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Atzenbrugg - Schloss


Die erste urkundliche Erwähnung einer wehrhaften Anlage in Atzenbrugg erfolgte 1190 mit Gertrudis von Acinprukke. Allerdings befand sich diese auf dem heute noch vorhandenen aufgeschütteten Erdhügel wenige Meter östlich des heutigen Schlosses. Die Hochfreien von Lengenbach besaßen bis 1236 zwei Meierhöfe im Ort. Einer davon war der Vorläufer des späteren Schlossgebäudes. Dem Ministerialengeschlecht der Atzenbrugger entstammten Ortolf, der während der Regierungszeit des Herzogs Leopold VI mehrfach genannt wird und Friedrich III, der von 1371 bis 1378 Abt in Melk war. Anna von Atzenbrugg vermachte kurz vor 1379 den Hausberg mit der kleinen Burg ihrem Gatten Weichart Steiner. Dieser verkaufte die Liegenschaft umgehend an das Stift Klosterneuburg. 1398 wurde die Katharinenkapelle neben dem Meierhof vergrößert. Noch vor 1500 ließ der damalige Probst von Klosterneuburg die bereits verfallene Burg durch das jetzige Schloss ersetzen, indem er den Meierhof entsprechend ausbauen ließ. 1683 wurde Atzenbrugg von den Türken zerstört, aber kurz danach wieder aufgebaut.

In den Jahren 1820 bis 1828 verbrachte Franz Schubert und seine Freunde, zu denen Franz von Schober, Moritz von Schwind, Leopold Kuppelwieser und Eduard von Bauernfeind gehörten, jeden Sommer einige Wochen in Atzenbrugg. Schobers Onkel, Josef Derffel, war damals Verwalter bzw. Justiziär der Herrschaft. Er stellte das Schloss den Künstlern zur Verfügung. Schubert komponierte hier u.a. seine Atzenbrugger Tänze. 1939 wurde das Schloss konfisziert. Es kam 1942 an die Donauchemie AG in Moosbierbaum. Die russische Besatzung sowie privater Vandalismus hinterließen das ausgeplünderte Gebäude in einem erbarmungswürdigen Zustand. Daran änderte sich auch nichts, als 1949 Atzenbrugg wieder dem Stift zurückgegeben wurde und 1963 in private Hände überging. 1978 erwarb die Gemeinde Atzenbrugg den desolaten Bau aus der Konkursmasse des Vorbesitzers. Erst einem privaten Verein gelang es in jahrzehntelanger Arbeit, das Gebäude zu revitalisieren. 1986 wurde das Museum „Schubert und sein Freundeskreis“ eröffnet. Heute sind auch jene Schäden im Untergeschoß beseitigt, die noch aus der Türkenzeit stammten. In den Räumen des Schlosses finden häufig Veranstaltungen wie Konzerte und Liederabende, aber auch Advent- und Flohmärkte statt.

Das Schloss liegt inmitten eines großen ummauerten Hofes. Das dreitorige Hofportal weist eine geschwungene Bekrönung auf und ist mit Steinkugeln geschmückt. An der Westseite des Hofes standen isolierte Nebengebäude, doch waren diese in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg schon so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten. Das Schlossgebäude hat einen hakenförmigen Grundriss. Es besteht aus dem Wohntrakt im Norden und einem rechtwinkelig angebauten Nebenflügel im Osten. Dazwischen liegt die der hl. Katharina geweihte zweigeschossige Schlosskapelle. Sie ist für das bescheidene Schlösschen viel zu groß, was sich aber durch ihren geistlichen Bauherrn erklärt. Ihr Stil ist gotisch, die Stuckdecke und der Orgelchor barock. Dem Kapellenraum ist hofseitig ein sechseckiger, gotischer Turm angebaut, der zur Hälfte in den Hofraum vorsteht. Er überragt die einstöckigen Schlossgebäude um zwei Geschosse und wird durch ein steiles Pyramidendach abgeschlossen. Die Innenräume des Schlosses sind eher klein gehalten. Die ursprüngliche Einrichtung ist spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Aus dem Hintergrund der gewölbten Eingangshalle, die ursprünglich auch von der Gartenseite erreichbar war, führt seitlich eine schmale Treppe ins Obergeschoß. Hier lagen die Wohnräume des grundherrlichen Justiziärs. Sie sind zum Großteil mit schönen Stuckdecken aus der Zeit der Restaurierung nach 1683 versehen. Der Quertrakt ist mit dem Haupttrakt nicht verbunden, da die Kapelle dazwischen liegt. Seine gewölbten Räume im Erdgeschoß wurden nachträglich zwecks Einbau von Arrestzellen unterteilt. Der dem Dorf am nächsten liegende Teil dieses Flügels diente als Schlosstaverne. Hinter diesem Nebentrakt liegt ein ca. 11 m hoher künstlicher Hügel, der einst von einem Graben umgeben war und die bescheidene Burg der Atzenbrugger trug. Heute steht auf ihm ein barockes Lusthaus, das als „Schubert-Häusl“ bekannt ist. Hier konnte der Meister angeblich in Ruhe seine Einfälle zu Papier bringen.

Lage: Niederösterreich/Tullnerfeld – inmitten des gleichnamigen Dorfes, ca. 12 km südwestlich von Tulln

Besichtigung: Das Schubertmuseum ist zwischen Ostern und Ende Oktober an Wochenenden von 14.00 bis 17.00 geöffnet.


Weitere Literatur:


11.01.2003