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Scheibbs Schloss


Funde zeigen, dass schon römische Legionäre auf dem Areal des heutigen Schlosses einen Wachtposten unterhalten hatten. Unter den Römern bzw. den von ihnen abhängigen Kelten bestand hier um 250 n. Chr. eine Wehranlage der Provinz Noricum. Diese verfiel in der Zeit der Völkerwanderung, diente aber der einheimischen Bevölkerung in unruhigen Zeiten immer wieder als Fluchtburg. Im Hochmittelalter gehörten große Teile des oberen Erlauftales den Grafen von Peilstein. Diese waren eine Nebenlinie der Sieghardinger. Sie hatten große Besitzungen in Österreich, Bayern, Franken und Friaul. Der Vorläufer des heutigen Schlosses dürfte um 1120 unter Konrad I von Peilstein als Verwaltungszentrum seiner hiesigen Herrschaft erbaut worden sein. Scheibbs war damals eine Grenzsiedlung gegen Karantanien. Von den dort lebenden Slawen hatte man im 11. und 12. Jahrhundert noch großen Respekt. Von Scheibbs aus konnte jederzeit der Verkehr im Erlauftal kontrolliert werden. Der um 1150 in einer Urkunde als Zeuge genannte Otto de Schibis zählte zu den Gefolgsleuten der Grafen von Peilstein. Er war von ihnen als Verwalter des kleinen Wehrbaues eingesetzt worden. Der Vorläufer des späteren Schlosses war mit Ausnahme der Kirche das einzige gemauerte Gebäude weit und breit und wurde daher als „Gemäuer“ bezeichnet. Langsam entstand um ihn eine kleine Siedlung, in der vor allem Handwerker und Händler hausten. Nach dem Aussterben der Peilsteiner fiel Scheibbs um 1218 an die Babenberger und wurde landesfürstlich. Unter Herzog Albrecht II von Habsburg kam der Markt Scheibbs als Geschenk 1338 an die Kartause Gaming. 1342 kaufte Friedrich der Häusler „das halbe Haus zu Scheibbs“ von Weichard dem Plankensteiner. Die andere Hälfte war damals noch im Besitz von Wernhard dem Schafferfelder, einem Schwager des Plankensteiners. 1349 verkaufte Friedrich der Häusler den Wehrbau gemeinsam mit seiner Herrschaft Liebegg an Herzog Albrecht II, der ihn nachdem er vorübergehend den Plankensteinern überlassen worden war, dem von ihm 1330 gegründeten Kartäuserorden in Gaming schenkte. Das wieder instand gesetzte und später stark ausgebaute „Feste Haus“ diente bis zur Aufhebung des Klosters 1782 als Verwaltungsgebäude des Gaminger Oberamtes Scheibbs und als Sitz des Amtmannes. Neben dem Kastneramt hatte hier auch das Hofgericht seinen Sitz. Dies ist insoferne bemerkenswert, als die Kartäuser ansonsten keine Wehrbauten auf ihren Territorien duldeten und diese schleifen ließen, sobald sie in ihren Besitz gelangten.

Der jeweilige Prior der Kartause hielt sich gerne in Schloss Scheibbs auf. Ein großes Kastengebäude nahm den Zehent der Grundholden – meist Getreide – auf. 1595 kam es zu einer Erhebung der Scheibbser Bürger und zwei Jahre später der Bauern gegen die Grundherrschaft, wobei der Prior von Gaming jeweils im Schloss gefangen gehalten wurde. Beide Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Prior Hilarius Danisius ließ 1611 das noch mittelalterliche Gebäude großzügig zum vierflügeligen Schloss ausbauen, wobei ältere Bauteile aus dem 13. bis 15. Jahrhundert in den Neubau einbezogen wurden. Nach der Klosteraufhebung von 1782 durch Kaiser Josef II übernahm die k. k. Staatsgüter-Administration das Schloss, verkaufte es aber 1826 an Ignaz und Luise Müller. Danach gelangte es an die Familie Sallaba. 1867 kam es an den Industriellen Andreas Töpper, der dem Erlauftal durch seine Unternehmungen einen beträchtlichen Aufschwung brachte. Seine Witwe verkaufte den Besitz 1881 an den Direktor der Neusiedler Papierfabrik, Eduard Musil, der die Walzblechfabrik im benachbarten Neubruck in eine Papierfabrik umgewandelt hatte. Sein Nachfolger, Dr. Fritz Hamburger, erwarb 1906 Schloss Scheibbs. Mit der Papierfabrik kam das Schloss dann an die Familien Schöller und Greinert. 1954 übernahm das Land Niederösterreich die Anlage. Nach einer umfangreichen Restaurierung, bei der auch die bisher vermauerten Arkadengänge des Erdgeschosses wieder freigelegt wurden, brachte man im Schloss verschiedene Behörden, wie die Bezirkshauptmannschaft, den Bezirksschulrat und das Bezirksgericht unter. Die restlichen Räume wurden vermietet.

Schloss Scheibbs ist aus einer Burg-Kirchenanlage des frühen Mittelalters entstanden. Noch heute ist es durch einen Schwibbogen mit der Pfarrkirche verbunden. Das Schloss liegt am höchsten Punkt der Altstadt in der Südostecke der einstigen Marktbefestigung. Das Ortsgebiet war an der Südseite durch den natürlichen Einschnitt des Schöllgrabens weitgehend geschützt. Die Ostseite hingegen benötigte eine zusätzliche Sicherung durch einen künstlichen Graben, der heute aber verschwunden ist. Die südliche und östliche Ringmauer der Burg war zugleich ein Teil der Marktummauerung. Zwei runde Ecktürme mit Kegeldächern sind noch erhalten. Sie sind mit Schlüsselscharten und Lichtschlitzen ausgestattet. An drei Seiten war die Burg von einem Zwinger geschützt, der mit schlanken Rundtürmen verstärkt war. Sie dienten jedoch eher der Repräsentation als der Verteidigung. Der Zwinger fehlt lediglich an der Seite der benachbarten Pfarrkirche. Das Schloss ist eine fast quadratische Anlage mit einer Seitenlänge von ca. 53 m. Ebenfalls nahezu quadratisch ist der große Innenhof. Er ist an allen Seiten von zweigeschossigen, 7 bis 11 m breiten ehemaligen Wohntrakten umgeben. Die Abschrägung der Nordwestkante zum Hauptplatz hin markiert den einstigen Torbau. Hier ist auch heute noch der Zugang zum Innenhof. Über der Einfahrt ist ein Balkon mit schmiedeeisernem Gitter angebracht. Dem Portal ist ein einfacher Dreiecksgiebel aufgesetzt. Dieser Bereich wurde um 1870 von Andreas Töpper umgestaltet.

Die Außenfronten des Schlosses sind betont schlicht gehalten. An der Nordostecke überragt ein 23 m hoher quadratischer Turm, die ihn umgebenden Dächer um zwei Stockwerke. Obwohl er mit einer Seitenlänge von nur sieben Meter relativ schwach ist, handelt es sich bei ihm um den ehemaligen Bergfried der ersten Anlage. Er ist heute fünfgeschossig und mit einem flachen Zeltdach gedeckt. Er besitzt keine Fenster. Das Innere wird nur durch schmale konische Lichtschlitze erhellt. Der Zugang erfolgt im zweiten Obergeschoß. Eine schmale spitzbogige Tür verbindet ihn hier mit dem Dachboden des benachbarten Nordtraktes. Wie Balkenkanäle vermuten lassen, dürfte sich außen im fünften Geschoß ein hölzerner Wehrgang befunden haben. Auf Grund des kleinteiligen Bruchsteinmauerwerks, dessen Zwickelmaterial größtenteils aus alten Dachziegeln besteht, dürfte der Turm im 14. Jahrhundert erbaut worden sein. Ebenso alt sind die Außenmauern im Norden, Süden und Osten, sowie ein 47 m langer und 10 m breiter Bau an der Südfront. Den gotischen Fenstern der Hofseite nach zu schließen, handelt es sich dabei um den Palas. An der Südwestecke ist dem Westtrakt ein viergeschossiger, in der oberen Hälfte achteckiger Turm mit einer 1956 erneuerten Zwiebelhaube angebaut. Die meisten Gebäude sind im Kern noch mittelalterlich. So ist der Nordtrakt mit 1471 bezeichnet. Dem Süd- und dem Westtrakt sind hofseitig zweigeschossige Arkadengänge vorgebaut. Ihre Kreuzgratgewölbe ruhen auf abgefasten Viereckpfeilern.

Am Westflügel führt eine steile steinerne Außentreppe zu dem, von einem prachtvollen Schmiedeeisengitter abgeschlossenen Arkadengang des Obergeschosses empor. Das Gitter wurde um 1600 aus der Kartause Gaming hierher übertragen. Eine weitere Außentreppe führt am Südtrakt zu einem Vorraum der ehemaligen Schlosskapelle empor. Diese bestand seit 1510 und wurde um 1850 aufgelassen, als im Schloss die Bezirkshauptmannschaft eingerichtet wurde. Ihre Einrichtung wurde später zur Ausgestaltung der Kapelle des Landespflegeheimes verwendet. Diese Schlosskapelle lag im Südtrakt über den Speicherräumen des Erdgeschosses. Daher befand sich früher am Dach ein kleiner Dachreiter. Er wurde 1896 entfernt. Die Apsis des schmalen Baues tritt an der Ostfront des östlichen Berings leicht vor. Für einen kirchlichen Eigentümer war die Kapelle mehr als bescheiden, doch hatten die Kartäuser ja noch die mit dem Schloss verbundene große Pfarrkirche zur Verfügung, die aus der ehemaligen Burgkirche entstanden war. Das bequeme Stiegenhaus im Nordtrakt weist auf einen frühbarocken Umbau hin. Es ist durch ein repräsentatives Hofportal zugänglich, das mit 1611 bezeichnet ist. Die flankierenden Pilaster sind mit imitierten Buckelquadern verziert. Über dem Sturzbalken ist ein mit seitlichen Voluten geschmückter Dreiecksgiebel aufgebaut. Neben dem Portal ist eine große, in Freskotechnik gemalte Sonnenuhr aus dem Jahr 1731 zu sehen. Sie zeigt das Wappen der Kartause Gaming.

Die benachbarten Fenster weisen schöne schmiedeeiserne Rokoko-Körbe aus der Zeit um 1750 auf. Sie wurden 1953 aus dem, dem Bau des Kraftwerkes Ybbs-Persenbeug zum Opfer gefallenen Schloss Donaudorf hierher übertragen. In der Mitte des von hohen Bäumen bestandenen Hofes befindet sich ein 1956 aufgestellter Brunnen mit dem Gaminger Wappenlöwen auf einer toskanischen Säule. Das Schmiedeeisengitter, das den Brunnen umgibt, ist mit 1831 datiert. Die heute modern und zweckmäßig eingerichteten Innenräume weisen im Erdgeschoß meist Kreuzgrat- und Tonnengewölbe aus der Bauzeit um 1600 bzw. des frühen 17. Jahrhunderts auf. Im Obergeschoß findet man vorwiegend Flachdecken. Im Nordtrakt liegt ein Raum mit einem abgefasten Mittelpfeiler vom Anfang des 17. Jahrhunderts, der das Stichkappentonnengewölbe trägt. Die Repräsentationsräume des Priors lagen im Obergeschoß des West- und des Nordtraktes. Sie sind mit floral stuckierten Decken und bemalten Deckenmedaillons um 1720/30 ausgestattet. Das Deckengemälde im kleinen Sitzungssaal des Westtraktes stellt die Glorie des Hl. Bruno, des Gründers des Kartäuserordens, dar. Es ist von Medaillons mit Putten und Karthäuserwahlsprüchen umgeben und mit Carl Unterhuber 1723 signiert. Die ehemaligen Pferdestallungen im Erdgeschoß des Westtraktes dienten hundert Jahre lang dem Bezirksgericht als Arrestzellen. Zwischen 1955 und 1957 wurden sie in einen Sitzungssaal verwandelt.

Lage: Niederösterreich - ca. 25 km südlich von Ybbs

Ort/Adresse: 3270 Scheibbs, Rathausplatz 5

Besichtigung: Das Schloss dient heute als Verwaltungsgebäude, daher ist es im Inneren in der Regel nicht zu besichtigen. Der Innenhof ist jedoch frei zugänglich.


Weitere Literatur:


24.06.2015