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Gattendorf


In der Oberen Dorfstraße liegen zwei Schlösser unmittelbar nebeneinander. Sie gehen auf den einst umfangreichen Esterházy-Besitz in Gattendorf zurück, haben aber heute verschiedene private Eigentümer. Das 1209 erstmals urkundlich erwähnte Gattendorf war im Mittelalter eine Grenzwächtersiedlung an der Leitha. Von hier aus konnte eine wichtige Straße nach Pressburg kontrolliert werden. Die Siedlung war unter der Kontrolle von vier Grundherren, von denen die Familie Rauscher der wichtigste war. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts traten hier erstmals die Esterházys auf. Ein Zweig dieser ungarischen Magnaten-Familie verlegte damals seinen Hauptwohnsitz von Altsohl (heute Zvolen, Slowakei) nach Gattendorf. 1808 befand sich der Ort bereits völlig im Familienbesitz, doch lebten hier verschiedene Zweige. Gräfin Antonia Batthyany verkaufte den Ort, den sie 1856 von der Familie Esterházy im Rahmen der Abwicklung eines Konkurses erworben hatte, bereits 1868 an Karl Ritter von Offermann. Ende des 19. Jahrhunderts übernahm Freiherr Kamillo Laminer den Besitz, trat ihn aber bald an Graf Alexander Palffy ab. 1912 trat Eugen Czell hier als Großgrundbesitzer auf und erwarb die Herrschaft Gattendorf. Das sog. Alte Schloss wurde vermutlich im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts von der Familie Esterházy errichtet. Im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts kam es zu einer Neufassadierung. Damit war seine Glanzzeit aber auch schon wieder vorbei. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Gattendorf nur mehr als Gutsbetrieb betrachtet und kaum mehr gepflegt. Das Schloss wurde lediglich als Getreidespeicher genutzt. Offenbar besaßen die Esterházys genügend Schlösser aber zu wenige Silos. Der Architekt Dr. Carl Pruscha konnte den bereits stark vernachlässigten Bau in den Jahren 1976/78 durch eine umfangreiche Instandsetzung retten. Seine Familie bewohnt seither das neu adaptierten Gebäude. Das ebenfalls direkt an die Dorfstraße grenzende Neue Schloss geht mit seinem Straßentrakt auf das ausgehende 17. Jahrhundert zurück. Während der Kuruzzeneinfälle, bei denen es zu Beginn des 18. Jahrhunderts völlig ausgeplündert und unbewohnbar gemacht wurde, hatte es schwer zu leiden. Es befand sich damals im Besitz der Grafen Daniel und Peter Esterházy. Allerdings existierte erst nur der Straßentrakt. Der architektonisch wesentlich anspruchsvollere Gartentrakt entstan im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit der Verlegung des Esterházy-Wohnsitzes von Altsohl nach Gattendorf zu sehen.

Das Alte Schloss ist ein zweigeschossiges hakenförmiges Gebäude unter einem Mansarddach, wobei der Westflügel nur um zwei Achsen aus der Hoffront vorspringt. Seine siebenachsige Schauseite ist der angrenzenden Dorfstraße zugewendet. Sie wird seit ihrer Neufassadierung durch ionische Riesenpilaster gegliedert, die mit gebänderten Lisenen hinterlegt sind. Die darüber befindliche Gebälkzone ist über den Pilastern mit Muscheln dekoriert. Das mittig angeordnete rustizierte Rundbogenportal mit seinen geglätteten Steinquadern und dem kräftigen Gebälk stammt noch aus der ersten Bauphase im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts. Die Mittelachse der Straßenfront wird durch ein Doppelfenster über dem Portal zusätzlich betont. Ein Treppenhauseinbau geht auf das zweite Viertel des 18. Jahrhunderts zurück. Durch die brutale Umwandlung des Barockschlosses in einen Schüttkasten hat sein Äußeres schwer gelitten. Daran erinnern die merkwürdigen kleinen Obergeschoßfenster, die damals in die nun weitgehend vermauerten rechteckigen Fenster eingesetzt wurden. Ihre ursprüngliche Größe ist noch an den Fassaden abzulesen. Die rechteckigen Luken unterhalb des Gesimses weisen darauf hin, dass das Obergeschoß während der Zweckentfremdung als Lagerraum wohl durch eine Zwischendecke unterteilt war. Um die Lagerung der Feldfrüchte zu erleichtern, wurden die Zwischenwände entfernt, wodurch die Struktur des Inneren völlig zerstört wurde. Die Verwendung als Schüttkasten dauerte bis zum Zweiten Weltkrieg an. 1945 wurde das längst devastierte Alte Schloss durch Kriegseinwirkungen nochmals schwer beschädigt. Die ovalen Erdgeschoßfenster wurden erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts anstelle der bestehenden hochrechteckigen Fenster eingesetzt. Die Generalsanierung des ehemaligen Barockschlosses durch den Architekten Dr. Carl Pruscha konnte natürlich seinen verlorenen Glanz nicht mehr wiederherstellen, doch konnte das Gebäude dadurch immerhin gerettet werden. Es ist heute ein gutes Beispiel aus der Vergangenheit für den Sieg wirtschaftlicher über kultureller Interessen.

Das Neue Schloss besteht aus mehreren Trakten, die in verschiedenen Bauphasen entstanden sind. Ältester Teil ist der zweiflügelige Straßentrakt vom Ende des 17. Jahrhunderts. Unter dem Neuen Schloss versteht man aber meist den von der Straße nicht einsehbaren repräsentativen Gartentrakt. Er wendet seine glatt verputzte Schauseite dem Park zu. Sie ist zehnachsig und wird durch zwei zweigeschossige, aber unterschiedlich lange Seitenrisalite und den ebenfalls zweigeschossigen pavillonartigen, leicht erhöhten Mitteltrakt gegliedert. Letzteren ist eine zweiarmige, aber vierläufige Freitreppe mit Schmiedeeisengitter vorgelagert, die zum Festsaal im Obergeschoß führt. Die Stuckdecke des Festsaales wurde 1945 zerstört. Parkseitig zeigt eine angedeutete klassizistische Attika zwischen zwei Steinvasen das gräfliche Wappen der Esterházys. Die ansonsten eher einfachen Fenster des Obergeschosses sowie die hohen Fenstertüren des Festsaaltraktes sind mit geschwungenen Verdachungen versehen. Bemerkenswert ist eine Statue des hl. Nepomuk im Obergeschoß der Hoffassade aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Hinter dem Schloss erstreckt sich ein ausgedehnter, aber öffentlich nicht zugänglicher Park bis zum Ufer der Leitha. Der alte Baumbestand hat sich weitgehend erhalten. Im Park steht eine profanierte Kapelle aus dem 18./19. Jahrhundert, die aber seit vielen Jahren als Geräteschuppen dient. Eine noch 1833 erwähnte Orangerie ist längst verschwunden. Das Neue Schloss war noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts stark verfallen, konnte aber durch die Familie Czell, der es nach wie vor gehört, wiederhergestellt werden. Sie ließ 1972 das Dach erneuern und führte zwischen 1998 und 2006 eine umfassende Generalsanierung durch.

Lage: Burgenland/Nordburgenland - ca. 11 km östlich von Parndorf inmitten des Ortes Gattendorf

Ort/Adresse: 2474 Gattendorf

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


06.05.2015