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Palais Württemberg/Hotel Imperial


Wer heute in Wien nach dem Palais Württemberg fragt, wird wahrscheinlich ein bedauerndes Kopfschütteln als Antwort erhalten oder bestenfalls in den 9. Wiener Gemeindebezirk geschickt werden. Die Adresse des besten Hotels der Stadt, des Hotels Imperial, ist aber jedermann bekannt. Erst 1857 hatte Kaiser Franz Joseph die alte Wiener Stadtmauer mit ihren Basteien zum Abbruch freigegeben, worauf ein Wettlauf seriöser Bauwilliger und weniger seriöser Spekulanten einsetzte, um sich die attraktivsten Bauplätze zu sichern. Die Kosten des gewaltigen Mauerabbruches sollten durch den Verkauf der parzellierten Flächen gedeckt werden. 1858 wurde ein internationaler Rahmenwettbewerb zur Gestaltung der Ringstraßenzone ausgeschrieben. Damit sollte ein unerwünschter Wildwuchs vermieden werden. Bei der damaligen Planung waren noch keine Hotels an der Ringstraße vorgesehen. Sie sollte nur von öffentlichen Prachtbauten, privaten Palais und eleganten Zinshäusern gesäumt werden. Die ersten Hotelbauten entstanden erst im Zusammenhang mit der Weltausstellung von 1873. Heute ist für ein Wiener Luxushotel eine Adresse an der Ringstraße fast eine Notwendigkeit. Um die Bauzeit und die damit verbundenen Belastungen der Bevölkerung und des Verkehrs beim Bau der Ringstraße möglichst gering zu halten, hatte die Statthalterei für Niederösterreich den privaten Bauherren 30 Jahre Steuerfreiheit zugesichert, sofern ihre Bauten innerhalb von fünf Jahren fertig gestellt würden. Philipp Alexander Herzog von Württemberg und seine Gemahlin Erzherzogin Maria Theresia Anna, die Tochter des gefeierten Siegers von Custozza, Erzherzog Albrecht und Großnichte des Kaisers Franz Joseph, gehörten zu jenen wenigen Vertretern des Hochadels, die den Ringstraßenboom mitmachten und sich hier in den Jahren 1863 bis 1865 ein luxuriöses Palais errichten ließen. Allerdings fand die Hochzeit der beiden erst 1865 statt, als das Palais bereits seiner Fertigstellung entgegen ging. Zu diesem Zeitpunkt diente der Herzog bereits als Oberst der kaiserlichen Armee in Österreich. Eine ausländische Militärkarriere war für württembergische Prinzen nichts Besonderes. Sein Vater, Herzog Friedrich Wilhelm Alexander von Württemberg, war Generalmajor der russischen Armee.

Der Bauplatz am späteren Kärntnerring 16 war gut gewählt. Er lag zwar außerhalb jenes Abschnittes der Ringstraße, auf dem die großen Monumentalbauten errichtet werden sollten, die heute noch ein Hauptanziehungspunkt für die Touristen aus allen Ländern sind, aber doch nahe genug, um die Zugehörigkeit des Bauherrn zur Hofgesellschaft erkennen zu können. Zur neuen Hofoper waren es nur wenige Gehminuten, wenn auch der Herzog wohl nicht oft zu Fuß diese besucht haben wird. Immerhin lagen die Palais der zum Kaiserhaus gehörenden Erzherzoge Wilhelm und Ludwig Viktor noch weiter abseits im Bereich der privat zu finanzierenden Gebäude. Das Palais liegt an einer markanten Kurve der Ringstraße, von der man weite Bereiche der Prachtstraße überblicken kann. Der Herzog von Württemberg beauftragte mit der Planung und dem Entwurf des Palais den Münchner Architekten Arnold Zenetti. Als ausführenden Baumeister wurde Heinrich Adam engagiert, der sich beim Rohbau an die Vorgaben Zenettis halten musste, bei der Innengestaltung aber seine eigenen Ideen einbringen konnte. Auch Carl Gangolf Kayser wirkte an der Innenausstattung mit. Adams Hauptwerk unter den Wiener Palais ist das Palais Ernst Wahliss in der Argentinierstraße. Während dieses im historistischen Neobarock gestaltet ist, wählte man für das Palais Württemberg die italienische Neo-Renaissance als Baustil. Zenetti musste die Seitenfront des Gebäudes in der Canovagasse so gestalten, dass man von der Ringstraße einen freien Blick zur Karlskirche hatte. Darauf legten die Strategen des Ringstraßenprojektes großen Wert. Der Herzog und seine Gattin wohnten jedoch kaum in dem vielleicht zu aufwendig geplanten Bau. An der Rückseite des Palais erstreckte sich ein ausgedehnter Park bis zur Karlskirche. Als die Wiener Stadtverwaltung entgegen den Wünschen des Herzogs durch die Errichtung der Lothringerstraße das Palais vom Park trennte und letzteren sogar zur teilweisen Verbauung bestimmte, verlor der Herzog bald das Interesse an seinem Palais. Nicht einmal die Errichtung des Musikvereinsgebäudes gleich hinter seiner Wohnstätte konnte ihn vom Verkauf abhalten. Den Blick von den Fenstern seines Palais auf die Karlskirche hätte er jedenfalls verloren.

Manche Historiker vermuten aber, dass vorwiegend finanzielle Gründe zum Verkauf geführt hatten. Nach dem verlorenen österreichisch-preussischen Krieg von 1866 dürften die Zuwendungen aus dem mit Österreich verbündeten Württemberg gekürzt oder sogar eingestellt worden sein. Auch Erzherzog Albrecht, der seine Tochter beim Bau des Palais stark unterstützt hatte, dürfte seinen in Wien nicht besonders populären Schwiegersohn nunmehr kürzer gehalten haben. Ob die kolportierten hohen Spielschulden des Herzogs zum Verkauf beigetragen haben, ist nicht mehr zu verifizieren. Er kaufte ein wesentlich bescheideneres, aber auch wohnlicheres Palais an der Strudelhofstiege im neunten Wiener Gemeindebezirk und zog sich dorthin zurück. Als die Thronfolge in Württemberg auf Philipps Sohn Albrecht fiel, verließ der Herzog Österreich und zog wieder nach Deutschland, wo er während des Ersten Weltkrieges starb. Das Palais Württemberg am Ring wurde 1872 vom Investor Horace Ritter von Landau erworben. Er rechnete mit einem starken Besucheransturm zu der für 1873 in Wien geplanten Weltausstellung, dem nur eine eher dürftige Hotellerie gegenüberstand. Kurz vor der Weltausstellung ließ er das Palais in das luxuriöse Hotel Imperial umwandeln, das sofort zum führenden Hotel der Monarchie wurde. Die Umbaupläne stammten von Heinrich Adam. Als Baumeister nahm sich dieser Wilhelm Gross. Die Arbeiten begannen erst im September 1872. Bereits im April 1873 wurde das Hotel eröffnet. Nicht einmal der berüchtigte Schwarze Freitag am 9. Mai des gleichen Jahres konnte den finanziellen Erfolg verhindern. Landau war Financier und Spekulant aber kein Hotelfachmann. Er verpachtete das Hotel Imperial an den aus Budapest stammenden Hotelier Johann Frohner. Er war es, der das einstige Palais zur führenden Nobelherberge Wiens machte. Noch gegen Ende des Ersten Weltkrieges war es das einzige Hotel der Monarchie, das sich mit kaiserlicher Genehmigung „k. u. k. Hofhotel“ nennen durfte.

Bereits unter Franz Joseph diente es als offizielles Gästehaus des Kaisers. Unter anderem wohnten hier zur Zeit der Weltausstellung und danach der brasilianische König Dom Pedro II, König Christian IX von Dänemark, der deutsche Kaiser Wilhelm I sowie sein Kanzler Otto von Bismarck. An Richard Wagner erinnert eine Gedenktafel. Das Hotel blieb bis 1911 im Besitz der Familie Landau und wurde dann an die Wiener Verkehrsbank verkauft. Es wurde nun durch den Einbau einer Zentralheizung modernisiert und als Aktiengesellschaft geführt. Im Ersten Weltkrieg gab es keine Unterbrechung des Hotelbetriebes. Um die Kapazität zu vergrößern, wurde das Gebäude 1928 um zwei Geschoße aufgestockt. Dadurch wurden aber die Proportionen ungünstig verändert und das ehemalige Palais architektonisch verunstaltet. Ursprünglich war geplant gewesen, alle vier Trakte aufzustocken, doch beschränkte man sich schließlich mit der Erhöhung des Haupttraktes an der Ringstraße, wodurch das Gebäude seither etwas merkwürdig wirkt. Anderseits wurde dadurch ein architektonisches Monsterhotel vermieden und der Palaischarakter konnte weitgehend erhalten werden. In der Zwischenkriegszeit kamen die Hotelgäste weiterhin aus aller Welt und dem internationalen Hochadel. Es stiegen aber auch viele Künstler und sonstige Berühmtheiten hier gerne ab. Im Gästebuch finden sich u. a. Thomas Mann, Rabindranath Tagore, Claude Anet, Luigi Pirandello, John Galsworthy und Sven Hedin. 1934 wartete hier vergeblich Dr. Anton Rintelen auf das Gelingen des Nazi-Putsches, der ihn zum Kanzler einer Übergangsregierung gemacht hätte. 1939 erwarb die Wiener Städtische Wechselseitige Versicherung das Hotel. Den Zweiten Weltkrieg hatte das Hotel Imperial ohne größere Schäden überstanden. Es konnte seinen Betrieb bis April 1945 aufrecht erhalten, als russische Truppen bereits die Stadtgrenze erreicht hatten.

Da Adolf Hitler bei seinen Wien-Besuchen im Hotel Imperial abzusteigen pflegte, errichtete man an der Front zur Canovagasse einen unterirdischen Bunker, der aber auch der Bevölkerung und den Wiener Philharmonikern des benachbarten Musikvereins zur Verfügung stand. Die Zusammensetzung des Hotelpublikums hatte sich kriegsbedingt gewandelt. Neben Künstlern, wie Clemens Kraus, Karl Böhm und Marika Röck nützte vor allem die Polit- und Militärprominenz Deutschlands und der befreundeten Staaten die noch vorhandene gute Infrastruktur des Hotels. In den letzten Kriegstagen leitete Generaloberst Sepp Dietrich von hier aus den Abzug der deutschen Truppen aus Wien. Während der Besatzungszeit von 1945 bis 1955 befand sich hier das sowjetische Hochkommissariat für Österreich. Die Gästezimmer wurden durch die Entfernung der Betten, die durch Schreibtische ersetzt wurden, in Büros umgewandelt. Das einstige Palais war nun zum Bürohaus geworden, das ständig von russischen Soldaten bewacht wurde. Kurz nach Abschluss des Staatsvertrages wurde das ehemalige Palais der Republik Österreich wieder übergeben. Durch die Verwendung und die relativ pflegliche Behandlung hatte es in den vergangenen zehn Jahren nur wenig gelitten. Vorerst dachte man aber dennoch nicht an eine Reaktivierung des Hotelbetriebes, da man die Sanierungskosten als zu hoch einschätzte. Ein Bürogebäude wäre billiger gekommen. Schließlich entschloss man sich aber zur erforderlichen Generalsanierung, die von 1956 bis 1958 nach Plänen des Architekten Otto Mayr durchgeführt wurde. Danach konnte der Hotelbetrieb wieder aufgenommen werden. Während in anderen Ländern Staatsbesuche in Schlössern oder in Gästehäusern der Regierung untergebracht werden, wählte man in Österreich das Hotel Imperial als standesgemäße Unterkunft. Der wiederhergestellte Palais-Charakter des Hotels wurde und wird auch heute noch von gekrönten Häuptern und Regierungschefs geschätzt. Zu den vielen Staatsgästen nach 1961 zählten u. a. die englische Königin Elisabeth II, Richard Nixon, Nikita Chruschtschow und der jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito. Es geht aber auch exotischer mit der Königin Homeida von Afghanistan, dem König von Nepal oder dem Maharadscha von Jaipur. In den Jahren 1988 bis 1994 kam es zu einer Generalsanierung und Neugestaltung des Einganges durch Maurizio Papiri. Im Jahr 2011 wurde das Hotel Imperial von der internationalen Starwood-Hotelkette übernommen, die es ihrer Luxury Collection angegliedert hat.

Die Hauptfront des großen freistehenden Gebäudekomplexes ist natürlich der Ringstraße zugewandt. Sie hat heute sechs Stockwerke und 14 Fensterachsen. Die Fassade ist reich gegliedert, wodurch der mächtige vierkantige Bau seine Strenge verliert. Horizontal trennen starke Gesimse die einzelnen Geschosse. Die vertikale Betonung erfolgt durch den leicht hervortretenden sechsachsigen Mittelrisalit und die starken Eckpilaster. Sowohl im ersten als auch im zweiten Stock des Risalites springen von Konsolen gestützte steinerne Balkone vor, auf denen sich später prominente Hotelgäste ihren Fans und Parteifreunden präsentieren konnten. Das Erdgeschoß des Risalits wird vom hohen dreiteiligen Portal eingenommen. Das mittlere Tor war für die Einfahrt von Kutschen in den geräumigen Hof bestimmt, während die beiden Nebeneingänge von Fußgängern frequentiert wurden. Neben dem Tor standen zwei steinerne Wächterhäuschen, wodurch die Bedeutung des adeligen Bauherrn unterstrichen wurde. Ein Teil des architektonischen Portalschmucks (Lünetten und Reliefs von Franz Melnitzky) fiel 1946 einer Modernisierung des Haupteinganges zum Opfer. Erhalten haben sich aber die vier Portalfiguren über dem Eingang. Sie wurden vom Bildhauer Franz Melnitzky geschaffen und stellen Allegorien der Tugenden eines Herrschers dar – Weisheit, Ehre, Gerechtigkeit und Stärke. Durch das etwas unglückliche Vordach des Portals kommen die Statuen heute kaum zur Geltung. Oberhalb der Allegorien ist die Fassade mit goldenen Lorbeergirlanden dekoriert. Über den Fenstern und Balkonen des ersten Stocks erkennt man einen Fries mit dem aus dem Orient stammende Greifmotiv, wobei jeweils zwei Greifen eine Vase flankieren. Im zweiten Stock sind die Balkontüren sowie ein Fenster mit Fruchtgirlanden geschmückt. Über dem Mittelrisalit war an der Attika eine freistehende Figurengruppe angeordnet, die einen Triumphwagen mit einer allegorischen Frauengestalt zeigt, der von zwei Hirschen gezogen und von Löwen flankiert wird. Hirsche und Löwen sind die Wappentiere des Hauses Württemberg. Dieser Skulpturenschmuck wurde nach der Aufstockung des Hotels wiederverwendet. Er schmückt heute den mächtigen Dreiecksgiebel über der aufgestockten Hauptfassade. Die umlaufende Dachbalustrade und das charakteristische Kuppeldach, das den Innenhof überwölbte, wurden aber bei der Aufstockung entfernt. Der Mittelrisalit der aufgesetzten beiden Stockwerke wird durch korinthische Dreiviertelsäulen optisch zusammengefasst. Die anschließende Fassade wird durch ähnliche Pilaster gegliedert.

Die heutige Hotellobby war einst der 145 m große Innenhof, der den Kutschen zum Wenden diente, nach dem ihre Insassen an der Prunktreppe ausgestiegen waren. Ursprünglich war eine Ausfahrt an der Hinterfront durch den Park (in die heutige Bösendorferstraße) vorgesehen. An der rechten Seite des Hofes befanden sich Stallungen für die Pferde des Herzogs. Unter dem Marmorboden der Lobby befindet sich noch das originale Kopfsteinpflaster. Die Lobby wurde erst 1994 in ihre heutige Form gebracht. Zuvor war sie durch eine Zwischendecke, die in der Zwischenkriegszeit eingezogen wurde, unterteilt. Die Ausstattung einiger Repräsentationsräume und Salons hat sich größtenteils erhalten. Äußerst gut gelungen und erhalten ist das Stiegenhaus, das zu den bedeutendsten der Ringstraßenarchitektur zählt. Die Feststiege führt nur in die dreischiffige Säulenhalle der Beletage. Sie war ausschließlich dem Hausherrn, seiner Familie und den Gästen vorbehalten. Ihre Wände sind nicht marmorverkleidet, wie man meinen könnte, sondern bestehen aus Stuccolustro. Dies ist eine Imitation, bei der mit aufwändiger Technik Marmor täuschend echt nachgeahmt werden kann. Die Stufen sind aus dem besonders widerstandsfähigen „Kaiserstein“ (einem hellgelben Kalkstein aus dem Leithagebirge) gefertigt. Am Treppenabsatz im Halbstock steht das Donauweibchen, eine aus weißem Marmor gearbeitete überlebensgroße Skulptur des Bildhauers Hanns Gasser. Darüber hängt ein großes Gemälde des Kaisers Franz Joseph. Es hat hier sogar die zehnjährige russische Besetzung des Gebäudes nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Schaden überstanden. Die in die oberen Stockwerke führenden Treppen sind wesentlich einfacher gehalten, da sie nur vom Personal frequentiert wurden. Bemerkenswert ist auch der Marmorsaal im Hintertrakt. Die Wände dieser zweischiffigen vierjochigen Säulenhalle sind mit Stuckmarmor verkleidet. Das Kreuzgratgewölbe wird von einer Mittelsäule und zwei roten toskanischen Säulen gestützt. In der Beletage waren die reich stuckierten Wohn- und Repräsentationsräume des Herzogs Philipp von Württemberg in Form einer Enfilade angeordnet. Diese im Historismus des 19. Jahrhunderts besonders großzügig ausgestatteten Fürstenzimmer werden nicht nur bei Staatsbesuchen gerne genutzt. Sie sind vorwiegend im Stil des Neorokokos gehalten und mit Gemälden und Gobelins reich geschmückt.

Lage: 1010 Wien - Kärntnerring 16

Besichtigung: nur für Hotelgäste möglich

Homepage: www.imperialvienna.com


Weitere Literatur:


18.05.2014