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Thomasberg


Die Bucklige Welt war um die Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend noch eine geschlossene Waldlandschaft, die praktisch menschenleer war. Das Grenzgebiet diente sowohl den Ungarn als auch unseren Vorfahren als eine Art Pufferzone, die einen Einmarsch des jeweiligen Gegners bremsen sollte. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, nachdem Graf Gottfried von Wels-Lambach, der Sohn des Markgrafen Arnold II von Kärnten, die Ungarn 1042 bei Pitten besiegt hatte. Er erhielt das eroberte Land als Lehen übertragen. Sein Schwiegersohn Graf Eckbert I von Formbach-Neuburg sowie dessen Sohn Eckbert II begannen mit der Rodung und Kolonisierung des Waldlandes. Letzterer verlegte seine Residenz nach Pitten und nannte sich Graf von Formbach-Pitten. Seine wichtigsten Ministerialen waren die Burggrafen von Pitten. Die meisten Burgen der Buckligen Welt wurden von dieser Familie errichtet. Nach dem Tod Eckberts III von Formbach-Pitten 1158 fiel die Pittener Waldmark, wie die Bucklige Welt damals genannt wurde, an die steirischen Herzöge, die dadurch auch Lehensherren der Pittener Ministerialen wurden. Nach dem Tod des steirischen Herzogs Otakar III 1164 häuften sich die Einfälle der Ungarn, so dass man sich entschloss, die Grenze durch eine Burgenkette zu sichern, die von Hartberg bis Landsee reichte. Ein Vordringen der Ungarn durch das Zöbern- und Edlitztal sollte durch die Errichtung der Burgen Krumbach und Thomasberg verhindert werden. In einer Urkunde des Babenbergerherzogs Leopold VI wird 1192 Otto de domesperg als Zeuge genannt. Er war der Bruder Gerhard von Krumbachs, des Erbauers der dortigen Burg und wie dieser ein Ministeriale der steirischen Ottokare. Der bescheidene Wehrbau, nach dem Otto sich nannte, befand sich jedoch wahrscheinlich nicht an der Stelle der heutigen Burg und wurde bald nach seinem Tod wieder aufgegeben.

Wer die jetzige Anlage um die Mitte des 13. Jahrhunderts errichtete, ist urkundlich nicht gesichert. Man vermutet die Familien Torsäuler oder von Ziegersberg, die zu den Gefolgsleuten der Krumbacher gehörten, als Bauherren. Die Burg diente als Verwaltungsmittelpunkt der Herrschaft. Außerdem hatte sie die Straßenverbindung Edlitz-Krumbach zu sichern. Nach dem Aussterben der Herren von Krumbach um 1350 erhielt vermutlich Heinrich von Königsberg die Herrschaft Thomasberg als landesfürstliches Lehen. Die Königsberger stammten aus der Südsteiermark, wo sie die Burg Königsberg südöstlich von Cilli als Stammsitz besaßen. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren die Königsberger die reichste Adelsfamilie der Buckligen Welt. Außer Thomasberg besaßen sie die Herrschaften Ziegersberg, Katzelsdorf, Hochwolkersdorf und Schwarzenbach, zu denen im 16. Jahrhundert noch Aspang und Bärnegg hinzukamen. Im übrigen Niederösterreich sowie in Ungarn und der Südsteiermark hatten sie weiteren Besitz. Es ist nicht verwunderlich, dass eine so reiche Familie auch hohe Hofämter inne hatte. So war der 1438 verstorbene Dietrich von Königsberg Hofkanzler von Kaiser Albrecht II. Andere Familienmitglieder stellten später Hofkriegspräsidenten und den Hofmarschall. Johann IV von Königsberg vergrößerte und befestigte gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Burg um gegen Angriffe aus dem Osten gewappnet zu sein. Die Königsberger waren streitbare Protestanten, die keinen Konflikt mit der katholischen Obrigkeit scheuten. Sie störten die katholischen Messen und Veranstaltungen. In der Burgkapelle wurden nur mehr protestantische Gottesdienste abgehalten. Erst 1630 wurde diese rekatholisiert. 1503 wird als Burgherr Ehrenreich von Königsberg genannt. Er und vor allem Wolf Matthäus von Königsberg bauten in den nächsten Jahrzehnten die mittelalterliche Burg spätgotisch um und aus. Bedingt durch Erbteilungen und Verkäufen wechselte Thomasberg mehrmals innerhalb der Familie den Eigentümer. Um 1590 gehörten zur Herrschaft Thomasberg ca. 120 Häuser im Ortsbereich sowie Hausbesitz in Mönichkirchen, Kirchberg, Tauchen und Gleißenfeld. Allerdings hatten sich auch hohe Steuerschulden angehäuft, die immer wieder Teilverkäufe nötig machten.

Über Ehrenreich Christoph von Königsberg und dessen Tochter Eva Regina kam die Herrschaft in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an ihre Tochter Maria Johanna und deren Ehemann Johann Quintin von Jörger. 1644 gelangte sie durch einen Vergleich an Adam Graf Batthyány, der sie 1653 Carl von Pergen überließ. Dieser ließ die Kapelle neu ausstatten. Carl von Pergen war Obereinnehmer der niederösterreichischen Landschaft und hatte es dabei zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht. Sein Sohn Johann Heinrich von Pergen war ebenfalls Steuereinnehmer der Landschaft aber auch Kämmerer Kaiser Leopolds I. 1699 wurde er in den Grafenstand erhoben. Zum Besitz der Pergen zählten damals neben Thomasberg auch Seebenstein und Aspang sowie einige kleinere Güter. Die Burg wurde ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kaum mehr bewohnt. Es war jedoch vorgesehen, dass sie im Kriegsfall von 20 bis 30 Soldaten verteidigt werden würde. Auch sollte die Bevölkerung von Edlitz bei Gefahr hier Schutz suchen. Karl II von Pergen hatte sein Interesse dem von ihm erworbenen Feistritz zugewandt und Thomasberg vernachlässigt. Zwar ließ sein Sohn Joseph Anton die Gebäude teilweise neu eindecken, doch konnte dies den langfristigen Verfall nicht aufhalten. Lediglich die Burgkapelle wurde noch gepflegt und regelmäßig benutzt. 1710 erteilte Papst Clemens XI der Kapelle sogar noch ein Ablassprivileg. Josef Freiherr von Dietrich, der 1815 die Herrschaft erworben hatte, ließ noch einige Zimmer sowie die Toranlage instand setzen, doch kam der Besitz durch die Verschwendungssucht seines Schwiegersohnes Fürst Ludwig Sulkowsky immer weiter herab. Nach einigen Besitzern ging Thomasberg 1902 an die Industriellenfamilie Hamburger über. Die mit der Hamburger AG in Pitten nach wie vor verbundene Familie Prinzhorn sowie die Familie Lutz stellen auch heute noch die Burgherren.

Trotz des starken Verfalls macht die Ruine auch heute noch einen recht wehrhaften Eindruck und man kann verstehen, dass sich die türkischen Streifscharen mit keiner mühevollen Belagerung aufhalten wollten und lieber die wehrlosen Bauern im Tal brandschatzten und massakrierten. Die Burg liegt oberhalb des Edlitztales auf einem Geländesporn, der nach drei Seiten steil abfällt. Lediglich die Süd- bzw. Südostseite musste wegen des dort sanft ansteigenden Hangrückens besonders gesichert werden. Daher wurde sie dort um 1500/1520 durch eine, in Niederösterreich einzigartige, monumentale Schildmauer mit drei bastionsartigen Ausbauten verstärkt. Sie ist ca. 18 m hoch, zwischen 5 und 7 m stark und in der Mitte stumpf abgewinkelt. Ihr Oberteil ist von zahlreichen rechteckigen Schießfenstern durchbrochen, hinter denen bis zu zwei Meter breite Wehrgänge lagen. Interessant sind drei, heute allerdings bereits stark verwitterte Steinköpfe, die in etwa 14 m Höhe in die Außenmauer der Südbastion eingesetzt sind. Einer davon streckt die Zunge heraus. Die Köpfe wenden sich dem Tor zu und sollten der Verspottung anrückender Feinde dienen. Die gotische Kernburg inklusive der Schildmauer ist von einer niedrigeren äußeren Ringmauer umgeben. Ihr ist im Süden und Südosten ein breiter Halsgraben vorgelegt. Bemerkenswert ist die auf gemauerten Pfeilern ruhende Holzbrücke, die zum in den Graben vorgebauten Torturm der äußeren Ringmauer führt. Sie war einst als Zugbrücke eingerichtet und wurde im 16. Jahrhundert durch eine Wippbrücke ersetzt. Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts baute man sie wieder in eine Zugbrücke um. Ihr Mittelteil weist auch heute noch einen beweglichen Brückenteil auf. Neben dem rundbogigen Tor liegt eine schmale Fußgängerpforte. Oberhalb des Tores erkennt man die Reste eines Allianzwappens. Vorhanden ist jedoch nur mehr die Terrakottaplatte, die das Dietrichstein-Wappen zeigt und auf Margarethe von Dietrichstein Bezug nimmt, die mit dem 1505 verstorbenen Johann von Königsberg verheiratet war. Das darüber liegende Obergeschoß des Turmes diente im 16. Jahrhundert dem Torwächter als Wohnung. Es war mit Maschikuli versehen, doch haben sich davon nur mehr zwei Kragsteine erhalten. Hinter dem Torturm führt ein schmaler Zwinger um die Kernburg. An der Ostseite sind die originalen Zinnen der Außenmauer noch erhalten. Der Zwinger weitet sich im Südwesten zu einem kleinen Hof. Die beiden hier stehenden ehemaligen Wirtschaftsgebäude aus dem 16. Jahrhundert wurden von der derzeitigen Eigentümerfamilie zu Sommerwohnungen ausgebaut. Der mit einem Kreuzgewölbe ausgestattete Keller des Pförtnerhauses diente ihnen als Festsaal. An der Nordseite des Hofes lagen die ehemaligen Ställe. Eine breite Pferdetreppe führte in den Keller hinab. Er ist so geräumig, dass bei feindlichen Angriffen die Bauern der Umgebung hier Schutz suchen konnten.

Die nahezu fünfeckige Kernburg wurde zwar Ende des 18. Jahrhunderts dem Verfall preisgegeben, doch sind ihre Außenmauern noch in voller Höhe erhalten. Ihr ehemaliges, hoch gelegenes Rundbogentor an der Südseite wurde bei der Errichtung der Schildmauer vermauert und in die südwestliche innere Ringmauer verlegt. Deren Mauerwerk geht großteils auf einen gotischen Wiederaufbau von 1290/1330 zurück, doch finden sich auch Mauerreste einer noch älteren romanischen Wehranlage. An der Nordseite der Kernburg springt der segmentbogige Chorschluss der noch gut erhaltenen Ruine der spätgotischen Burgkapelle bastionsartig gegen das Edlitztal vor. Sie war ein großer, ursprünglich zweijochig gewölbter Saalraum und stammte aus der Zeit um 1500/1520. Vom einstigen Kreuzgratgewölbe haben sich aber nur mehr die Ansätze erhalten. Der Unterbau der Kapelle stammt noch aus der Romanik. Der Zugang erfolgte vom Zwinger her durch ein Schulterbogenportal. An der Südostmauer führte ein weiteres Schulterbogenportal zur zweischiffigen Herrschaftsempore. Sie ruht auf einem Achteckpfeiler. Die Chormauer ist von zwei spitzbogigen lanzettenartigen Fenstern durchbrochen. An den Seitenmauern gaben zusätzlich zwei rundbogige Lanzettfenstern Licht. Die Herrschaftsempore wurde von zwei der Chormauer entsprechenden Spitzbogenfenster beleuchtet. Die Fensteröffnungen waren farbig gerahmt, die Laibungen mit Quadermalereien geschmückt. Von dieser malerischen Ausstattung, wie auch von den violetten Farbbändern des Gewölbes, haben sich nur noch wenige Spuren erhalten. Zur Kapelle gehörte früher ein kleiner Turm, in dem eine große, aus dem Jahr 1518 stammende Glocke hing. Als die Kapelle 1783 gesperrt wurde, hat man die Glocke in die Pfarrkirche von Edlitz übertragen. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie beschlagnahmt und eingeschmolzen. Der ehemalige Thomasberger Sakralbau wurde nach seiner Sperre als Rumpelkammer benutzt. Der einst freistehende Kapellenbau war mit der Hochburg durch eine Holzbrücke verbunden, doch wurde der darunter liegende Zwingerteil später vermauert.

Der dreieckige Innenhof ist von den Ruinen viergeschossiger Wohntrakte umgeben. Der westliche Wohntrakt beherbergt im Kern den Palas des 13. Jahrhunderts. Die meisten Hofmauern stehen noch aufrecht. Lediglich der Osttrakt ist bereits ein Trümmerhaufen. Dadurch wurde die Schildmauer mit ihren vorgeblendeten Spitzbogen hofseitig freigelegt. Die Wohntrakte des Hofes wurden, wie dendrochronologische Untersuchungen zeigen, um die Mitte des 14. Jahrhunderts errichtet, im 16. Jahrhundert aber stark ausgebaut. Die Räume des Erdgeschosses und des ersten Stocks waren gewölbt, jene der Obergeschosse hatten flache Decken. Spätmittelalterliche Kragsteine lassen auf einstige Balkone schließen. An der Außenmauer springen drei Abtrittschächte in den Zwinger vor. Im zweiten Obergeschoß zeigt ein vermauertes Rundbogenfenster als Rest einer mehrteiligen Fenstergruppe an, dass sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts hier eine beheizbare Kemenate befunden hat. Die Hoffassaden waren mit ornamentalen Malereien geschmückt. Fragmente davon haben sich noch erhalten. Die Existenz eines Bergfriedes ist heute nicht mehr nachzuweisen, doch ist ein solcher als Bestandteil der gotischen Burg durchaus anzunehmen. Der schwache, in den Hof vorspringende viergeschossige Turm war lediglich ein Treppenturm. Er wurde erst in den Jahren um 1530/50 erbaut. Vor dem Halsgraben lag der großteils aus Holz gebaute und mit Stroh gedeckte Meierhof. Von ihm haben sich nur kümmerliche Mauerreste des Kellerbereiches erhalten. Die am Weg zum Torbau stehende Statue aus dem 18. Jahrhundert stellt übrigens nicht den Hl. Thomas sondern den Hl. Benedikt dar.

Lage: Niederösterreich/Bucklige Welt - ca. 3 km südlich von Edlitz

Besichtigung: meist nicht gestattet


Weitere Literatur:


12.06.2014