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Tollet Schloss


Ortolf de tolet wird 1170 erstmals urkundlich genannt, was auch der früheste Hinweis auf die einstige burgartige Befestigung ist. Er dürfte ihr Erbauer gewesen sein. Allerdings handelte es sich vermutlich um einen bescheidenen Holzbau, der durch Palisaden und einen Graben gesichert war. Seine Familie war ein Ministerialengeschlecht der steirischen Otakare. Mit Wulfing von Tegernbach starb sie aus und Tollet fiel 1273 an die Herrschaft Ort am Traunsee zurück, zu der es bereits einmal gehört hatte. Die Herkunft des Namens „Tollet“ ist bis heute ungeklärt. Die Herren von Ort starben aber ebenfalls bald aus. Ihr Erbe fiel an Alberto von Rauenstein und Ortlieb von Winkel, die Tollet dem Dietmar von Lerbichl als Lehen überließen. Dieser erhielt 1331 von König Friedrich dem Schönen die Erlaubnis, sich ein neues Haus zu erbauen. Dieses war bereits eine gemauerte Anlage. Wie die Tolleter gehörten auch die Lerbichler dem Ritterstand an. Nach 1344 kaufte Eberhard von Wallsee die Herrschaft Ort, so dass Tollet nun zu einem Lehen der Wallseer wurde. Im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts kam die Burg durch die Heirat der Dietmut von Lerbichl mit Helmhart IV Jörger an dessen Familie. Damals war Tollet noch ein Lehen der Wallseer, wurde aber nach deren Aussterben 1483 zu einem landesfürstlichen Lehen. Die Jörger waren ursprünglich kleine Landadelige aus dem unweit gelegenen St. Georgen. Sie stiegen aber im 15. und 16. Jahrhundert zu einer der mächtigsten Adelsfamilien Ostösterreichs auf und konnten zahlreiche Herrschaften erwerben. Die Jörger blieben bis in die 20er Jahre des 17. Jahrhunderts im Besitz der Burg, die zwischenzeitlich allerdings zweimal als Heiratsgut an verwandte Familien ging, aber im Erbweg immer wieder zurückkam. Wolfgang IV Jörger war ein Freund Kaiser Maximilians I. Bereits für Kaiser Friedrich III hatte er militärische Erfolge im Kampf gegen den ungarischen König Matthias Corvinus erzielen können. Durch Erbschaft, Kauf und Verpfändung konnte er seine Herrschaft Tollet deutlich vergrößern. Allerdings gelang es ihm nicht, mit der hohen Gerichtsbarkeit betraut zu werden. Um die niedere Gerichtsbarkeit hatte er lange kämpfen müssen. 1513 wurde er Landeshauptmann von Österreich ob der Enns. Dies war eher ungewöhnlich, da die Jörger lediglich dem Ritterstand angehörten. Der Herrenstand protestierte so lange gegen seine Ernennung, bis ihn Kaiser Ferdinand I absetzte, ihn aber in den neu geschaffenen Hofrat berief.

Während Wolfgang IV dem katholischen Glauben treu blieb, wurde seine Gattin und baldige Witwe Dorothea zu einem glühenden Anhänger Martin Luthers, den sie in Deutschland persönlich kennen gelernt hatte und mit dem sie einen intensiven Briefwechsel pflegte. Sie unterstützte ihn auch mit namhaften Geldbeträgen. Auf ihre Bitten hin sandte er 1525 Michael Stifel, den ersten lutherischen Prediger Oberösterreichs, nach Tollet. Das Schloss wurde zu einem Zentrum des Protestantismus in Ostösterreich. Nachdem ein anderer prominenter Protestant, Leonhard Kaiser, in Schärding, das wie der größte Teil des Innviertels damals zu Bayern gehörte, öffentlich am Scheiterhaufen verbrannt worden war, wurde auch für Stifel die Lage immer bedrohlicher. 1527 verließ er Tollet und kehrte zu Luther zurück. Einem Inventar des Jahres 1572 kann man entnehmen, dass es damals eine Schlossbibliothek mit ca. 300 Werken gab, die sich praktisch mit allen Wissensgebieten beschäftigte. Daneben gab es noch eine Schulbibliothek, da die Jörger auf Tollet eine Ausbildungsstätte für junge protestantische Adelige unterhielten. Zur Herrschaft gehörte damals eine relativ große Landwirtschaft, die vom oberhalb des Schlosses liegenden Meierhof aus in Eigenregie betrieben wurde. Der Wirtshausbetrieb in der 1605 erbauten Taverne wurde erst 1864 aufgegeben. Wie seine Großmutter Dorothea war auch Sebastian Jörger ein kämpferischer Protestant. Er stritt nicht nur mit der katholischen Obrigkeit um die Bestellung von ihm genehmen Pfarrern sondern auch mit seinem protestantischen Nachbarn Siegmund von Polheim über die Vogtei des Pfarrhofes von Grieskirchen. Auf Grund von Erbteilungen hatte sich seine finanzielle Lage deutlich verschlechtert.

Der bedeutendste aber auch schillerndste Vertreter der Familie Jörger auf Tollet war Freiherr Hans V Unter ihm erlebte das Schloss seine Blütezeit, aber auch das Ende der Jörger als Eigentümer. Um 1600 gelang es ihm, für Tollet ein, wenn auch kleines Landgericht zu erreichen. Da die alte Burg den gestiegenen Wohnbedürfnissen nicht mehr entsprach, ließ er sie 1601 niederreißen und an ihrer Stelle in den Jahren bis 1611 das heutige Renaissance-Schloss errichten. So eifrig Hans V für sich und die übrigen protestantischen Adeligen auf vermeintliche Vorrechte pochte, so wenig hatte er für seine meist ebenfalls protestantischen Untertanen übrig. Diese beschwerten sich beim Landesfürsten, dass er Robott und Abgaben willkürlich erhöht hätte. Eine Kommission prüfte die Beschwerden und Hans musste in etlichen Punkten nachgeben. Immerhin konnten so in der Herrschaft Tollet blutige Unruhen vermieden werden, wie sie in anderen Teilen Oberösterreichs stattfanden. Aus Glaubens- und machtpolitischen Gründen war Hans V ein militanter Gegner Kaiser Ferdinands II, der die Gegenreformation in Österreich durchziehen wollte, und lehnte sogar dessen Huldigung ab. Er gehörte auch zu den Adeligen, die in Niederösterreich als Mitglied des Horner Bundes gegen Kaiser Matthias und Kaiser Ferdinand II vorgingen. Er rief sogar die mährischen Landstände zum Widerstand auf. Diese Gegnerschaft trug ihm nach der Schlacht am Weißen Berg, bei der die vorwiegend böhmischen Protestanten eine vernichtende Niederlage erlitten hatten, einen Prozess wegen Hochverrats ein. Nach der bayrischen Besetzung des Innviertels musste Hans V Jörger wie viele andere Führer des protestantischen Adels das Land verlassen. Seine umfangreichen Besitzungen wurden 1623 konfisziert und dem Kurfürsten von Bayern übergeben. Hans V starb ziemlich verarmt auf Schloss Zacking, dem Besitz seiner Gattin. Seinen Söhnen gelang es zwar nach etlichen Jahren einen Teil der Güter ihres Vaters wieder zu erwerben, Tollet war für die Familie aber verloren.

Andere prominente Vertreter der Jörger hatten ein ähnliches Schicksal. Am schlimmsten erging es Karl Jörger, dem neben seiner Hauptresidenz Aschach auch Scharnstein und einige andere Herrschaften gehörten. Je nachdem ob man katholische oder protestantische Quellen heranzieht, war er ein wüster Säufer und Leuteschinder oder ein eifriger Verfechter des protestantischen Glaubens - vermutlich beides. Als Verordneter der Stände kam er natürlich in Gegensatz zu Kaiser Ferdinand II. Als er sich um ein Bündnis der evangelischen Stände mit den aufständischen Böhmen, den Mähren und den Ungarn bemühte, war es aber wohl bereits zu viel. 1619 wurde er zum Oberhauptmann des ständischen Heeres des Traun- und des Machlandviertels bestellt. Er wollte am Pyhrnpass Kaiser Ferdinand II den Weg durch Österreich versperren. Vor allem das Stift Admont und dessen Bauern hatten schwer zu leiden. Der vom Kaiser um Hilfe gebetene Herzog Maximilian machte kurzen Prozess, schlug den Aufstand nieder und ließ den gefangen genommenen Karl Jörger 1621 auf der Festung Oberhaus in Passau zwecks „Auskunftserteilungt“ foltern. Ob es diese Behandlung war oder die Folgen des langjährigen übermäßigen Alkoholgenusses weiß man nicht. Karl starb jedenfalls 1623 im dortigen Verlies. Dem Freiherrn Helmhart von Jörger ging es nicht ganz so schlecht. Er lebte auf Steyregg, das er recht prunkvoll ausbauen ließ. Auch er kämpfte gegen Ferdinand II. Allein die Teilnahme an der Sturmpetition hätte wohl für ein Verfahren wegen Majestätsbeleidigung und Landesverrat gereicht, doch nahm er auch an der Besetzung des Linzer Schlosses teil und verlangte, die Stadt Laa militärisch zu besetzen und die katholischen Bürger zu vertreiben. Außerdem vermutete man, dass er im oberösterreichischen Bauernkrieg die Aufständischen unterstützt hätte. Er wurde verhaftet und unter Hausarrest gestellt. Auf Bitten seiner Gattin und der oberösterreichischen Stände wurde er schließlich freigelassen, doch wurden alle seine Besitzungen konfisziert. Lediglich die oberösterreichischen Güter wurden ihm zurückgegeben. 1631 starb er verarmt als letzter der Jörger von Tollet.

Der bayerische Kurfürst überließ Tollet 1628 um einen Spottpreis seinem Statthalter in Oberösterreich, Adam Graf Herberstorff, dem berüchtigten Auftraggeber des Frankenburger Würfelspiels, zukommen. Nach dem Tod des Grafen verkaufte es seine Witwe 1637 an Wenzel Reichard Graf Sprinzenstein. Unter Franz Ferdinand Graf Sprinzenstein wurde das Schloss zwischen 1710 und 1722 renoviert und erweitert. Franz II Graf Sprinzenstein veräußerte die Herrschaft 1771 an Graf Philibert Fieger von Hirschberg. Die Fieger behielten Tollet bis 1809. Danach wechselten die Besitzer relativ rasch. Zu ihnen gehörten die Stieber, Peckenzell, Bocella (1831) und Stremayr. 1845 übernahm Graf Anton Revertera y Salandra Tollet. Im 19. Jahrhundert erlebte das Schloss eine neue Blütezeit. Es wurde ab 1868 im Sinne des Historismus umgebaut und neu verputzt. 1869 wurde vor dem Hauptgebäude ein eleganter Pferdestall errichtet. Unter Friedrich Graf Revertera wurde der Turm aufgestockt. Da die Familie Revertera auf Schloss Helfenberg im Mühlviertel lebte, wurde das Schloss auch gelegentlich verpachtet. Die Grafen Revertera sind ein aus Spanien stammendes Geschlecht, das unter Karl V nach Österreich kam. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges war Schloss Tollet von der deutschen Regierung beschlagnahmt. In ihm wurde zuerst eine Schule für Arbeitsführerinnen und später ein Lazarett untergebracht. Nach dem Krieg diente es vorübergehend als Durchgangslager für Flüchtlinge sowie als Kaserne für eine amerikanische Panzereinheit. 1947 pachtete die oberösterreichische Landwirtschaftskammer das Gebäude und richtete in ihm eine bäuerliche Bildungsstätte ein. Diesem Zweck diente Tollet bis etwa 1976. Da mit dem Eigentümer keine Einigung über ein langfristiges Mietverhältnis erzielt werden konnte und die anstehenden Renovierungen eine kurzfristige Anmietung als nicht vertretbar erscheinen ließen, zog das Bildungsheim wieder aus. Die Gebäude blieben nun fast dreißig Jahre lang verwaist. Die Eigentümer schienen jedes Interesse an der Erhaltung des Schlosses verloren zu haben und ließen es bis vor wenigen Jahren verkommen. Durch das schadhafte Dach eindringendes Wasser hatte sogar schon eine Balkendecke zerstört, wodurch der darunter liegende Kachelofen beschädigt wurde. 1980 zog in die einstigen Stallungen ein Regionalmuseum ein, das aber bald geschlossen wurde. Schließlich wurde das Schloss 2002 von einer Immobilienfirma übernommen, wodurch es gerettet werden konnte. Nach Beendigung der langwierigen Restaurierungsarbeiten sind seit 2009 im Erdgeschoß des Hauptgebäudes das Gemeindeamt sowie der Bezirksheimathausverein untergebracht. Letzterer veranstaltet Ausstellungen und kulturelle Vorträge im Schloss. 2010 zeigte man in einigen Räumen eine Ausstellung über die Familie Jörger. Der erste Stock beherbergt einige Wohnungen.

Schloss Tollet liegt auf einem Hügel unweit von Grieskirchen über dem Trattnachtal. Es wirkt aus einiger Entfernung am besten. Zur Anlage gehört ein großer Park, der sich den Hügel hinabzieht. Vor dem Schloss liegen die Wirtschaftsgebäude, darunter recht bemerkenswerte Pferdeställe. Dieser äußere Hof wurde 1739 durch Franz Josef Graf Sprinzenstein neu gestaltet, wie eine Inschrift am Wasserbecken erzählt. 1888 wurden alle verbliebenen Nebengebäude der mittelalterlichen Burg abgerissen. Eine zweibogige Steinbrücke führt vom Wirtschaftshof zum Hauptportal. Der zwei- bis dreigeschossige Renaissancebau wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Zeitgeschmack völlig umgestaltet. Vier zweigeschossige Wohnflügel mit Mansarden- bzw. Walmdächern umgeben einen hübschen Innenhof. Dieser war während der Verwahrlosung des Schlosses völlig mit Gestrüpp verwachsen. Mittlerweile ist er jedoch saniert und zu einem Schmuckstück des Gebäudes geworden. Eine zweiflügelige Außentreppe führt hier zu den Repräsentationsräumen im ersten Stock. Das schöne Schmiedeeisengitter des auf Konsolen liegenden Hofumganges im ersten Obergeschoß wurde 1607 angefertigt. Es besteht aus 48 Feldern, die verschiedene Motive zeigen. Bis 1905 gelangte man von diesem Gang direkt in die dahinter liegenden Zimmer. Dann wurden diese etwas verkleinert, um einen innen liegenden Verbindungsgang zu schaffen. In der Hofmitte steht ein 40 m tiefer Brunnen mit einer ebenfalls schmiedeeisernen Laube. Diese ist allerdings eine moderne Imitation. Der Brunnen wurde 1566 von Sebastian Jörger in Auftrag gegeben. Weithin sichtbare Dominante des Schlosses ist der quadratische kuppelbedeckte Torturm. Er steht auf den Fundamenten seines Vorgängers, der vermutlich als Bergfried diente. Im 18. Jahrhundert wurde er mehrmals durch Blitzschlag beschädigt, so dass er zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Teil abgetragen werden musste. Das oberhalb des Eingangs am ersten Obergeschoß des Turms angebrachte, von zwei Löwen gehaltene Wappen ist jenes der Familie Revertera-Salandra. Das Zifferblatt der Turmuhr ist eine Nachbildung der Turmuhr des Linzer Landhauses. Die Innenräume wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts neu eingerichtet und dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Erfordernissen des Bildungsheimes angepasst. Von der ursprünglichen Ausstattung hat sich im ehemaligen Speisesaal eine Stuckdecke aus dem Jahr 1609 erhalten, deren Inschrift und Wappen sich auf Hans Jörger beziehen. Im Obergeschoß gibt es noch zwei weitere Stuckdecken aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Ansonsten überwiegen vor allem im Erdgeschoß die schweren Balkendecken. Die 1544 erstmals genannte Schlosskapelle war vermutlich bereits ein Teil der ersten Burganlage. Sie wurde 1738 als Marienkapelle neu geweiht. Ihr heutiges Aussehen erhielt sie 1868. Damals wurde der barocke Marienaltar durch den heutigen Altar aus weißem Marmor ersetzt.

Lage: Oberösterreich/Innviertel – ca. 2 km nordwestlich von Grieskirchen

Besichtigung: teilweise möglich


Weitere Literatur:


14.01.2013