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St. Pölten - Bischofssitz


Die Diözese St. Pölten wurde erst 1785 durch Kaiser Joseph II gegründet. Im Gegensatz zu den anderen österreichischen Diözesen wurde als Sitz des Bischofs kein bestehendes oder neu errichtetes Stadtpalais gewählt. Aus Ersparnisgründen bezog der Bischof die Gebäude des im Wesentlichen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts neu errichteten, aber vom Kaiser 1784 aufgehobenen Augustinerchorherrnstiftes St. Pölten. Dieses Stift war das älteste Kloster Niederösterreichs. Es wurde vermutlich bereits um 800 als Benediktinerkloster gegründet und um 1020/30 in ein Weltpriesterkollegiatsstift umgewandelt. Nach 1080 widmete es Bischof Altmann von Passau als Augustinerchorherrenstift. Vom Kloster der Karolingerzeit sind bisher keine architektonischen Spuren aufgedeckt worden. Die ältesten Funde stammen aus der Romanik. Sie wurden bei Renovierungsarbeiten in der Domkirche entdeckt. Die Stiftsgebäude waren anfangs wohl aus Holz. Ende des 12. bzw. anfangs des 13. Jahrhunderts erfolgte ihr erster Ausbau. Damals erreichte das Stift den ersten Höhepunkt seiner Entwicklung. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Stiftskirche und die Klostergebäude durch einen Brand schwer beschädigt. Da das Stift praktisch inmitten der Stadt St. Pölten liegt, kam es durch Brände der umliegenden Häuser, die auf das Stift übergriffen, immer wieder zu schweren Beeinträchtigungen. So fand ein weiterer Großbrand bereits 1358 statt. Auch der größte Brand der Stadtgeschichte im Jahr 1474 führte zu schweren Schäden, vor allem an den Dächern. Die Wiederherstellungsarbeiten zogen sich bis nach 1500 hin.

Nach einer weiteren Brandkatastrophe im Jahr 1621 erlebte das Stift unter Propst Johannes VIII Fünfleutner eine neue Blütezeit. Er beschränkte sich nicht auf die Behebung der Schäden, sondern ließ einen kompletten Neubau errichten, wobei er zuvor alle mittelalterlichen Gebäude abreißen ließ. In den nächsten Jahrzehnten kam es unter den Pröpsten Christoph Müller von Prankenheim und Johann Michael Führer zur fast völligen Barockisierung des Stiftes, die in den Händen von Jakob Prandtauer und Josef Munggenast lag. Damit waren natürlich große Ausgaben und hohe Schulden verbunden, doch konnten diese bis 1780 weitgehend abgebaut werden. Die Aufhebung des Klosters kam daher eher überraschend. Erster Bischof der neu eingerichteten Diözese war der bisherige Bischof von Wiener Neustadt Johann Heinrich von Kerens. In dieser Funktion bezog er Räumlichkeiten im ehemaligen Augustinerchorherrenstift. Unter den späteren Bischöfen ist vor allem Michael Memelauer zu nennen, der von 1927 bis 1961 die Diözese führte. Nachdem 2005 Bischof Kurt Krenn nicht ganz freiwillig resignierte und ein anderes Domizil zugewiesen bekam, ist seither Dr. Klaus Küng im Amt. Die Bischöfe bewohnen aber nur einen kleinen Teil des großen Stiftareals. Der Rest wird von diversen kirchlichen Stellen genützt. So befindet sich im ersten Obergeschoß des Kreuzganghofes das Dom- und Diözesanmuseum.

Die meist zweigeschossigen Bistumsgebäude sind um drei große Höfe (Kreuzgang-, Brunnen- und Binderhof) gruppiert. Der Zugang erfolgt durch das repräsentative Bischofstor im Osten. Es befand sich ursprünglich etwas weiter westlich, wurde aber 1908 abgetragen und am jetzigen Platz wieder aufgebaut. Das Hauptportal ist eine von Pilastern flankierte Korbbogenöffnung. Es wird von einem Dreiecksgiebel abgeschlossen, der an der Außenseite das Wappen des Bischofs Johann Heinrich von Kerens und an der Innenseite die Jahreszahl 1785 zeigt. Der Giebel ist von zwei Putti gekrönt, die Kreuz, Buch und das brennende Herz des Augustinus in den Händen halten. Seitlich sind außen und innen je zwei weibliche Allegorien (Standhaftigkeit, Mäßigung, Klugheit und Gerechtigkeit) angebracht. Die beiden seitlichen Fußgängerportale sind mit je zwei Putti geschmückt. Die Wohn- und Arbeitsräume des jeweiligen Diözesanbischofs liegen im 1739 errichteten Gästetrakt des Brunnenhofes. Sie sind über die 1735 von Josef Munggenast errichtete Bischofsstiege zu erreichen. die von einer prunkvollen Schmiedeeisentür aus dem Jahr 1727 abgeschlossen wird. Die bischöfliche Hauskapelle befindet sich im Obergeschoß des Osttraktes des Brunnenhofes. Sie ist ein schlichter dreiachsiger Raum unter einer Flachdecke. Das Altarblatt zeigt die Muttergottes mit Jesus und dem jungen Johannes.

Die Kerensbibliothek liegt zwar im Obergeschoß des Nordtraktes des Kreuzganghofes, ist aber zum Brunnenhof hin ausgerichtet. Die Flachdecke des hohen dreiachsigen Raumes ist mit Fruchtkörben und Rankenwerk reich stuckiert. Sie wurde 1785 von Bischof Kerens für seine Privatbibliothek eingerichtet. Unter anderem werden hier 121 Handschriften vom 13. bis zum 15. Jahrhundert verwahrt. Sie stammen aus aufgelassenen niederösterreichischen Chorherrenstiften. Wesentlich prächtiger ausgestattet ist die im Obergeschoß des Westtraktes des Kreuzganghofes liegende, dem Domplatz zugewandte, ehemalige Stifts- und jetzige Diözesanbibliothek. Sie wurde 1727 bis 1739 im Auftrag von Propst Johann Michael Führer von Jakob Prandtauer eingerichtet. Die Fresken schufen Paul Troger und Daniel Gran, die Skulpturen stammen von Peter Widerin. Die Stuckarbeiten sind Werke von Johann Christoph Kirschner und Johann bzw. Antonio Pöckh. Bemerkenswert sind auch die plastischen Türaufsätze sowie jene der Bücherschränke. Der an den Brunnenhof im Westen anschließende Binderhof diente ursprünglich als Wirtschaftshof. Nach der Bistumsgründung wurden seine Trakte zu Wohnungen der Domherren ausgebaut. Im Norden liegen die kümmerlichen Reste der Stifts- und Bischofsgärten mit dem 1726 von Josef Munggenast nach einem Entwurf von Jakob Prandtauer erbauten fünfachsigen Gartenhaus. Es ist mit Attikaskulpturen geschmückt. Die Fresken an seinen Fassaden zeigen Scheinarchitekturen und Blumenvasen sowie humorvolle Szenen mit Tieren und Menschen. Im Inneren weist es drei Kuppelgewölbe auf, die von Bartolomeo Altomonte 1780 mit Fresken versehen wurden.

Ort/Adresse: 3100 St. Pölten, Klostergasse 14

Besichtigung: nur von außen bzw. von den Höfen aus möglich


Weitere Literatur:


29.06.2015