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Artstetten


Der kleine Wehrbau Artstetten wurde 1259 erstmals erwähnt. Er hatte nur lokale Bedeutung und gehörte damals einem Wolfgang von Owatsteten, später einem Albero von Avrstetten. Durch die unmittelbare Nachbarschaft von Kirche und Burg ist der Sitz des Hochmittelalters vermutlich als sog. „Burg-Kirchen-Anlage“ zu rekonstruieren und dadurch möglicherweise deutlich älter, als seiner ersten urkundlichen Nennung entspricht. Die Herren von Artstetten waren ein landesfürstliches Ministerialengeschlecht. Sie besaßen die Burg bis 1329 und verkauften sie dann an die Herren von Streitwiesen, die Artstetten 1407 an die Herren von Murstetten veräußerten. Die Besitzer des Schlosses wechselten bis in das 19. Jahrhundert hinein sehr häufig. Zwischen 1560 und 1592 wurde es von Matthias Grundreching unter Anfügung eines Seitentraktes in einen Renaissancebau umgewandelt. Teile des alten Mauerwerkes wurden in den Neubau integriert. Die L-förmige Anlage bestand aus einem Süd- und einem Osttrakt. Damals erhielt es die ersten zwei seiner charakteristischen runden Ecktürme, die auch heute noch den Gesamteindruck prägen. Maximilian Braun von Rothenhausen ließ das Gebäude von 1691 bis 1698 durch die Errichtung des West- und des Nordflügels zu einem vierflügeligen Bau um einen Arkadenhof erweitern und durch zwei weitere Türme ergänzen. Gleichzeitig wurde die einst frei stehende mittelalterliche Burgkapelle barock umgebaut und bis zum Schloss verlängert.

Dieses gehörte von 1734 bis 1765 dem Grafen Preysing, anschließend den Freiherren von Stiebar. Großbrände beschädigten sowohl 1730 als auch 1791 weite Teile des Gebäudes. Anschließend wurde es von Franz Josef Graf Stiebar wiederhergestellt. Die Besetzung durch französische Truppen in den Napoleonischen Kriegen von 1805 und 1809 führte zu neuerlichen Großschäden. 1823 kaufte Kaiser Franz I die Herrschaft. Er kümmerte sich besonders um die Gestaltung des Gartens. Artstetten ging 1852 in den Besitz von Erzherzog Franz Carl, dem Vater von Kaiser Franz Josef über, der es 1861 seinem dritten Sohn, Erzherzog Carl Ludwig, überschrieb. Dieser ließ das Gebäude außen und innen nach seinem Geschmack großzügig renovieren, wobei er die Türme mit kegelförmigen Schieferdächern decken ließ. 1863 begann er mit der Anlage des großen Parks, der schon damals im wesentlichen sein heutiges Aussehen erhielt. Erzherzog Carl Ludwig benutzte das Schloss vor allem für Aufenthalte im Spätfrühling und im Sommer. Als seine Lage in Mexiko immer unhaltbarer wurde, kaufte der glücklose Kaiser Maximilian 1866 seinem Bruder Artstetten ab, konnte er es nicht mehr wirklich in Besitz nehmen. Nach seiner Erschießung in Santiago de Queretaro ein Jahr später wurde es wieder von Erzherzog Carl Ludwig übernommen. Unter ihm erfolgte eine Aufstockung auf drei Geschosse.

1889 schenkte er Schloss und Herrschaft seinem ältesten Sohn, Erzherzog Franz Ferdinand von Este, der das Schloss nach seinen Vorstellungen adaptieren ließ. Den Zusatz „von Este“ musste er annehmen, als ihm die reiche Erbschaft des verstorbenen Herzogs Ferdinand V von Modena-Este zufiel. Außer Artstetten besaß der Thronfolger auch die Schlösser Chlumetz, Blühnbach, Lolling und Konopischt, in dem er sich vorwiegend aufhielt. Der traditionsbewusste und äußerst baufreudige Erzherzog ließ diese Schlösser zuerst ausbauen und wohnlich einrichten. Erst danach wandte sich sein Interesse Artsteten zu. Auslösendes Moment war 1908 die Totgeburt eines Sohnes und die Tatsache, dass seiner Gattin und seinen Nachkommen auf Grund seiner morganatischen Ehe die Wiener Kapuzinergruft als Begräbnisstätte verwehrt worden war. Sophie Gräfin Chotek entstammte zwar dem böhmischen Uradel, doch galten in der Monarchie nur Angehörige regierender Herrscherhäuser als ebenbürtig. Sie wurde zwar 1909 zur Herzogin von Hohenberg ernannt, doch änderte dies nichts an den strengen Bestimmungen des spanischen Hofprotokolls. Franz Ferdinand ließ daher 1909/10 unter der Schlosskirche durch den Architekten Ludwig Baumann eine Familiengruft anlegen, in der zuerst sein totgeborener Sohn und dann nach dem Attentat in Sarajewo vom 28. Juni 1914, das den Ersten Weltkrieg auslöste, er und seine Gattin bestattet wurden. Die Bauarbeiten übernahm der Maurermeister Friedrich Aichberger aus Pöchlarn. Die Gruft war für zwölf Särge ausgelegt. 1916/17 wurden durch den Vormund der minderjährigen Kinder des Thronfolgerpaares Jaroslav Graf Thun neue monumentale Sarkophage aus Untersberger Marmor angeschafft. Aichberger durfte 1912 auch die neue Autostraße zum Schloss anlegen. Franz Ferdinand ließ um 1912 den ursprünglichen Zustand der Türme von Artstetten wiederherstellen und die kupfergedeckten Zwiebelhelme anstatt der spitzen Kegeln neuerlich aufsetzen. Die alte Schieferdeckung der Dächer wurde durch passendere Biberschwanz-Tonziegeln ersetzt.

Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Fassaden vereinheitlicht und die gesamte Beletage neu gestaltet bzw. modernisiert. Wenn das Schloss auch äußerlich den Eindruck eines Renaissanceschlosses beibehalten sollte, so wollte man auf modernen Wohnkomfort nicht verzichten. Eine Zentralheizung, elektrische Beleuchtung, Telefon, Badezimmer und ein Aufzug wurden eingebaut. Ein in einem Nebengebäude untergebrachter Dieselmotor sorgte für die notwendige Elektrizität. 1914 wurde an der Schlosszufahrt eine Dreifaltigkeitssäule aufgestellt. Der Schlosspark wurde durch den Architekten Rudolf Frass und den Gartenarchitekten Jaroslav Molnár neu gestaltet. Im gleichen Jahr entstand an der Nordfront ein dem Stil des Hauptschlosses angepasster dreiflügeliger Anbau für Verwaltungszwecke. Hier sollten die Bibliothek sowie das Archiv eingerichtet und Platz für Büros und Personalwohnungen geschaffen werden. Das für 70.000 Bände geplante Bibliotheks- und Archivzentrum wurde jedoch nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges nicht mehr eingerichtet. Unmittelbar nach dem Attentat von Sarajewo wurden die Ausbauarbeiten an allen Besitzungen des Erzherzogs gestoppt und erst Monate später mit wenig Aufwand beendet. Die Bücher der 1912 vorübergehend nach Konopischt ausgelagerten Bibliothek kamen nie mehr nach Artstetten zurück. 1915 erbte Herzog Dr. Max von Hohenberg, der älteste Sohn des Thronfolgers Schloss Artstetten, das er nach 1921 zu seinem Wohnsitz machte. Als prominenter Gegner der Nationalsozialisten wurde er 1938 enteignet und mit seinem Bruder in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Artstetten wurde Eigentum des Deutschen Reiches. 1949 erfolgte die Rückgabe des Schlosses an die Familie. 1982 wurde in zwei Stockwerken das öffentlich zugängliche Erzherzog Franz Ferdinand Museum eingerichtet. Jährlich finden Sonderausstellungen zu speziellen Themen statt. Artstetten ist im Besitz der Familie Hohenberg geblieben. Auf eine aufwändige Innenausstattung hatte man im Schloss weitgehend verzichtet. Die Innenräume sind weitgehend für Ausstellungen adaptiert. Interessant ist ein nach türkischem Vorbild gestaltetes Badezimmer.

Das mehrfach umgebaute und historistisch erweiterte Renaissanceschloss liegt inmitten eines ausgedehnten Parks auf einer Geländestufe über dem Donautal. Auf Grund seiner exponierten Lage ist es schon von weitem sichtbar. Es ist ein drei-, bzw. im Norden viergeschossiger Baukörper, der um einen quadratischen Hof angelegt und mit Mansardendächern gedeckt ist. Mit Zwiebelhelmen versehene Rundtürme betonen die Ecken. Sie sind vier- bzw. fünfgeschossig. Von weitem scheint das Schloss fünf Türme zu haben, doch gehört der östlichste zur angebauten Kirche. Er ist etwas höher als die übrigen. Im Südteil des Schlosses ist der mittelalterliche Ansitz verbaut. Es war vermutlich ein zweigeschossiger Kastenbau im Seitenverhältnis 1 : 2. Die schlichten Fassaden sind durch Geschoßbänderungen waagrecht gegliedert, die um alle Fronten und Türme laufen. In der Mitte der Südseite wurde 1912 eine zweigeschossige Altane mit je drei Arkaden angebaut. Sie wird im Erdgeschoß von flachbogigen Pfeilerarkaden gestützt, während im Obergeschoss die Rundbögen auf toskanischen Säulen ruhen. Von der davorliegenden Gartenterrasse fällt das Gelände steil ab. Eine von Wappentieren gezierte, breite Steintreppe führt von hier in den Park. Der Eingang zum privat genutzten Teil des gepflegten Schlosses liegt an der Westseite, gegenüber einem Grottenbrunnen. Hier befindet sich eine weitere eingeschossige Altane mit flachbogigen verglasten Pfeilerarkaden. Sie wird von einer Steinbalustrade begrenzt. Ihre Neorenaissance-Fassade ist im Erdgeschoß genutet.

An die Ostseite des Schlosses ist die relativ große Kirche angebaut. Sie ist dem hl. Jakob geweiht und bereits seit dem 14. Jahrhundert zugleich Schloss- und Pfarrkirche. Die Verbindung mit dem Schloss stammt erst aus dem 18. Jahrhundert, als sie ihr heutiges Aussehen bekam. Erzherzog Franz Ferdinand ließ den großen hellen Saalraum mit von ihm gesammelten Kunstschätzen neu ausstatten. Der Hochaltar stammt von 1759 und kommt aus der Pfarrkirche von Kitzbühel, die Seitenaltäre vom Ende des 18. Jahrhunderts gehörten einer bayrischen Kirche. Vom gotischen Sakramentshäuschen blieb ein steinernes Relief, das „Schweißtuch der Veronika“ (um 1400), erhalten. Das Hochaltarbild ist ein Werk von Martin Johann Schmidt und stellt den hl. Jakob im Kampf gegen die Mauren dar. Ein großes Steinportal stammt aus einer Kirche in Istrien. Unter der Kirche liegt die 1956 vergrößerte Familiengruft. Sie besteht aus einem Zweisäulenraum, in dem die Sarkophage des Erzherzogs und seiner Gattin stehen und einem Viersäulenraum mit Kreuzgratgewölbe, in dem seine Kinder und deren Nachkommen bestattet wurden. Der Zugang erfolgt an der Nordseite vom Park her durch ein neobarockes rustiziertes Portal mit vorgestellten Säulen. Eine Kartusche zeigt das Wappen Habsburg-Hohenberg. Oberhalb des Schlosses liegt ein oktogonales Gartenhaus mit einem tambourartigen Obergeschoß und einem Zeltdach. Es ist von außen über eine Wendeltreppe begehbar. Davor liegt ein steingerahmtes Wasserbecken. Die beiden Brunnenfiguren stammen aus dem 19. Jahrhundert.

Lage: ca. 12 km westlich von Melk

Ort/Adresse: 3661 Artstetten

Besichtigung: Das Museum kann vom 1. April bis 1. November täglich von 09.00 bis 17.30 besichtigt werden.

Homepage: www.schloss-artstetten.at


Weitere Literatur:


11.02.2015