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Mirabell


Um 1580 erfreuten sich die Salzburger Domherren nicht gerade des Rufes besonderer Frömmigkeit. Sie waren meist zweitgeborene Mitglieder adeliger Familien und waren für den geistlichen Beruf bestimmt, da sie keine Aussicht hatten, den Familienbesitz zu erben. Eine zweite Versorgungsmöglichkeit wäre lediglich eine militärische Karriere gewesen. Diese hätte auch Wolf Dietrich von Raitenau bevorzugt, doch hatte seine Familie anders entschieden. So ist es zu verstehen, dass er bereits mit 12 Jahren Stiftsherr und mit 16 Jahren Domprobst von Basel wurde. Im Alter von 28 Jahren wurde er 1587 in einer Zeremonie zum Priester und gleich auch zum Erzbischof von Salzburg geweiht. Wichtig waren vor allem die Einnahmen aus diesen Ämtern. Wie auch bei geistlichen Renaissancefürsten üblich, hielt er sich eine Mätresse. Salome Alt sollte ihm im Laufe ihrer Beziehung nicht weniger als 15 Kinder schenken. Um den sozialen Unterschied zwischen einer Kaufmannstochter und dem Fürsterzbischof zu verkleinern, verlieh ihr Kaiser Rudolf II auf Ansuchen Wolf Dietrichs das Prädikat „von Altenau“. Es bezog sich auf die Privatresidenz, die der Fürsterzbischof für seine umfangreiche illegitime Familie 1606 errichtet hatte, das heutige Schloss Mirabell. Nach Plänen des italienischen Architekten Vincenzo Scamozzi entstand, angeblich innerhalb von sechs Monaten, am rechten Ufer der Salzach, außerhalb der Stadtmauern, eine burgartige Anlage mit einem kupfergedeckten Turm in der Mitte. Von diesem mehrstöckigen Gebäude ist noch ein Teil in der Südwestecke des heutigen Schlosses erhalten.

Wolf Dietrich konnte sich seines Besitzes aber nicht lange erfreuen, denn als es 1611 zum Krieg gegen Bayern um die Salzhandelsrechte kam, floh er nach Moosham, wurde dort gefangen und bis zu seinem Tod im Jahre 1617 auf Hohensalzburg festgehalten. Schon fünf Jahre zuvor hatte er zugunsten seines Neffens, Markus Sittikus, Graf von Hohenems, abgedankt, der von den Domherren zu seinem Nachfolger bestimmt wurde. Dieser änderte sofort den Namen Altenau auf Mirabell, um die Erinnerung an diese unstandesgemäße Liaison auszulöschen. Er vergrößerte die Gärten, nahm aber am Gebäude keine Veränderung vor. Als sein Nachfolger Paris Graf Lodron Salzburg mit neuen Bastionen befestigte, wurde Schloss Mirabell in das Stadtgebiet einbezogen. Er hielt sich gerne hier auf, wo er auch 1653 starb. Erst Erzbischof Franz Anton Fürst Harrach beauftragte Johann Lukas von Hildebrandt mit einem großzügigen Umbau. Die Arbeiten dauerten von 1721 bis 1726. Es entstand ein prächtiger spätbarocker Stadtpalast, der an der Ostseite über dem Mittelrisalit einen massiven Turm mit einem hohen, zweimal eingeschnürten Kuppelhelm besaß. Die beiden breiten Eckrisalite waren mit Mansarddächern gedeckt. Die Giebel der Risalite und die Attika waren mit Sandsteinfiguren und -vasen geschmückt. Während der Bayernherrschaft von 1810 bis 1816 lebte hier Ludwig I als bayrischer Kronprinz. Hier wurde auch sein Sohn Otto, der später griechischer König wurde, geboren. 1816 wurde Salzburg wieder österreichisch und Schloss Mirabell kam als Sommerresidenz in kaiserlichen Besitz. Der Palast Hildebrandts ist in seiner ursprünglichen Form nicht mehr erhalten, da 1818 ein verheerender Stadtbrand auch Schloss Mirabell weitgehend zerstörte. Dabei wurden ein Großteil des kostbaren Inventars sowie die Deckenfresken von Johann Michael Rottmayr und Gaetano Fanti vernichtet. Lediglich der Westtrakt blieb weitgehend erhalten. Der klassizistische Wiederaufbau erfolgte unter Peter von Nobile in stark vereinfachten Formen. So wurde auf den Mittelturm komplett verzichtet, was den Gesamteindruck stark beeinträchtigt. Anschließend wurde das Gebäude vermietet. Von 1854 bis zu seinem Ableben 1858 wohnte hier als Gast des Kaisers der Kapuzinerpater Joachim Haspinger, der Freund und Kampfgenosse Andreas Hofers. 1866 kam der Mirabellgarten als kaiserliche Schenkung in den Besitz der Stadt. Vier Jahre später konnte sie auch das Schloss erwerben. Seit 1950 ist es Sitz des Salzburger Bürgermeisters und der Stadtverwaltung.

Das Schloss ist ein dreigeschossiges vierflügeliges Gebäude um einen weitläufigen Innenhof. Während die, von einem klassizistischen Giebel abgeschlossene Straßenfront Nobiles etwas langweilig wirkt, hat die Hofseite des Parktraktes noch ganz das Hildebrandt’sche Aussehen. Besonders die ovalen Oberstockfenster mit ihrem verschlungenen Ranken- und Riemenwerk sind für ihn charakteristisch. Glücklicherweise blieben vom Werk Hildebrandts einige wesentliche Teile weitgehend vom Feuer verschont, so das schwungvolle Treppenhaus, der prächtige Marmorsaal und die zweigeschossige Schlosskapelle. Zum Treppenhaus gelangt man durch eine zwischen dem Hof und den Gärten gelegene Eingangshalle. Mit seinen zarten Stukkaturen im Stil des frühen Rokokos ist die „Engelsstiege“ wohl der schönste Teil des Schlosses. Die Stiege läuft an drei Seiten eines quadratischen Schachtes und wird von zwei Absätzen unterbrochen. In den Wandnischen stehen überlebensgroße mythologische Figuren. An der Innenseite der Treppe sind die freistehenden Pfeiler mit einer durchbrochenen, reichverzierten Balustrade aus weißem Marmor verbunden. Auf ihr sitzen spielende Putti, die teilweise Bronzelampen tragen. Sie und auch die Nischenfiguren stammen aus der Werkstatt von Georg Raphael Donner. Das Deckenfresko war vermutlich von Gaetano Fanti, hat aber den Stadtbrand nicht überstanden. Besonders repräsentativ ist auch der zweistöckige Marmorsaal, der heute dem städtischen Standesamt als Trauungssaal dient, sofern nicht gerade Konzerte oder andere Veranstaltungen in ihm stattfinden. Er wurde von Jakob Gall reich mit vergoldetem und weissen Stuck dekoriert. Die Wände sind durch nach unten verjüngte Pilaster gegliedert. Sie sind mit Stuckmarmor belegt, während der Fußboden, die Türpfosten und die Kamine aus Marmor gearbeitet sind, wobei die Brauntöne überwiegen. Johann Michael Rottmayr schuf das Deckenfresko, das ebenfalls dem Feuer von 1818 zum Opfer fiel. In der südöstlichen Ecke des Schlosses liegt die Kapelle. Sie wurde ebenfalls sehr aufwändig gestaltet. Ihre dominierenden Elemente sind die gekrümmten Stuck- und Marmorflächen, der in Grau und Rot gehaltene Altar sowie die Balustrade der Empore, von der aus die Fürsterzbischöfe am Gottesdienst teilnahmen.

Zum Gesamtkunstwerk des Schlosses gehören natürlich auch die Gärten, die ihr barockes Gepräge weitgehend erhalten haben. Sie entstanden 1687 im Auftrag von Fürsterzbischof Johann Ernst Graf Thun nach Entwürfen von Johann Fischer von Erlach und wurden 1730 durch Franz Anton Danreiter entscheidend verändert. Die Hauptachse des Gartens ist nicht wie üblich auf die Schauseite des Schlosses ausgerichtet, sondern auf die Türme des Doms und die dahinterliegende Festung Hohensalzburg. Ottavio Mosto war 1690 der Schöpfer zahlreicher Parkplastiken, wie der Figurengruppen der vier Elemente. Aus der Zeit Salome Alts stammt noch ein kleiner Brunnen, der Susanne im Bade darstellt. Mit Fischer von Erlach verbindet man die riesigen Urnen, die die Anlage bereichern. Auch das Vogelhaus ist ein Werk des 17. Jh. Eine besondere Sehenswürdigkeit stellt der, auf einer durch die Befestigungsanlagen entstandenen Terrasse liegende, Zwerglgarten mit seinen grotesken Marmorfiguren von Gnomen und Narren dar, der um 1715 angelegt wurde. Einstmals sollen bis zu 28 Zwerge den Bastionsgarten bevölkert haben. Der bayrische Kronprinz Ludwig ließ sie aber versteigern, da er fürchtete, dass seine Frau, die damals schwanger war sich „verschauen“ und ein ähnliches Kind zur Welt bringen könnte. Einige von ihnen konnten nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurückerworben werden, einige stehen noch im Park von Schloss Leopoldskron. Ein wenig abseits liegt ein Heckentheater, das zwischen 1710 und 1718 von Mathias Diesel geschaffen wurde und zu den ältesten seiner Art im deutschsprachigen Raum zählt. Dahinter hatte man 1877 das Zauberflötenhäuschen aufgestellt, das zuvor in einem Hof des Wiener Freihauses stand und in dem Mozart 1791 seine „Zauberflöte“ komponierte.

Lage: Salzburg/Stadt Salzburg – Mirabellplatz

Besichtigung: das Gebäude ist teilweise frei zugänglich


Weitere Literatur:


13.01.2003