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Wien - Pötzleinsdorfer Schloss


Pötzleinsdorf wird bereits 1112 als Pezelinisdorf erstmals erwähnt. Grundherren waren die Grafen von Burghausen, die im Gefolge der Babenberger ins Land gekommen waren. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts gehörte die Herrschaft der Familie Liechtenstein auf Nikolsburg und den Herren von Kuenring-Seefeld. 1638 wurde der damalige Schlossbau während des Dreißigjährigen Krieges von den Schweden völlig zerstört. Von 1642 bis zu seiner Aufhebung durch Kaiser Josef II im Jahr 1783 befanden sich die Herrschaftsrechte im Besitz des Frauenklosters zur Himmelpforte in Wien, wurden aber mehrmals an Interessenten vergeben. So ließ der Kammermaler Leux von Luxenstein den ruinösen Hof wieder aufbauen. 1762 richtete Baron Fabius Ricci auf dem Schlossareal eine Tuchschererei und Seidenfärberei ein. Der damalige Freihof diente ihm als Wohnsitz und Verwaltungsgebäude. 1797 erwarb Gräfin Philippina von Herberstein die Herrschaft und ließ das bereits desolate Hauptgebäude restaurieren und die Fabriksgebäude abbrechen. Ihr Gärtner Karl Seyfried legte in dem vom Religionsfonds erworbenen großen Waldgebiet einen Park an, in dem auch Gewächse aus Amerika kultiviert wurden. Die Gräfin verkaufte 1797 Pötzleinsdorf an den Bankier Johann Heinrich Freiherr von Geymüller. 1801 erwarb dieser auch die Grundherrschaft, die seit der Aufhebung des Himmelpfortklosters zur k. u. k. Staatsgüteradministration gehörte. Geymüller war Bankier, Fabrikant und Kunstmäzen sowie Mitbegründer der Oesterreichischen Nationalbank. Gemeinsam mit seinem Bruder Johann Jacob und seinem Neffen Johann Heinrich Falkner-Geymüller gehörte ihm eines der führenden Bankhäuser Wiens. Er ließ den Freihof völlig erneuern und in ein gepflegtes Landhaus verwandeln. 1801 beauftragte er den Kunstgärtner Konrad Rosenthal, der im Dienste des Fürsten Rasumofsky stand und dann den Neuwaldegger Schlossgärtner Franz Illner mit der Neugestaltung des Parks.

An den Nordhängen des Schafberges entstand ein prächtiger Landschaftsgarten im englischen Stil mit Teichen, Bogengängen und Staffagebauten, darunter ein Tempel, ein Schweizerhaus und ein Gartensalon. Auch die Errichtung einer Meierei in den alten Wirtschaftsgebäuden geht auf ihn zurück. 1810 wurde eine Pappelallee gepflanzt, die Gersthof mit dem Schloss verband. Das Pötzleinsdorfer Schloss wurde zu einem Treffpunkt der Wiener Gesellschaft. Dazu trug auch die Reitbahn bei, die hinter dem Hauptgebäude entstand. Im Park wurden vielgerühmte Opernaufführungen gegeben. Nach dem Tod des Barons erbten 1824 seine minderjährigen Kinder – sieben Töchter und ein Sohn – den Besitz. 1839 kaufte Johann Heinrich Freiherr von Falkner-Geymüller den Familienbesitz. Er ging jedoch zwei Jahre später mit dem Bankhaus in Konkurs und musste in die Schweiz flüchten. Zu den nun häufig wechselnden Eigentümern gehörte Freiherr L. von Ladenburg und der Bankier Rudolf Ellissen. 1942 wurde alles versteigert. Der häufige Besitzwechsel führte dazu, dass Schloss und Park stark vernachlässigt wurden. Letzter privater Eigentümer war der Möbelfabrikant und Kunstsammler Max Schmidt, der Pötzleinsdorf 1920 kaufte. Schmidt wollte das Schloss aufwerten und ließ es neobarock umgestalten. Damals wurde ihm an der Gartenseite eine monumentale Freitreppe vorgebaut, die aber von Roland Rainer bereits 1950 wieder entfernt wurde. Schmidt ließ auch den Park mit zahlreichen Skulpturen und Vasen ausstatten. Schmidt vermachte 1935 Schloss und Park der Gemeinde Wien. Im Zweiten Weltkrieg richteten Fliegerbomben große Schäden an. Danach wurde der Park, der in der Nachkriegszeit zum Teil in Schrebergärten aufgeteilt war, wieder gepflegt und für die Öffentlichkeit neuerlich geöffnet. Das renovierte Schloss wurde von 1950 bis 1980 als Jugendgästehaus benützt. 1983 zog die Rudolf-Steiner-Schule hier ein. Dies führte dazu, dass die ehemaligen Wirtschaftsgebäude weitgehend als Klassenräume adaptiert wurden. Aus Platzmangen wurde schließlich ein moderner Zubau errichtet.

Das breitgelagerte Schloss liegt an der Nordostgrenze des weitläufigen Pötzleinsdorfer Parks. Zwei Kopien romanischer Portallöwen bewachen das Haupttor des Parks. Dahinter wird es von zwei 1820 erbauten Gärtner- bzw. Portierhäusern flankiert. Das hakenförmige Schloss stammt im Kern vom Beginn des 19. Jahrhunderts, doch hat es sein Äußeres im 20. Jahrhundert wesentlich verändert. Durch die lange, trotz des leicht vortretenden siebenachsigen Mittelrisalits weitgehend ungegliederte Ostfassade wirkt es heute ziemlich niedrig und wenig repräsentativ. Beim Umbau zum Jugendgästehaus durch den Architekten Roland Rainer wurde 1949/50 das einst klassizistische Landhaus weitgehend erneuert. Allerdings verlor es dabei die in den zwanziger Jahren aufgesetzten neobarocken Elemente und den auffallenden Wappenaufsatz am Dach der Gartenseite. Ein prächtiges spätbarockes schmiedeeisernes Gittertor zwischen zwei mythologischen klassizistischen Doppelstatuen aus der Zeit um 1790 schließt das Schlossareal gegen die Geymüllergasse ab. Es gehörte der Familie Liechtenstein und befand sich einst in Vaduz. Allerdings ist nur ein Torflügel original. Rechts neben dem Eingang schmückt ein mit 1928 bezeichnetes überlebensgroßes Holzkruzifix die Mauer eines Nebengebäudes. Der Corpus stammt aus Palermo. Schräg gegenüber führt ein neobarockes Portal in die Räume der Schule. Die Trakte des zweigeschossigen Gebäudes sind mit ihrer schlichten Fassadierung recht bescheiden gehalten. Die beiden leicht vortretende Mittelrisalite sind über den Obergeschoßfenstern mit klassizistischen Reliefs geschmückt. Sie zeigen spielende Putten. Dem fünfachsigen Mittelrisalit der Westfassade ist eine auf toskanischen Doppelsäulen ruhende Altane vorgebaut. Zu ihr führte die Freitreppe von Max Schmidt hinauf. Davor steht ein großes, schön verziertes steinernes Becken. Das Innere des Gebäudes ist seit Roland Rainers Umbau modern eingerichtet.

Das zweigeschossige Schloss ist heute leider durch einen einfachen Maschendrahtzaun vom Park getrennt, da es als Schule und Kindergarten verwendet wird. Der 33 Hektar große Park, der große Teile der Nordseite des Schafberges einnimmt, war schon unter den Geymüllers öffentlich zugänglich. Von seinen romantischen Einbauten (Lusthäuser, Vogelhäuser und eine Badegrotte) sind einige noch erhalten. Der alte Baumbestand, zu dem auch Mammutbäume und Sumpfzypressen gehörten, ist noch weitgehend vorhanden. Max Schmidt ließ am Hauptweg zum Schloss vier Attikastatuen von Friedrich Steger des 1881 ausgebrannten Ringtheaters aufstellen, die er erworben und seinen Sammlungen einverleibt hatte. Der Gartensalon liegt südlich des Schlosses. Es ist ein kleiner tempelförmiger, ursprünglich verglaster Bau auf Palmettensäulen bzw. pfeilern. Das Alxinger-Denkmal erinnert an den 1797 verstorbenen Dichter Johann Baptist Alxinger. Die von Johann Aman entworfene klassizistische marmorne Urne steht auf einem mit einer Inschrift versehenen Steinsockel. Nicht erhalten hat sich ein von Geymüllers Gärtnern angelegter Wasserfall. Von den im Norden benachbarten Wirtschaftstrakten ist vor allem die im Kern aus dem 17. Jahrhundert stammende ehemalige Meierei zu erwähnen. Sie ist eingeschossig und weist einen L-förmigen Grundriss mit einem langgestreckten Nordflügel auf. Etwas westlich von ihr befand sich ein freistehendes ehemaliges Scheunengebäude.

Ort/Adresse: 1180 Wien, Geymüllergasse 1

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


13.05.2015