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Graz - Palais Meran


Das Palais Meran dient heute als Hauptgebäude der Grazer Universität für Musik und darstellende Kunst. Zur Zeit seiner Erbauung war es das Stadtpalais von Erzherzog Johann. An seiner Stelle befand sich 1652 bereits ein freieigener Hof, doch ging die Freiheit im 18. Jahrhundert verloren. 1823 erwarb der Grazer Oberpostamtsverwalter Johann Webersick das Gebäude. Er starb aber bereits vier Jahre später. Seine Witwe Katharina verkaufte das Gebäude 1828 an Erzherzog Johann, der in den vergangenen zwei Jahren bei seinen Aufenthalten in Graz bereits hier als Mieter gewohnt hatte, was für die Qualität des Hauses spricht. 1834 konnte er nach Verhandlungen mit dem Grazer Magistrat den Besitz von der Dienstbarkeit befreien und nun als freies Eigen führen. Die Liegenschaft in der St. Leonhardergasse wurde gemeinsam mit dem Brandhof unterhalb des Seebergsattels in die steirische Landtafel eingetragen. Damit galt sie als steuerfreier Adelsbesitz. 1839 wurde Franz, der einzige Sohn des Erzherzogs, geboren. Erzherzog Johann beschloss nun einen Neubau als ständigen städtischen Wohnsitz für seine Familie zu errichten. Er hatte kein Interesse daran, in Wien am Kaiserhof zu leben, da er mit seinem Bruder, Kaiser Franz I (II), ein gespanntes Verhältnis hatte. Dieser hatte ihm jahrzehntelang verboten, seine Verlobte zu heiraten, da die Tochter eines Postmeisters keine geeignete Gattin für einen Erzherzog sei. Als er 1829 endlich die Genehmigung erhielt, musste er die üblichen harten Bedingungen akzeptieren. Unter anderem sollten seine Nachkommen keinen Adelstitel tragen. Außerdem hatte ihm sein Bruder den angestrebten Posten eines Statthalters in Tirol verwehrt. Erzherzog Johann wählte als Mittelpunkt seines Lebens die Steiermark, wo er bis heute wegen seiner Reformen und Förderungen von Industrie, Verkehr und Wirtschaft äußerst populär ist.

Er beauftragte den Direktor des Grazer Festungsbezirks Felix von Stregen mit den Vorarbeiten für die Errichtung eines Stadtpalais. Dazu gehörten umfangreiche Trassierungs- und Straßenverlegungsarbeiten, für die Spezialisten aus dem k. k. Ingenieur-Corps herangezogen wurden. Erzherzog Johann war damals Generaldirektor des Geniecorps und Leiter des Militärerziehungswesens. Das Palais wurde in den Jahren 1841 bis 1844 errichtet. Verantwortlicher Baumeister war Georg Hauberrisser d. Ä. Hauberrisser musste sich genau an die ihm vorgelegten Pläne halten, so dass er als eigentlicher Architekt nicht in Frage kommt. Dieser ist unbekannt. Die Bauaufsicht hatte Felix von Stregen, von dem auch ein Großteil der Baupläne stammte, wenn auch Erzherzog Johann seine umfangreichen Wünsche und Ideen eingebracht haben dürfte. Es entstand ein repräsentatives Stadtschloss im spätklassizistischen Stil. 1844 besuchten Kaiser Ferdinand I und seine Gemahlin Erzherzog Johann und sein noch nicht ganz fertiges Palais. Zur Vergrößerung seines Besitzes erwarb der Erzherzog in den Jahren 1842 bis 1851 fünfzehn angrenzende Parzellen sowie 1856 das Ambrosi-Haus in der Elisabethstraße. 1845 konnte Erzherzog Johann sein neues Palais beziehen. Im gleichen Jahr hatte sein Neffe, Kaiser Ferdinand I, zu dem er offenbar ein besseres Verhältnis als zu seinem Bruder hatte, seinen Sohn zum Grafen von Meran erhoben. Seine Gattin Anna durfte sich erst ab 1850 Gräfin Meran nennen. In den folgenden Jahren wurde hinter dem Palais ein großer gepflegter Park angelegt und mit einigen Parkbauten ausgestattet. So wurde bereits 1845 eine Eisgrube errichtet und 1846 ein großes Glashaus erbaut. Der Garten mit den Gewächshäusern diente dem Erzherzog als landwirtschaftliche Versuchsstation.

1855 wurde der Besitz in einen Fideikommiss umgewandelt. Eine 1857 aufgestellte Uferschutzmauer am benachbarten Kroisbach führte bald zu Beschwerden der Anrainer, da nun der Besitz des Erzherzogs besser vor Überschwemmungen geschützt war, ihre eigenen Grundstücke aber vermehrte Probleme bekamen. Erzherzog Johann verstarb 1859 in seinem Grazer Stadtpalais. Danach wurde das Palais bald nur mehr Palais Meran genannt. Seine Witwe Anna ließ 1862 den Nordtrakt des Palais hofseitig aufstocken. Sein Sohn, Franz Graf Meran, wurde zum Stammvater einer Familie, die bis heute mehr als 900 Mitglieder zählte. Deren Lebensmittelpunkt wurde aber bald nach Südtirol sowie nach Stainz oder in den Brandhof verlegt. Franz Graf Meran, der wenig Sinn für die Liebhabereien seines Vaters hatte, ließ 1874/75 die meisten Glashäuser entfernen und an ihrer Stelle drei Miethäuser errichten. 1880 erfolgte der Anbau eines zum Hauptgebäude im rechten Winkel stehenden Nordtrakts. 1939 verkaufte Johann Graf Meran den Grazer Stammsitz an die Reichsfinanzverwaltung. Diese führte eine umfassende Außen- und Innenrenovierung durch und siedelte hier das Oberfinanzpräsidium an. Bei dieser Gelegenheit wurde die Zufahrt von der Leonhardstraße in die Brandhofgasse verlegt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges richtete die britische Besatzungsmacht der Steiermark hier ihr Hauptquartier ein. Erst nach dem Staatsvertrag von 1955 und dem Abzug der Engländer konnte die Republik Österreich das Palais übernehmen. Seit 1963 wird es von der Musik- und Kunstuniversität Graz als repräsentatives Hauptgebäude genutzt. Im gleichen Jahr fanden zu diesem Zweck Veränderungen im Inneren statt. Nachdem 1976/77 die Fassaden restauriert worden waren, kam es in den Jahren 1980 bis 1986 zu einer Generalsanierung durch den Architekten Ignaz Eduard Holub, die auch die Revitalisierung des Parks einschloss. Das ehemalige Stallgebäude in der Leonhardstraße 19 wurde 1983/86 zu einen Veranstaltungssaal umgebaut. Es wird heute als „Theater im Palais“ bezeichnet.

Das Palais Meran ist ein fast freistehender monumentaler Schlossbau. Seine Schauseite ist zum Park gerichtet. Lediglich die schmale südliche Seitenfront grenzt an die Leonhardstraße. Dadurch sollte wohl der private Charakter des Hauses unterstrichen werden. Das Palais gehört zu den kunsthistorisch bedeutendsten Gebäuden der Stadt. Der lange Baukörper weist an seiner nach Westen gerichteten Gartenfront 19 Fensterachsen auf. Davon entfallen sieben auf den breiten, kaum vorspringenden Mitteltrakt. Während die sechsachsigen Seitenteile zweigeschossig sind, ist der Mittelteil um ein Stockwerk höher. Er wird von einem Dreiecksgiebel abgeschlossen, der von einem markanten Konsolgesims gerahmt ist. Das im Giebelfeld zu sehende Wappen des Erzherzogs Johann ist aus Zinkguss gearbeitet. Es wurde 1939 nach dem Verkauf des Palais entfernt, 1976/77 restauriert bzw. ergänzt und dann wieder angebracht. Der auf einem Stich von Daniel Kreuzer aus dem Jahr 1843 erkennbare Giebelschmuck ist nicht mehr vorhanden. Das Erdgeschoß ist an allen Fronten gequadert. Die dortigen Fenster sind rundbogig. Die rechteckigen Fenster im Hauptgeschoß der Schauseite weisen gerade Verdachungen auf. Alle Fenster sind mit hölzernen Läden versehen. Ein dreiachsiger Pfeileraltan ist dem mittigen Eingang vorgebaut. Er ist zwischen den drei hohen rundbogigen Toren mit Löwenköpfen geschmückt. Die darüber liegende Terrasse wird von einer Steinbalustrade begrenzt. Die einfach gehaltene Hoffassade im Osten wird vom siebenachsigen Kubus des Mittelbaues dominiert. Er tritt um zwei Fensterachsen vor. Das Erdgeschoß ist durch ein schlichtes Gesims optisch vom ehemaligen Wohngeschoß getrennt. Die hohen Fenster des ersten Stocks sind im Bereich des Mittelbaues rundbogig, ansonsten rechteckig. Das einfache Portal ist ebenfalls rundbogig. Das ziemlich unpassende Dachgeschoß über den hofseitigen Seitenflügeln wurde 1870 aufgesetzt. An der vierachsigen Straßenseite weist eine Tafel mit Inschrift darauf hin, dass Erzherzog Johann in diesem Gebäude verstarb. 1844 wurde eine Begrenzungsmauer mit zwei Portalen entlang der Leonhardstraße errichtet. Eine weitere Mauer wurde bereits 1842 an der Elisabethstraße aufgestellt.

Die Innenausstattung erfolgte im Stil des damals modernen Romantischen Historismus. Erhalten ist jedoch nur die wandfeste Ausstattung. Im Erdgeschoß des Mittelbaues verbindet ein breiter Korridor die beiden Eingänge an der Ost- und der Westfront. Seine Decke zeigt kassettierte Gurtbögen und ein Platzlgewölbe. Gartenseitig dient er als Vestibül des Haupteinganges. Hier ist er zu einer dreijochigen dreischiffigen Pfeilerhalle erweitert. Eine Bronzebüste von Alexander Silveri erinnert an Erich Marckhl, dem ersten Präsidenten der Musikuniversität. Hofseitig befindet sich im Mittelbau ein Raum, dessen Kreuzgratgewölbe auf einem achtseitigen Pfeiler mit einem stilisierten Kapitell ruht. Bemerkenswert ist die repräsentative Vier-Pfeiler-Treppe in der Nordostecke des Mittelbaues. Das Treppenhaus ist ebenfalls mit kassettierten Gurtbögen und einem Platzlgewölbe ausgestattet. Die Stufen sind aus schwarzem Marmor gefertigt. Ein Schmiedeeisengeländer begrenzt den Treppenaufgang. Das Treppenhaus mündet im Obergeschoß in einen quadratischen Saal, dessen Fenster mit gekuppelten Rundbogenrahmungen eingefasst sind, die gotische Details wie Drei- und Vierpassmaßwerk aufweisen. Im obersten Geschoß findet man geschnitzte Tür- und Fensterrahmungen. Mehrere Räume sind mit Deckenstuck und intarsierten Parkettböden ausgestattet. Der größte Raum des Palais ist der „Florentiner-Saal“, ein großer rechteckiger Festsaal. Er liegt im südöstlichen Bereich des Mittelbaues und nimmt dessen beide Obergeschosse ein. Seine Wände sind mit gelbem Stuckmarmor verkleidet. Sie werden durch profilierte verspiegelte Rundbogenarkaden gegliedert. Die Spiegel wurden erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eingesetzt. Ursprünglich waren die Arkaden offen. Auch die darüber liegenden rundbogigen Fenster mit ihren gedrehten Säulchen sind heute verspiegelt. Die westliche Schmalseite des Saales wird von drei Rundbogenarkaden abgeschlossen. In der mittleren ist ein Gemälde Erzherzogs Johann zu sehen. Es wurde erst 1984 angebracht. Zuvor befand sich hier ein Spiegel. Die Stuckdecke imitiert eine Eichenholzkassettendecke mit hängenden Pinienzapfen, Weinlaub und Lorbeerkränzen. In ihren Ecken sind kleine Wappenschilder eingearbeitet, die auf Erzherzog Johann Bezug nehmen. Im Obergeschoß gibt es noch drei weitere Säle, wobei sich der mittlere durch eine Tür zur Terrasse des Altans öffnet. Auch hier täuschen Stuckdecken geschnitzte Holzdecken vor.

Ort/Adresse: 8010 Graz, Leonhardstraße 15

Besichtigung: teilweise möglich


Weitere Literatur:


15.02.2014