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Schwarzau am Steinfeld


Das Gebiet um Schwarzau scheint bereits 863 urkundlich auf. Von einem Schloss war damals natürlich noch keine Rede. Erst in den 30er Jahren des 12. Jahrhunderts erfährt man von einem Hezelin von Reding-Schwarzau, der zu den Gefolgsleuten des Grafen Ekbert I von Formbach gehörte. Er dürfte hier ein relativ einfaches „Festes Haus“ besessen haben. Hermann von Schwarzau gab 1190 seinen Sitz in Schwarzau auf und nannte sich nunmehr nach Pitten. Schwarzau wurde ein Amt der Herrschaft Pitten, was das Fehlen urkundlicher Erwähnungen für die nächsten 200 Jahre erklärt. Ein hier befindlicher Freihof wurde 1618 von der Familie Wurmbrand erworben. Bei Umbauarbeiten wurde 1998 an der Nordostecke des Hauptbaues eine ältere, in den Putz geritzte Fassadengliederung freigelegt. Dadurch ist ein Vorgängerbau aus dem 16. oder 17. Jahrhundert gesichert, bei dem es sich wohl um den alten Freihof handelt. Wie die meisten Herrschaften im östlichen Niederösterreich hatte auch Schwarzau vom 15. bis in das 17. Jahrhundert hinein unter den Einfällen der Ungarn und Türken schwer zu leiden. Der Freihof selbst dürfte aber nie zerstört worden sein. Etliche Mitglieder der Familie Wurmbrand zeichneten sich in den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts militärisch aus, weshalb sie 1701 in den Reichsgrafenstand erhoben wurden. Johann Wilhelm Graf Wurmbrand brachte es bis zum Präsidenten des Reichshofrates. Vermutlich war er es, der den bisher bescheidenen Freihof zu Beginn des 18. Jahrhunderts in ein stattliches barockes Schloss umbauen ließ. Der Architekt ist unbekannt. Wegen seiner architektonischen Qualität wurde früher Fischer von Erlach genannt. Heute denkt man eher an Christian Alexander Oedtl. Auf Grund von dendrochronologischen Untersuchungen des Dachstuhls kann man annehmen, dass der repräsentative Landsitz um 1720 fertiggestellt war. Es handelte sich um einen dreigeschossigen Dreiflügelbau, dessen offene Gartenseite durch einen, nur mit Torbögen mit den Eckpavillons der Seitentrakte verbundenen Festsaaltrakt geschlossen wurde. Bemerkenswert war das prächtige Stiegenhaus. Johann Wilhelm Graf Wurmbrand legte auch den ausgedehnten Park an. Die Familie Wurmbrand schuf eine gediegene Residenz und stattete die Innenräume mit qualitätvollen Möbeln aus. Um 1820 fand eine deutliche Vergrößerung der Anlage statt.

1826 lebte hier Caroline Murat, die Schwester Napoleons. Die Wurmbrand behielten Schwarzau bis 1860, als es an den ungarischen Kämmerer Graf Koloman Náko de Nagy Szentmiklos verkauft wurde. Dessen Gattin war sehr kunstbeflissen. Zu ihren Gästen zählten u. a. Richard Wagner sowie die Maler Hans Canon, August von Pettenkofen und Carl Rahl. 1888 erwarb der Budapester Immobilienmakler Wilhelm Fischer das Schloss, verkaufte es aber bereits im nächsten Jahr an Herzog Robert von Bourbon-Parma. Dieser war aus Frankreich vertrieben worden und baute Schwarzau zu seiner repräsentativen Exilresidenz aus. Um die dafür erforderlichen Räumlichkeiten zu schaffen, musste das Gebäude aufgestockt und durch den Anbau eines neuen Hofes vergrößert werden. Der Herzog brachte seine berühmte Sammlung liturgischer Frühdrucke hier unter. Die weitläufige Parkanlage wurde umgestaltet und mit Einbauten, wie Prunkstallungen und Wirtschaftsgebäuden versehen. Seinen umfangreichen Gutsbesitz im italienischen Lucca sowie am Bodensee konnte der Herzog behalten. Sein riesiges Schloss Chambord an der Loire wurde ihm im Ersten Weltkrieg konfisziert. 1911 fand in der Schlosskapelle die Trauung von Prinzessin Zita von Bourbon-Parma mit Karl Franz Josef von Habsburg statt, der wenige Jahre später letzter österreichischer Kaiser wurde. Während des Ersten Weltkrieges stellten die beiden einen Schlossflügel als Rekonvaleszentenheim für verwundete Soldaten zur Verfügung. In der Zwischenkriegszeit wurde in Schloss Schwarzau zeitweise ein Pensionsbetrieb eingerichtet, um die Erhaltungskosten zu decken. Prinz Elias von Bourbon-Parma, der 1919 den Besitz übernommen hatte, musste ihn 1951 aus finanziellen Gründen an die Republik Österreich verkaufen, die hier eine Frauenstrafanstalt einrichtete. Nach 1954 erfolgte ein umfangreicher Umbau im Inneren, der die Verwendung als Strafanstalt ermöglichte, aber natürlich zu Lasten der historischen Substanz ging.

Das Schloss ist eine barocke Dreiflügelanlage um einen Ehrenhof, die um 1890 durch einen zweiten, etwas kleineren Hof erweitert wurde, wobei die neuen Trakte dem Altbestand angeglichen wurden. Die Anlage hat dadurch ihr barockes Aussehen weitgehend behalten können. Das Gebäude ist zwei- bis viergeschossig. Seine Schauseite ist elfachsig und zweistöckig. Der leicht vorspringende fünfachsige Mittelrisalit wird durch Pilaster mit Akanthuskapitellen vertikal gegliedert. Das mit zwei Fußgängerpforten ausgestattete Portal sowie die darüber befindlichen Mittelfenster werden von zwei Doppelpilastern flankiert. Das Mittelfenster des ersten Stocks ist mit einem verkröpften Gesims versehen, das mit dem von Ranken umschlungenem Wappen des Bauherrn geziert ist. Vor dem Fenster stützen Volutenkonsolen einen vorschwingenden Balkon bzw. dessen steinerne Balustrade. Die beiden Obergeschosse sind durch ein Kordongesims vom Sockelgeschoß getrennt. Die Fassaden sind gebändert. Der Mittelteil der Schauseite ist von einem Dreiecksgiebel gekrönt, der das dahinter liegende Mansardenwalmdach teilweise verdeckt. Im Giebelfeld erkennt man ein stuckiertes Wappen der Familie Bourbon-Parma sowie ein Relief, das den berittenen Hl. Georg zeigt, wie er mit dem Drachen kämpft. Dieser Drachenkampf stammt aus der Erbauungszeit des Schlosses, während das Familienwappen erst Ende des 19. Jahrhunderts angebracht wurde. In der Schlosseinfahrt ist ein römischer Grabstein eingemauert. Im Pavillon der Westecke liegt die zweigeschossige Schlosskapelle. Sie wurde unter Robert von Bourbon-Parma erneuert und mit neuen Glasfenstern ausgestattet. Der heute in der Gefangenenseelsorge verwendete Sakralbau wurde 2008 im Inneren restauriert. In der Sakristei werden noch die prunkvollen Messgewänder, die zur Zeit der Bourbonen angeschafft wurden, aufbewahrt.

Neben der dreiachsigen Durchfahrt befindet sich das Stiegenhaus. Eine Prunktreppe mit durchbrochenem Steingeländer im Bandlwerkstil führt nach oben. Die ursprünglichen Giebelplastiken wurden gegen Ende des 20. Jahrhunderts entfernt und in Rundbogennischen des Stiegenhauses sowie seitlich der Einfahrt aufgestellt. Sie stellen Allegorien der guten Eigenschaften des Bauherrn dar. Hofseitig stützen Säulen und Pilaster mit korinthischen Kapitellen das Gebälk des Portals. In den Kapitellen erkennt man die Wappentiere der Wurmbrand – Basilisken und spielende Katzen. An der Gartenfront ist das profilierte Rundbogenportal mit dem schmiedeeisernen Rankengitter bemerkenswert. Es zeigt das wurmbrandsche Wappen. Die barocke Innenausstattung ging größtenteils durch die Umbauten des 19. und 20. Jahrhunderts verloren. Das sog. Kaiserzimmer in der südlichen Gebäudeecke hat aber, wie auch die beiden Räume in der nördlichen Ecke seinen zarten barocken Deckenstuck bewahrt. Im Obergeschoß des Mittelpavillons befindet sich ein großer Saal mit einer schönen Holzdecke, die auf vier Rundsäulen ruht. Die Wandbespannung mit den Lilienmotiven der Bourbonen ist noch original. Während der nordöstliche Seitentrakt 1954 umgebaut und seiner Stuckdecke beraubt wurde, hat sich im südwestlichen Seitentrakt die barocke Ausstattung teilweise erhalten. Im ersten Obergeschoss befand sich einst eine 25 m lange Ahnengalerie der Grafen Wurmbrand, wobei die Ahnen als gemalte Bronzestauten dargestellt wurden. Im 19. Jahrhundert wurde diese Galerie in kleine Räume unterteilt, wodurch ein Großteil der malerischen Ausstattung verloren ging. Ein anschließender Raum wird als „Delfter Zimmer“ bezeichnet, weil die Wände mit gemalten Delfter Kacheln bedeckt sind. Dazwischen sind Landschaftsbilder eingestreut. Unter anderem ist hier auch eine Ansicht der Gartenfassade des Barockschlosses abgebildet. In einer ebenfalls gemalten Muschelnische ist eine Statue der Jagdgöttin Diana zu sehen. 2011/12 konnte ein spätbarocker Salon entdeckt werden, dessen Wände mit exotischen Figuren geschmückt sind. Es war dies wohl eines jener im 18. Jahrhundert beliebten \"chinesischen Zimmer\". Man vermutet, dass die einstige malerische Ausgestaltung des Schlosses damit noch nicht voll aufgedeckt ist. Unter den Nebengebäuden des Schlosses fällt ein repräsentatives hufeisenförmiges Objekt im Park auf, bei dem es sich um die einstigen Stallungen für die Reit- und Kutschenpferde handelt. Es wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Ein 1893 erbautes Gästehaus wurde im 20. Jahrhundert abgerissen.

Lage: ca. 7 km östlich von Neunkirchen

Ort/Adresse: 2625 Schwarzau am Steinfelde

Besichtigung: nicht möglich


Weitere Literatur:


11.05.2013