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Hainfeld


Das Schloss dürfte als einfacher Edelsitz der Hainfelder um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut worden sein. Der erste urkundliche Hinweis auf einen hier bestehenden Wehrbau stammt aus dem Jahr 1275. Mit Ulrich den Hervelder werden die hier sitzenden Herren von Hainfeld 1305 erstmals erwähnt. Zwar wird bereits um 1170 ein Richer von Hagenfeldt genannt, doch ist es fraglich, ob dieser tatsächlich aus dem Raabtal stammte. 1332 kam der damals bescheidene Edelhof durch Heirat an Ulrich Winkler. Die Familie Winkler ersetzte diesen Hof in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch ein wehrhaftes Renaissanceschloss. Der Vierflügelbau war das größte Wasserschloss der Steiermark. Seine Aufgabe war es, das nach Osten offene Raabtal vor Einfällen der Ungarn zu schützen. Der Hof wurde so groß angelegt, um bei Gefahr möglichst viele Bauern der Umgebung aufnehmen zu können. Hainfeld war ursprünglich ein Lehen der Wildoner auf der Riegersburg und dann der Herren von Wallsee. Nach dem Tod des minderjährigen Wilhelm Winkler machten um 1550 zahlreiche Erben Ansprüche auf Hainfeld geltend. So saß Erasmus von Teufenbach, der Hemma Winkler geheiratet hatte auf dem Schloss. Doch erhielt Bernhard Peierl 1555 das landesfürstliche Lehen zugesprochen. 1573 gelang es Wolf Zwickl, der 25 % am Schloss erworben hatte, das ganze Gut in seiner Hand zu vereinigen. Fünf Jahre später wurde er mit der Herrschaft belehnt. Durch die Witwe seines Sohnes, die mit einem Grafen Khiesl verheiratet war, kam Hainfeld in den Besitz dessen Familie. 1605 richteten die eingefallenen Ungarn bei den Bauern der Herrschaft große Verwüstungen an, ließen das Schloss aber ungeschoren. 1692 erbte Georg Bartlmä Graf Khiesl den Besitz. 1690 brachte Gräfin Maria Eleonore Khiesl Hainfeld in ihre Ehe mit Leopold Josef Graf Orsini-Rosenberg ein. Dieser verkaufte es 1719 an Wenzel Carl Graf Purgstall.

Unter den Grafen Purgstall fand im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts die zweite wichtige Bauperiode statt. 1773 wurde die Kapelle in den Nordflügel verlegt. Die alte Schlosskapelle in der Hofmitte, die am Vischer-Stich von 1681 zu sehen ist, wurde abgerissen. Auch das Hauptportal wurde neu gestaltet. Johanna Anna, die aus Schottland stammende kinderlose Witwe des letzten Grafen Purgstall, vererbte 1835 das Schloss und das dazugehörige Gut an den bedeutenden Orientalisten Joseph von Hammer. Die Bedingung, die die Gräfin stellte, war die, dass der neue Herr auf Hainfeld seinen Namen und sein Wappen mit jenem der Grafen von Purgstall zu vereinigen habe. Hainfeld wurde in einen Fideikommiss eingebracht. Der 1825 in den steirischen Ritterstand aufgenommene und 1836 in den Freiherrenstand erhobene Joseph Hammer stammte aus Krain. Seine Familie war mit den Grafen Purgstall befreundet. Er war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Gelehrten der Monarchie, woran noch seine im Schlossarchiv aufbewahrte Korrespondenz mit wichtigen Persönlichkeiten Europas erinnert. Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall war nicht nur Orientalist, sondern auch Diplomat, Hofdolmetscher sowie erster Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Eine seiner Übersetzungen Der Diwan des Hafis diente Goethe 1819 als Vorlage für seinen Westöstlichen Diwan. Sein Hauptwerk ist die zehnbändige Geschichte des Osmanischen Reiches. Hammer-Purgstall lebte weiterhin in Wien, wo er seine Forschungen betrieb. In Hainfeld verbrachte er meist nur sechs Wochen im Jahr zur Erholung. 1912 übernahm Heinrich Freiherr von Hammer-Purgstall das Gut. Damals gehörten zum Schloss noch ca. 271 ha Grund, wovon 136 ha auf Wald entfielen. Heinrich ließ das Schloss schrittweise restaurieren. Der landwirtschaftlich nutzbare Boden wurde verpachtet. Der Gutsherr war ein heute nicht sehr bekannter Komponist, der zahlreiche Lieder und mehrere Operetten schuf. Im Zweiten Weltkrieg war im Schloss ein Lazarett der Deutschen Wehrmacht untergebracht. 1944 wurde Hainfeld unter Denkmalschutz gestellt, was es aber auch nicht vor schweren Zerstörungen retten konnte.

Das Schloss, das im Laufe seiner 700-jährigen Geschichte nie ernstlich angegriffen wurde und daher seine Kulturschätze bewahren konnte, erlebte am Ende des Zweiten Weltkrieges seine schlimmste Zeit. Beim Herannahen der russischen Truppen flüchteten die Eigentümer nach Kärnten, so dass das Schloss unbewohnt blieb. Kurz zuvor hatte man den Archivraum, den man noch rasch mit Wertgegenständen gefüllt hatte, zugemauert. In den letzten Kriegstagen wurde das Gebäude durch Kampfhandlungen schwer beschädigt. Die bald danach eintreffenden russischen Soldaten vernichteten neben einem Großteil der Einrichtung, die vor allem Heizzwecke diente, auch den Löwenanteil der einst 5000 Bände umfassenden wissenschaftlichen Bibliothek, die viele Werke des Orientalisten enthielt. Von ihr sind heute nur mehr Fragmente vorhanden. Danach richteten die russischen Besatzungstruppen hier ein Auffanglager für Kriegsgefangene ein. So wurden in Hainfeld zahlreiche Kosaken von den Engländern den Russen übergeben, was für sie Tod oder bestenfalls jahrelange Zwangsarbeit bedeutete. Da der Adoptivsohn des Schlossherrn, Rüdiger Hammer-Purgstall, kurz vor Kriegsende in der Nähe von Hainfeld gefallen war, war Heinrich der letzte Schlossherr aus der Familie Hammer-Purgstall. Er starb 1954. Seine Witwe, die Malerin und Allround-Künstlerin Cleo (Chlothilde) Hammer-Purgstall war das letzte Familienmitglied, das auf Hainfeld lebte. Sie beteiligte sich mit großem Einsatz eigenhändig an den Restaurierungsarbeiten, die zwischen 1965 und 1969 stattfanden. 1999 adoptierte sie ihren Gutsverwalter Alois Dietz und ernannte ihn zum Erben von Hainfeld. Baronin Cleo starb 98-jährig im Jahr 2003. Alois Dietz war schon im Jahr zuvor verstorben. 2005 übernahm die Tochter des Verwalters die Erbschaft. Sie versuchte das kulturelle Erbe des großen Orientalisten zu erhalten und das Schloss zu restaurieren, was aber mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aussichtslos war. 2012 musste Mag. Annabella Dietz Konkurs anmelden. Seither wird für das Schloss ein Käufer gesucht, der bereit wäre, auch die hohen Renovierungskosten von geschätzten 7 Mio. Euro aufzubringen. Die Höhe der Kosten ist erklärlich, wenn man bedenkt, dass allein die Dachfläche, die zum großen Teil saniert werden muss, ca. 1,2 ha beträgt.

Schloss Hainfeld liegt mitten im Raabtal zwischen Feldbach und Fehring. Die stattliche Anlage ist ein zweigeschossiger Vierflügelbau um einen riesigen quadratischen Hof. Ältester Teil ist der Ostflügel. Er dürfte auf den alten Edelhof zurückgehen. Der Grundriss des Gebäudes ist ein Geviert von 80 x 50 m Seitenlänge. Die langen Außenfronten sind durch Doppelpilaster gegliedert. In der Mitte der Südseite ist eine Altane angebaut. Die vier Ecken des Schlosses sind durch bastionenartig vortretende, dreigeschossige, quadratische Türme verstärkt. Sie tragen Pyramidendächer. Der die Anlage umgebende breite Wassergraben war zwar anfangs des 18. Jahrhunderts noch mit Wasser gefüllt und mit Fischen besetzt, blieb später aber lange Zeit ausgetrocknet. Anlässlich der 2008 durchgeführten Teilsanierung wurde er wieder mit Wasser gefüllt. Der einzige Zugang führte an der Westseite über eine gemauerte Bogenbrücke zum Schlosstor. Der letzte Teil dieser Brücke vor dem Tor war ursprünglich als Zugbrücke ausgebildet. An Stelle der Brücke führt heute ein Damm zum Schloss. Das Portal ist mit dem Purgstall-Wappen geziert. Die darunter angebrachte Kartusche enthält eine arabische Inschrift, die auf Joseph von Hammer-Purgstall zurückgeht. Ihre deutsche Übersetzung lautet: Gott schütze Deinen Ruf Dir gut, das größte Deiner Güter ? Geh sicher ein in seiner Hut, er ist der beste Hüter. Darunter ist die mohammedanische Jahreszahl 622 angebracht, was dem Jahr 1836 entspricht. Über dem Tor erhebt sich ein kleiner Dachreiter als Uhrturm. Der Hof wird an allen vier Seiten von einer eleganten zweigeschossigen Pfeilerarkade begrenzt. Die 72 großen Zimmer des Schlosses sind über diese Arkadengänge erreichbar. An den beiden Ecken des Südflügels wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts hofseitig runde Treppentürme mit gebrochenen Kegeldächern angebaut. An den Ecken des Südtraktes befinden sich zwei offene Stiegenhäuser.

In der Mitte der Nordseite werden die langen Arkaden von der leicht geschwungenen Barockfassade der Schlosskirche unterbrochen. Auf ihrem Volutengiebel sitzt ein behelmter Turm. Sie wurde 1773 als Ersatz für die frei in der Hofmitte stehenden Kapelle errichtet. Der Wandaltar im quadratischen Hauptraum stammt aus der Bauzeit und zeigt ein Bild der hl. Eucharistie. An den Seitenwänden befinden sich zwei Marmorkenotaphe. Jener im ägyptisierenden Stil erinnert an Johanna Anna Gräfin Purgstall. Er wurde 1837 in Anlehnung an die Tempelportale von Karnak von Joseph Hammer-Purgstall entworfen. Der andere ist im persischen Stil gehalten und bezieht sich auf die 1837 verstorbene Mutter des Orientalisten sowie seine damals noch lebende Gattin Karoline. Die Apsis der Kapelle springt an der Nordfront nach außen vor. Links neben der Kapelle steht in einem kleinen Raum die Nachbildung des im persischen Stil gestalteten Sarges, in dem Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall 1856 in Klosterneuburg-Weidling beigesetzt wurde. Gegenüber befindet sich die Grablege des Freiherrn Heinrich von Hammer-Purgstall. Einige der 36 Zimmer des Obergeschosses haben noch ihre ursprüngliche Barockausstattung behalten. Im Laudon-Zimmer sind auf großen Leinwandbespannungen die Siege des Feldmarschalls Ernst Gideon Freiherr von Laudon im Siebenjährigen Krieg (u. a. die Schlachten bei Kunersdorf, Hochkirch und Domstettl) dargestellt. Die Gefechtsdarstellungen sind auch militärhistorisch bedeutsam. Die Gemälde dürften 1762/63 entstanden und von Alois Graf Purgstall in Auftrag gegeben worden sein.

Ein Zimmer im Südtrakt beherbergte eine ab 1762 vom neapolitanischen Maler Gennaro Basili geschaffene Gemäldegalerie mit 58 Bildern steirischer Adeligen. Leider ist diese nicht mehr vorhanden, da sie Ende 2012 im Wiener Kunsthandel versteigert wurde. Außerdem gibt es ein chinesisches Zimmer mit auf Leinwand aufgeklebten Papierbildern in metallenen Rokokorahmen. Ein weiteres Kabinett ist mit niederländischen Fayenceplatten und bemalten Papiertapeten ausgestattet. In mehreren Räumen haben sich neben dem barocken Mobiliar auch Rokoko- und Empireöfen sowie zahlreiche Gemälde erhalten. Auch Cleo Hammer-Purgstall war vom alten Ägypten fasziniert. Das von ihr bis zuletzt benutzte Schlafzimmer ist mit von ihr im ägyptisierenden Stil angefertigten Möbeln und Textilien eingerichtet. Im Osttrakt wurden einige Räume im späten 17. Jahrhundert mit Stuckdecken geschmückt. Der Akanthusstuck in den Eckzimmern ist besonders reichhaltig. Eine Decke ist mit Domenico Bosco und der Jahreszahl 1693 signiert. Bemerkenswert ist auch der Bibliothekssaal. Im Gegensatz zu seinem Inhalt hat das umfangreiche Schlossarchiv alle Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit fast unbeschädigt überstanden. Es befindet sich heute im Steiermärkischen Landesarchiv in Graz. Vor dem Schloss liegt der große Wirtschaftshof. Seine Einfahrt ist mit Steinfiguren des Hl. Nepomuk und der Muttergottes aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhundert dekoriert. Die Steinvasen aus der gleichen Zeit stammen vom Bildhauer Johann Piringer. Um 1970 errichtete Cleo Hammer-Purgstall im an die Nordostseite des Schlosses angrenzenden Park eine Grabstele – natürlich auch im ägyptisierenden Stil - für ihre verstorbenen Hunde.

Lage: Steiermark/Oststeiermark, nahe von Leitersdorf im Raabtal

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


14.04.2013