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Kreuzenstein


Burg Kreuzenstein liegt weithin sichtbar auf einem etwa 100 m über der Donau emporragenden bewaldeten Hügel des Rohrwaldes. Der ursprüngliche Wehrbau, der zwar im Umfang groß, aber wesentlich bescheidener als die heutige „Burg“ war, beherrschte die Landschaft zwischen Korneuburg und Stockerau. Diese Lage war strategisch äußerst günstig. Obwohl der Burgberg nicht besonders hoch ist, konnte von hier aus der Eintritt der Donau in die Wiener Pforte sowie Teile des Korneuburger Beckens und des Tullner Feldes kontrolliert werden. Zahlreiche prähistorische Funde beweisen, dass schon im frühen Mittelalter eine Ringwallanlage bestand. 1002 schenkte Kaiser Heinrich II seinem Getreuen Pilgrim von Formbach Land, das etwa den Raum zwischen dem Rohrwald und dem Bisamberg umfasste. Die erste echte Burg dürfte zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtet worden sein, doch gab es zweifellos bereits vorher eine Wehranlage auf diesem Hügel. Die Herkunft des Burgnamens ist ungewiss. Zwar gibt es verschiedene Deutungsversuche, doch dürfte der „Grizanstein“ wohl am ehesten auf einen Herrn Grizzo zurückgehen, dem der frühmittelalterliche Wehrbau vielleicht einst gehört hat. 1115 wird in einer Urkunde des Stiftes Melk ein Dietrich von Grizanestaine aus dem bayrischen Geschlecht der Formbacher erwähnt. Er tritt daher auch unter dem Namen Graf Dietrich II von Formbach-Vichtenstein auf. Seine Tochter Hedwig heiratete 1146 den Grafen Engelbrecht von Wasserburg, dessen Nachkommen Kreuzenstein über ein Jahrhundert lang besaßen. Als Burggrafen werden mehrfach die Hochfreien von Lengenbach genannt. Vermutlich verkaufte Graf Konrad III, der letzte Wasserburger, 1246 die Burg an den letzten Babenberger-Herzog Friedrich II oder aber an dessen Nachfolger. Damit wurde sie landesfürstlich. Der neue Landesherr König Przemysl Ottokar II übergab Kreuzenstein 1272 seinem Gefolgsmann, dem ungarischen Grafen Aegidius von Preßburg. Nach dem Tod des böhmischen Königs gelangte die Festung an die neuen rechtmäßigen Landesherren, die Habsburger.

Diese setzten vorwiegend Pfleger und Burggrafen ein, verpfändeten Kreuzenstein aber auch recht häufig. Vom Pfleger Wolfgang von Rohrbach wird berichtet, dass er 1408 im Auftrag Herzog Leopolds IV den Wiener Bürgermeister Konrad Vorlauf und sieben seiner Ratsherren am Riederberg gefangen nahm und sie auf Kreuzenstein inhaftierte. Später wurden sie als Anhänger von Herzog Ernst dem Eisernen in Wien hingerichtet. 1425 war die Burg für kurze Zeit Residenz des jungen Herzogs Albrecht V, der später als Albrecht II auch römisch-deutscher König wurde. Seine Gattin Elisabeth, die Tochter des ungarischen Königs Sigismund, brachte 1436 die ungarischen Reichskleinodien hierher in Verwahrung. 1450 verhandelte man in der Burg über die Entlassung ihres Sohnes Ladislaus Posthumus aus der kaiserlichen Vormundschaft. Seit 1450 war der jeweilige landesfürstliche Pfleger auch Kommandant der Festung Korneuburg. 1525 erhielt der bisherige Pfleger und spätere Verteidiger Wiens in der ersten Türkenbelagerung, Niklas Graf Salm, Kreuzenstein als Lehen. 1527/28 wurde hier der Wiedertäufer Dr. Balthasar Hubmaier gefangen gehalten. Trotz mehrfacher Umstimmungsversuche seiner gelehrten Freunde blieb er seiner Überzeugung treu. Da er seine Lehre nicht widerrief, wurde er schließlich im März 1528 auf der Erdberger Lände in Wien öffentlich verbrannt. 1548 gelang es dem böhmischen König Podiebrad sich in den Besitz der Feste zu setzen. Ein Vorfahre des späteren Bauherrn namens Wenzel Wilczek befehligte damals die hier versammelten böhmischen Truppen. Kreuzenstein kam 1585 durch Kauf an Graf Ferdinand von Hardegg. Der neue Burgherr hatte aber als Kommandant der für Wien strategisch wichtigen Festung Raab diese angeblich vorzeitig den Türken übergeben. Nach einem Kriegsgerichtsverfahren wurde er 1595 wegen Feigheit vor dem Feind in Wien öffentlich enthauptet. Immerhin durften seine Angehörigen dafür ein vergoldetes Richtschwert anfertigen lassen. Vermutlich dürfte der Graf von Hardegg als Bauernopfer für Erzherzog Matthias gedient haben, der bei Raab eine wichtige Schlacht verloren hatte. Kreuzenstein fiel wieder an den Landesherrn.

Dieser verkaufte sie bereits nach kurzer Zeit an Lorenz Schütter von Klingenberg. Auf diesen folgte 1606 Ulrich Kren von Krenberg, der Kreuzenstein als Pfandbesitz hielt. Zu Beginn des 30-jährigen Krieges kam die Herrschaft durch Heirat an den Freiherrn Johann von Herberstein. Er kümmerte sich jedoch nicht um die Verteidigung, so dass 1620 böhmische Soldaten die Burg vorübergehend einnehmen konnten. Seine Witwe heiratete den Freiherrn Karl von Saint-Hilaire, dem vom Kaiser der erbliche Besitz von Kreuzenstein bestätigt wurde. Sein Vater Gilbert hatte mit seinen Dampierschen Reitern Kaiser Ferdinand in der Wiener Hofburg vor den aufständischen Protestanten beschützt. Als Dank erhielt sein Sohn 1635 die Grafenwürde. Graf Karl von Saint-Hilaire ließ die Wehreinrichtungen der Burg auf den neuesten Stand bringen. Kreuzenstein wurde neben Laa und Korneuburg zu einem wichtigen Bollwerk Wiens im Norden der Stadt. 1645 übergab jedoch Oberst Luckas Spicker, der kaiserliche Befehlshaber von Kreuzenstein und Korneuburg die Burg ohne Widerstand dem schwedischen Feldmarschall Lennart Graf Torstensson. Dieser schlug hier sein Hauptquartier auf und wartete auf die Truppen des aufständischen Fürsten von Siebenbürgen Georg I Rákóczi, mit denen er seine Armee vereinigen wollte um Wien zu erobern. Als Erzherzog Leopold ihn jedoch von Norden her bedrohte, zog er sich zurück und ließ zuvor durch Sprengungen die Burg gründlich zerstören. In der Folge benützte die umliegende Bevölkerung die Ruine als willkommenes Baumaterial für ihre Behausungen, so dass zu Beginn des vierten Viertels des 19. Jahrhunderts nur noch einige Reste, wie Teile der Ringmauer, der Rumpf des Ostturmes und Teile der Kapelle erhalten waren.

Kreuzenstein war 1702 durch die Vermählung der letzten Tochter des Hauses Saint-Hilaire mit dem späteren Reichsgrafen und Feldmarschall Heinrich Wilhelm von Wilczek an dessen Familie gekommen. Ursprünglich war zuerst nur die Errichtung einer Familiengruft geplant, wobei die noch vorhandenen Fundamente der alten Burgkapelle genutzt werden sollten. Als 1874 in Johann Nepomuk Graf Wilczek allmählich der Gedanke reifte, Kreuzenstein wiederaufzubauen, beauftragte er den soeben aus den Diensten Kaiser Maximilians aus Mexiko zurückgekehrten Architekten Carl Gangolf Kayser mit den Entwürfen, an denen er selbst starken Anteil nahm. Nach Kaysers Tod 1895 führte Humbert Walcher Ritter von Moltheim das Werk fort, das im wesentlichen 1906 vollendet war. Die lange Bauzeit von über 30 Jahren erklärt sich dadurch, dass Wilczek immer wieder nach Originalteilen Ausschau hielt, die dann in die halbfertige Anlage integriert wurden. Das heutige Kreuzenstein ist kein Nachbau des Vorgängerbaues oder irgendeines anderen Wehrbaues, sondern eine Neuschöpfung, bei der es darum ging, möglichst viele echte architektonische Elemente unterzubringen. Dabei wurden auch einzelne Bauteile wie der Glockenturm oder eine italienische Loggia eingebaut, die aus fortifikatorischen Gründen in einem Wehrbau des Mittelalters unmöglich gewesen wären. Es entstand eine romantische romanisch-gotische Musterburg, die als letzter großer Burgenbau des Historismus in Österreich gilt. Aus Gründen der Kontinuität wurden die spärlichen Reste der alten Burg in den Neubau eingebaut. Im Gegensatz zum schwärmerischen König Ludwig II, der ungefähr um die gleiche Zeit Neuschwanstein errichtete, war Wilczek ein historisch denkender Realist. Auch er wollte die Idealvorstellung einer mittelalterlichen Burg verwirklichen. Der Bau sollte jedoch in erster Linie zur Aufnahme seiner riesigen Sammlungen an kunsthistorisch interessanten Objekten dienen. Tatsächlich gibt es keine mittelalterliche Burg in Europa, in der so viele Kunstschätze wie in Kreuzenstein – angeblich ca. 11.000 Objekte - angehäuft waren. Während Neuschwanstein weitgehend ein moderner Betonbau ist, bemühte sich Wilczek möglichst viele Originalteile, die allerdings aus ganz Europa stammten, einzubauen. Er verzichtete aber nicht auf moderne Baumethoden und –materialisen. Wilczek gründete eine eigene Bauhütte, in der Handwerker aus ganz Europa beschäftigt waren. Nach 1874 wurde zuerst die Familiengruft in den Ruinen erbaut. Die Burg selbst entstand – ohne Generalplan – ab 1879 nach Maßgabe der erworbenen Bauteile und Kunstwerke. Auf seinen Jagd- und Sammelfahrten konnte der Graf so manches historisch wertvolle Stück retten. So kaufte er auf Hohensalzburg um den Holzwert eine dort längst vergessene Wurfmaschine aus dem Mittelalter. Mit ihr hatten aufständische Bauern vergebens versucht, mit Steinkugeln die Festung in Trümmer zu schießen. Sie steht heute weitgehend unbeachtet im halbrunden Turm, der in den Äußeren Burghof führt. Ein Polentakessel italienischer Arbeiter entpuppte sich als Eisenhut aus dem 15. Jahrhundert. Zu seinen Funden gehörten auch einige Steinsarkophage, die als Sautröge verwendet wurden

Johann Nepomuk Graf Wilczek war eine der markantesten Persönlichkeiten des späten 19. Jahrhunderts in Österreich. Obwohl er Ritter vom Goldenen Vlies, Geheimer Rat und Kämmerer Kaiser Franz Josephs war, hielt er doch etwas Abstand vom Hofleben. Am Krieg gegen Preußen 1866 nahm er als „Gemeiner“ in einem Feldjägerbataillon teil, obwohl ihm eine Offiziersstelle zustand. Schon damals fand er auf einem Erdäpfelacker ein keltisches Bronzeschwert. Wilczek war nicht nur Kunstsammler, Jäger und Bauherr, was in Adelskreisen nicht unüblich gewesen wäre, sondern auch Philantrop, Förderer von Kunst und Wissenschaft sowie Forscher. Er finanzierte u. a. die Payer-Weyprecht Arktisexpedition von 1872 sowie eine weitere 1882. Unter dem Eindruck der Katastrophe des Ringtheaterbrandes gründete er die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft. Außerdem war er an der Schaffung der Rudolfinerhaus-Stiftung und des Heeresmuseums in Wien beteiligt. Das notwendige Kapital stand ihm aus Einkünften seiner Kohlengruben und Güter in Schlesien und Mähren zur Verfügung. Burg Kreuzenstein ist zwar bewohnbar eingerichtet, wurde aber nie wirklich bewohnt. Sie war von Anfang an als Museum gedacht, doch fanden hier auch prächtige Feste statt, bei denen die Gäste in historischen Kostümen erschienen. Das erste Obergeschoß war zur Aufnahme der Sammlungen vorgesehen. Im zweiten Stock wurden Gästezimmer für Besucher des Burgherrn eingerichtet. Anlässlich seines Staatsbesuches besuchte der deutsche Kaiser Wilhelm II 1906 die noch nicht ganz vollendete Burg. Daraufhin nahm der Besucherandrang stark zu. Bisher war die Anlage frei zugänglich. Wilczek verlangte nun eine Eintrittsgebühr, die aber zur Teilfinanzierung der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft diente. 1915 brannte durch Blitzschlag fast ein Viertel der Burg ab, wobei wertvollste Kunstschätze vernichtet wurden. Vor allem die Sammlung alter Musikinstrumente sowie jene der Handschriften wurden stark dezimiert. Auch die Einrichtung der orientalischen Zimmer wurde vernichtet. Graf Wilczek starb 85-jährig im Jahr 1922 und wurde in der Gruftkapelle von Kreuzenstein beigesetzt. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges bekam die Burg rund 250 Granattreffer ab, da sie zeitweise in der Hauptkampflinie lag und von deutschen Einheiten besetzt war. Danach kam es zu ausgiebigen Plünderungen. Vor allem leicht Tragbares wie zahlreiche wertvolle Bücher der Bibliothek fanden neue Besitzer oder wurden mutwillig zerstört. Die bedeutendsten Kunstwerke waren jedoch glücklicherweise ausgelagert gewesen. Die Schäden wurden durch die Familie Wilczek, der Kreuzenstein nach wie vor gehört, weitgehend behoben. Als finanzielle Basis der Erhaltung dienen einerseits die Eintrittsgebühren und anderseits der verbliebene Gutsbesitz im benachbarten Seebarn. Kreuzenstein gehört heute zu den meistbesuchten Burgen Österreichs. Es war aber nicht das einzige größere Objekt, um das sich Wilczek annahm. Er erwarb auch das vom Verfall bedrohte Schloss Moosham im Lungau, ließ es restaurieren und mit neu erworbenen bäuerlichen Hausrat und Werken der Lungauer Volkskunst ausstatten.

Die Burg liegt inmitten eines ovalen Erdwalles aus dem Mittelalter, dessen oberer Rand mit einem Fußweg versehen ist und dadurch eine leichte Besichtigung der Außenfront ermöglicht. Im Westen führt eine vierbogige Steinbrücke über den tiefen Graben zum äußeren Burgtor. Der Graben ist in den Fels gehauen. Das ausgebrochene Gestein wurde beim Wiederaufbau als willkommenes Baumaterial verwendet. Das Tor ist mit Fußgängerpforte, Zugbrücke, Fallgatter und Pechnase ausgestattet. Der Torbogen stammt von einer oberösterreichischen Burg, das Fallgatter aus der steirischen Burg Strechau. Es ist noch mit seinem kompletten Hebemechanismus erhalten. Der Torflügel ist mit Eisen beschlagen. Zwischen dem runden Torturm mit seinem Kegeldach und dem mit einem mächtigen Ziegeldach versehenen halbrunden Turm erstreckt sich der Zwinger. Bei einer mittelalterlichen Burg diente dieser im Kriegsfall zur Aufnahme der schutzsuchenden Zivilbevölkerung. Heute sammeln sich hier die Besucher und warten auf die nächste Führung. An der Südmauer des Zwingers erstreckt sich ein hölzerner Wehrgang. Die Flügel des zweiten Tores stammen vom Innsbrucker Zeughaus. Oberhalb vom Eingang sind die Wappen der einstigen Burgbesitzer St. Hilaire, Herberstein und Hardegg in Stein gehauen. Danach gelangt man in den großen Burghof, der durch den Kaschauer Gang in zwei Teile geteilt wird. Der Äußere Burghof wird im Westen von der Gesindestube und im Osten von den Stallungen sowie den Kammern der Rossknechte und Fuhrleute begrenzt. Der riesige gotische Kaschauer Gang stammt vom Dom der Stadt Kaschau (heute Kosice) in der Ostslowakei. Er bildete dort bis 1894 die vierjochige Orgelempore. Wilczek fand das abgebrochene Baumaterial vor der Kirche liegend, kaufte es, ließ es nach Kreuzenstein transportieren und dort wieder originalgetreu aufbauen.

Genauso erging es dem hübschen Fachwerksbau aus Nürnberg im Inneren Burghof. Dieser ist ansonsten noch von den wichtigsten Teilen einer mittelalterlichen Burg (Palas, Bergfried, Kapelle) und dem Nordwestturm umgeben. Die Zisterne im Äußeren Hof stammt noch von der ursprünglichen Burg. Sie wurde beim Neubau entdeckt, freigelegt und wieder verwendet. Bei der Erbauung des 50 m hohen Bergfriedes dürften die Stadttürme von Perchtoldsdorf oder Freistadt als Muster gedient haben. Das Baumaterial stammt von einem alten Turm am Inn und wurde auf der Donau herbeigebracht. Das Turminnere ist in sieben Stockwerke unterteilt. Eine Wendeltreppe führt über die Glöcknerstube zum steinernen Rundgang hinauf, der von starken Kragsteinen gestützt, den obersten Teil des Turmes umgibt. Die Mitte des Inneren Burghofes wird durch den 60 m tiefen Brunnen bestimmt, dessen steinerner Brunnentrog sowie Teile der Hebeeinrichtung im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts in Mestre/Venedig standen. Er ist mit einem Pyramidendach abgedeckt. Die gesamte Nordseite des Hofes wird vom Palasgebäude eingenommen. In seinem Erdgeschoß befindet sich die reich bestückte Waffenkammer. Sie gilt als größte private Sammlung von Hieb- und Stichwaffen Österreichs. Unter anderem findet man auch seltene Topfhelme aus dem 14. Jahrhundert. Im Kanonenraum werden alte Vorderladerkanonen und Hakenbüchsen aufbewahrt. Eine zweigeschossige, romanisch gestaltete Loggia verbindet den Palas mit der Burgkapelle. Die mittlere der drei Säulen geht auf das 14. Jahrhundert zurück und stammt aus der alten Basilika von Padua, die beiden seitlichen sind Kopien. Die von Wilczek im Obergeschoß der Loggia aufgestellte Büste stellt Carl Gangolf Kayser, den ersten Architekten des Wiederaufbaues dar.

Die dem hl. Nikolaus geweihte Kapelle ist auf den Fundamenten ihrer gotischen Vorgängerin errichtet. Für eine Burgkapelle ist sie etwas zu groß und aufwändig geraten. Das riesige Rundbogenfenster hätte im Ernstfall wohl kaum eine Belagerung überstanden. Darunter hängt ein großes gotisches Kruzifix eines unbekannten Tiroler Bildschnitzers aus der Zeit um 1520. Das Äußere der Kapelle beeindruckt vor allem aber durch den prunkvollen gotischen Turmhelm. Seine Spitze ist mit einer großen Statue des Erzengels Michael aus dem 16. Jahrhundert geschmückt. Flügel, Schild und Schwert wurden im 19. Jahrhundert ergänzt. Die in der Glockenstube befindlichen drei Glocken aus dem 14. Jahrhundert mussten im Ersten Weltkrieg abgeliefert und eingeschmolzen werden. Der Hauptzugang zur Kapelle erfolgte durch eine prächtig geschnitzte Eichentür. Sie ist eine Nachbildung der ehemaligen Kirchentür von Irrsdorf in Salzburg. Die beiden Flügel zeigen Reliefs der Muttergottes und der hl. Elisabeth. Neben dem Portal steht eine Statue des hl. Roland aus dem 11. Jahrhundert. Das Innere der Kirche ist überreich mit Kunstwerken ausgestattet. Ihre Wände sind mit Steinreliefs vom 8. bis zum 15. Jahrhundert geschmückt. Bemerkenswert ist der gotische Flügelaltar, der aus 47 Einzelteilen verschiedener Herkunft zusammengefügt wurde. Er wurde vom Tiroler Bildhauer Johann Grissemann und dem Münchner Maler Müller gefertigt. Seine Bestandteile stammen jedoch zumeist aus dem 15. Jahrhundert. Die im Sakramentshäuschen bis 1945 aufbewahrte Kreuzreliquie ist nicht mehr vorhanden. Besonders schön sind die Glasfenster aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert. Sie stammen aus einem ungarischen Kloster und aus der Grazer Burgkapelle. Das Ende des Zweiten Weltkrieges hatten sie nur überlebt, weil die wichtigsten Kunstschätze zuvor ausgelagert worden waren. 1961 wurden sie wieder eingesetzt. Das Taufbecken an der Nordseite ist romanisch. Ein Steinrelief aus Padua stammt vermutlich aus dem 8. Jahrhundert. Unterhalb der Kapelle liegt die Familiengruft, mit der der Wiederaufbau Kreuzensteins begonnen hatte. In einem prächtig geschnitzten Schrank (1459) der Sakristei befanden sich bis 1945 wertvolle gotische Paramente, die wie vieles aus der Burg in den Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit verschwanden.

Sehr wohnlich eingerichtet sind die Repräsentationsräume im ersten Stock des Palas. Glasmalereien findet man nicht nur in der Kapelle. Sie sind auch in vielen Wohnräumen zu sehen. Der Große Saal ist durch ein florentinisches Gitterwerk vom kleineren Vorsaal getrennt. Er ist in Größe und Höhe auf den mächtigen gotischen Schrank aus dem Kloster Neustift bei Brixen abgestimmt. Dieser um 1500 angefertigte Kasten ist mit seinem reich geschnitzten Maßwerk ein Spitzenwerk der österreichischen Kunsttischlerei des ausgehenden Mittelalters. Das hohe Netzgewölbe des Saales ist dem des Wladislav-Saales im Prager Hradschin ähnlich. Der Vorraum des großen Saales wird auch als Trinkhalle bezeichnet, da hier zahlreiche Zinnkrüge aufbewahrt werden. Der gemütliche Erker ist nach Kaiser Wilhelm II benannt, der offenbar hier mit einem Gläschen Wein bewirtet wurde. Sehr schön sind die Glasmalereien aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Das prunkvoll gestaltete Fürstenzimmer war hohen Gästen vorbehalten. Seine Möbel gehören dem 15. und 16. Jahrhundert an. Beachtenswert sind die burgundischen Tapeten aus dem 15. Jahrhundert. Im Obergeschoß wurde ein Badezimmer eingerichtet, dessen Prunkstück eine spanisch-maurische Fayence-Badewanne mit arabischen Inschriften aus dem frühen Mittelalter ist. Zwei Räume, in denen die Brand- und Kriegsverluste am größten waren, liegen im Bergfried. Es sind dies das Archiv und die von vier Säulen aus Untersberger Marmor gezierte Bibliothek. Dennoch sind sie auch heute noch für eine Burg recht passabel ausgestattet. Das Archiv beinhaltet hauptsächlich Dokumente der ehemaligen Herrschaft Kreuzenstein, aber auch Urkunden allgemeiner Art des 13. und 14. Jahrhunderts. Die Bibliothek ist durch ein gotisches Holzgitter vom Archiv getrennt. Die wertvollsten Bücher wurden bereits im Mittelalter angekettet, um sie vor Diebstahl zu schützen. Besonders wertvolle Handschriften wurden mittlerweile der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien übergeben Der Gaden musste völlig erneuert werden. Hier sind heute Bilder und Holzschnitzereien sowie Truhen des 14. Jahrhunderts ausgestellt. Schätze anderer Art findet man in der riesigen Burgküche im Untergeschoß des Gadens. Sie ist von außen durch eine bescheidene Tür vom Inneren Hof aus zugänglich. Hier befindet sich eine große Sammlung vorwiegend gotischer Küchengeräte. Der Küchentisch besteht aus einem einzigen 7,5 m langen und 1,5 m breiten Eichenholzbrett, das an einem Salzburger Bach als Brückenpfosten diente. Um ihn zu erwerben, ließ Wilczek eine neue Brücke bauen. Eine gotische Tür führt vom Gaden aus in die im Obergeschoß des Südtraktes befindliche große Loggia. Sie öffnet sich in vier Bögen nach außen. Von ihren drei Säulen stammt nur die mittlere aus dem 14. Jahrhundert und Murano, während die beiden äußeren Nachbildungen sind. Stufen führen zum Söller, einem filigranen, auf drei Konsolen ruhenden Balkon hinunter. Die Burg hat wesentlich mehr Räume als die hier besprochenen, doch werden viele nicht öffentlich gezeigt.

Lage: Niederösterreich/Donautal – auf einem Hügel oberhalb von Leobendorf

Besichtigung: Führungen finden vom 23. März bis 31. Oktober täglich von 10.00 bis 16.00 (an Sonn- und Feiertagen bis 17.00) statt.

Homepage: www.kreuzenstein.com


Weitere Literatur:


19.05.2013