ARCHIV


Gefährdete Objekte

Schlosshotels

Personenverzeichnis






Rotenturm


Im 14. Jahrhundert befand sich in der Nordwestecke des heutigen Schlossareals eine mittelalterliche Wasserburg, die durch die Pinka bzw. durch die von ihr gespeisten Wassergräben recht gut geschützt war. 1424 wird sie als \"castrum Wereswar\" erstmals urkundlich genannt. Vörösvar ist auch heute noch der ungarische Name von Rotenturm. Damals verpfändete Stephan de Vörösvar Rotenturm an Berthold von Ellerbach in Eberau, der die bereits verfallene Burg neu aufbaute. 1434 erwarb er sie durch Kauf. 1496 wurde sie an den Fürstprimas von Gran Thomas Bakócz, der sich nach seinem Geburtsort Erdödy nannte, veräußert. Dieser schenkte sie gemeinsam mit der Herrschaft Eberau seinem Neffen Peter Bakócz, der den Namen Erdödy de Monyorókerék (Eberau) annahm und zum Stammvater der Grafen Erdödy wurde. 1523 ist in einer Urkunde von einem „gsloss“ in „Ruttenthuren“ die Rede. Als es 1532 innerhalb der Familie zu Besitzstreitigkeiten kam, nahm Peter Erdödy die Burg mit Gewalt ein. Acht Jahre später wurde sie von den Stubenbergern zerstört. Bei archäologischen Grabungen konnten 2010 beim ehemaligen Schlossteich Mauerreste der Wasserburg aufgefunden werden. Unter Georg von Erdödy nahm die Familie im 17. Jahrhundert einen gewaltigen Aufschwung. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde das sog. „Alte Schloss“ errichtet. Georg II Graf Erdödy ließ den Bau um 1810 wieder abreißen und um 1825 in der Südwestecke des Schlossparks ein einfaches Kastell errichten. Es wurde bereits fünf Jahre später aufgestockt, aber 1972 wegen Baufälligkeit abgetragen. Um 1840 begann man den bisherigen barocken Schlosspark in einen englischen Landschaftsgarten zu verwandeln. Das heutige Schloss wurde in den Jahren 1862 bis 1864 unter Oberstallmeister Stephan Graf Erdödy erbaut. Er hatte bereits um 1860 den bekannten ungarischen Architekten Miklos Ybl, der viele Bauten im Stil des Historismus erbaut bzw. umgebaut hatte, für die Errichtung eines zeitgenössischen Schlosses gewinnen wollen, doch hatte dieser abgelehnt. So beauftragte er den von Ybl empfohlenen Budapester Architekten Anton Weber, einem Schüler von Theophil Hansen und Pietro Nobile, mit dem Neubau. Die Pläne wurden von Weber gezeichnet, für ihre Ausführung war der Baumeister Johann Lang aus Pinkafeld verantwortlich.

Unmittelbar nach der Fertigstellung des Schlosses folgte seine Glanzzeit. Bis 1929 war hier die Kunstsammlung des Grafen Julius Erdödy und seiner Gattin Emilie untergebracht, doch wurde 1924 bei einem Schlossbrand ein großer Teil der Inneneinrichtung vernichtet. Auch das Erdödysche Familienarchiv und das Geheimarchiv des Fürsten Franz II Rákóczi konnten nicht gerettet werden. Aus Geldmangel musste auf eine umfassende Restaurierung des Schlosses verzichtet werden, so dass eintretendes Regenwasser weitere Schäden verursachte. Als Ludwig Graf Erdödy, der letzte Vertreter des Rotenturmer Familienzweiges 1929 starb, wurde die bereits schwer verschuldete Herrschaft von Graf Nikolaus Szecheny übernommen. Die noch vorhandenen Kunstwerke wurden versteigert. Unter den folgenden Schlossherren befand sich kurzzeitig der tschechische Geiger Jan Kubelik. 1934 kam es zu einer Versteigerung,, bei der eine Budapester Bank den Zuschlag bekam. Das Schloss stand aber weiterhin leer. Am Ende des Zweiten Weltkrieges, aber auch noch in den Jahren danach, wurde das nach der sowjetischen Besatzung unbewohnte Schloss sowohl außen als auch innen von ungebetenen Gästen komplett verwüstet. Auch der ursprünglich bestens gepflegte Park verwilderte völlig. Trotz zaghafter Versuche, einen Käufer zu finden, fand sich niemand bereit, größere Summen in die Wiederbelebung des rasch zur Ruine gewordenen Schlosses zu investieren, umso mehr als kein neuer Verwendungszweck gefunden werden konnte. Daran änderte sich auch wenig, als Rotenturm 1971 vom Land Burgenland übernommen wurde. Man setzte große Hoffnungen auf einen Prinzen aus dem Morgenland, die sich aber letzten Endes zerschlugen. Die Rettung kam erst 2008, als Prof. Heinz Schinner das Gebäude erwarb. In Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt schritt die Restaurierung des Äußeren rasch fort. Rotenturm ist ein schönes, aber leider seltenes Beispiel dafür, dass ein bereits verloren geglaubtes Kulturgut noch gerettet werden kann, wenn der Besitzer über den Willen und das dafür notwendige Kapital verfügt. Wie weit das Innere seinen alten Glanz wieder erhalten kann, werden die nächsten Jahre zeigen, wenn die derzeit laufenden Arbeiten abgeschlossen sind. Die Pläne des Schlossherrn sehen vor, das Obergeschoß privat zu nutzen, während die Repräsentationsräume im Erdgeschoß für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden sollen.

Schloss Rotenturm gehört zu den bedeutendsten historistischen Landschlössern Österreichs. Das eigenartige Schlösschen ist ein romantisch-eklektischer Bau in maurischen Formen. Wie im Historismus üblich, benutzte Anton Weber Dekorationselemente aus den verschiedensten Stilepochen. Vorherrschend sind romanische und maurische Formen, aber auch Gotik und Renaissance kommen nicht zu kurz. Das rote Ziegelmauerwerk ist im österreichischen Schlossbau selten, wenn auch im 19. Jahrhundert einige große Bauten wie das Wiener Arsenal oder etliche Kasernen aus ihm erbaut wurden, doch darf man nicht vergessen, dass Rotenturm mit dem Burgenland zur Zeit seiner Errichtung zu Ungarn gehört hatte. Das Schloss macht einen relativ zierlichen Eindruck, doch hatte es gemeinsam mit dem abgerissenen Kastellteil ca. 70 Zimmer. Im ebenerdigen Längstrakt steckt vielleicht im Kern das Alte Schloß. Es war durch einen Quergang mit dem etwa quadratischen Hauptteil verbunden. Die dem Park zugewandte zweigeschossige Schauseite ist dreigeteilt. Dominiert wird das Gebäude durch den campanileartigen vierstöckigen Turm an der Ostecke. Er weist im obersten Geschoß eine umlaufende offene Loggia auf. Der anschließende zweigeschossige Mittelteil ist dreiachsig. Ihm ist in seiner ganzen Breite eine weitere offene Loggia vorgelagert. An ihn schließt ein schmaler dreigeschossiger Trakt an, der von einem Stufengiebel gekrönt und mit Blendzwerggalerien versehen ist. Die Fassaden sind mit rötlichen Klinkerziegeln verblendet, die vor ihrer Restaurierung bereits große Schäden aufwiesen. Nun kommt der reiche plastische Fassadenschmuck aus weißem Sandstein wieder besser zur Geltung. Das seinerzeit prunkvoll ausgestattete Vestibül führt zur einst prachtvollen Stiege. Die an der Westecke des Schlosses liegende zweigeschossige Kapelle war ursprünglich mit Stuckdekor und Fresken von Karl Lotz ausgestattet. Auch die Säle wurden von Lotz dekoriert. Bis vor kurzem waren praktisch alle Innenräume zerstört und ruinös. Lediglich der Festsaal wurde vor etlichen Jahrzehnten notdürftig restauriert, hatte aber dabei seinen ehemaligen Charme verloren. Von der ursprünglichen Einrichtung hat sich nur eine Madonnenfigur aus Carrara-Marmor von Carl Steinhäuser erhalten, da sie rechtzeitig aus dem Schloss entfernt und in der Rotenturmer Pfarrkirche aufgestellt wurde. Dort befindet sich auch heute der Krönungsstuhl, der von Kaiser Karl 1916 bei der Krönung zum ungarischen König benutzt wurde. Thomas Graf Erdödy, der Bruder des letzten Rotenturmer Erdödy, war Sekretär des letzten österreichischen Kaisers. Er hatte den Stuhl übernommen und in der Schlosskapelle von Rotenturm aufstellen lassen. 1976 wurde im Speisesaal eine bemalte Kassettendecke aus dem Jahr 1850 eingebaut. Sie stammt aus der ehemaligen niederösterreichischen Landesirrenanstalt in Wien. Einige Fragmente der Ausstattung wie zwei Supraporten, deren Malereien den Frühling und den Sommer darstellen, haben sich in der Ungarischen Nationalgalerie in Budapest erhalten.

Lage: 5 km südöstlich von Oberwart im Zentrum des gleichnamigen Ortes.

Ort/Adresse: 7501 Rotenturm an der Pinka

Besichtigung: nur von außen möglich

Homepage: www.schlossrotenturm.at


Weitere Literatur:


16.08.2015