenzt. Auch seine Pfeilerarkaden sind heute weitgehend verglast. Die Verbindung zur Ferstel-Passage wurde erst bei der letzten großen Renovierung geschaffen. Vom Vestibül gelangt man rechts zur Sala terrena. Dieser Eckraum im rechten Seitenrisalit stellte seinerzeit die Verbindung zum im 19. Jahrhundert endgültig verbauten Garten her. An der Stelle der Saletta befindet sich heute die Einfahrt in eine öffentliche Tiefgarage.

An der linken Seite des Vestibüls öffnet sich eine fast quadratische, von zwei Fenstern erhellte Halle, in drei Bögen zum Treppenhaus. Die Feststiege wurde aus „Kaiserstein“, einem besonders harten Leithakalk errichtet.Der Stiegenaufgang ist für die Zeit seiner Erbauung ungewöhnlich prunkvoll und farbig. Eine Mitteltreppe führt zu einem Wendepodest, von dem man dann gegenläufig über zwei seitliche Arme die Beletage erreicht. Die roten Marmorbalustraden dieser Arme sind an ihren Enden mit Vasen besetzt. Zwei reich verzierte Rotmarmor-Portale ermöglichen den Zugang zur Antecamera. Ihr mit Cherubsköpfen und Fruchtgehängen stuckiertes Spiegelgewölbe stammt noch vom Ende des 17. Jahrhunderts. Die Wände sind mit Boiserien verkleidet. Die Ausgestaltung der Innenräume wurde in den vergangenen Jahrhunderten stark verändert. Der Stuck des Treppenhauses wurde erst im 20. Jahrhundert angebracht. Jener der Repräsentationsräume entspricht zwar dem 17. Jahrhundert, wurde aber im Zuge der Umbauten nach 1844 wesentlich ergänzt. Viele Ausstattungsstücke, wie z. B. die zahlreichen Supraportenbilder befanden sich ursprünglich im ehemaligen Gartenpalais der Familie Harrach in der Ungargasse. Sie sind der letzte Rest der Harrachschen Gemäldegalerie, der sich im Stadtpalais erhalten hat. Der 1853 von Franz Beer konzipierte Festsaal ist ein wichtiges Werk des Zweiten Rokokos in Wien. Seine Wände zeigen eine rötlich-graue Stuccolustro-Verkleidung und der Plafond vergoldete Stuckarbeiten. Der intarsierte Parkettboden ist noch original.

Antonio Beduzzi dürfte das dreiteilige Deckenfresko der Galerie geschaffen haben, doch wurde es im 19. Jahrhundert teilweise übermalt, so dass eine hundertprozentige Zuschreibung nicht möglich ist. Als Architekturmaler ist an seinen Schwiegersohn Ippolito Sconzani zu denken. Während die links von der zentralen Galerie angeordneten Salons für den Hausherrn bestimmt waren, residierte im rechten Trakt die Gräfin. Die hochbarocke Ausstattung (um 1720) dieser Räume ist großteils erhalten geblieben. An der Ecke zur Herrengasse liegt die zweigeschossige Hauskapelle. Sie wurde 1703 durch den Wiener Bischof Franz Anton Graf Harrach der „Unbefleckten Empfängnis Mariens“ geweiht. 1782 fiel sie den Reformen Kaiser Josefs II zum Opfer und wurde aufgelassen. Später wurde sie vorübergehend wieder reaktiviert. Ihr ovales Kuppelfresko wurde von Johann Michael Rottmayr um 1720 geschaffen. Es zeigt die Maria Immaculata mit Gottvater. Die Wände des zweijochigen Saales werden durch rote korinthische Marmorpilaster gegliedert. Ihre vergoldeten Kapitelle sind mit Engelsköpfen verziert. Der prunkvolle Marmoraltar wurde 1718 von Antonio Beduzzi entworfen. Als Bildhauer der zwei Engelsstatuen wird Lorenzo Mattielli vermutet. Das Altarbild ist die Kopie eines Gemäldes von Jusepe de Ribera, das sich in der Harrachschen Gemäldesammlung befindet. Es zeigt natürlich ebenfalls die Maria Immaculata. Das Herrschaftsoratorium wurde durch Beduzzi mit intarsierten und vergoldeten Holzverkleidungen ausgestattet. Der Bandlwerkstuck sowie die Putten der Decke sind Santino Bussi zuzuschreiben. Die tonnengewölbte Keller unterhalb des Mitteltraktes wurden ursprünglich als Stallungen verwendet. In der leider zerstörten Saletta Hildebrandts befand sich ein großer Mittelraum, der von Gaetano Fanti ausgemalt worden war.

Lage: derzeit ist nur der Innenhof öffentlich zugänglich

Ort/Adresse: 1010 Wien, Freyung 3


Weitere Literatur:


26.08.2015