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Schmida


Zum Besitz des Klosters Göttweig zählte im Mittelalter auch die kleine Wasserburg Schmida, die Vorläuferin des heutigen Schlosses. Teile des Grundeigentums in dieser Gegend gingen noch auf das Bistum Passau zurück, das Göttweig vor 1083 gegründet hatte. Zuvor (seit dem 9. Jahrhundert) waren die Klöster Niederaltaich und Kremsmünster hier begütert. Weitere Grundstücke erhielt Göttweig von den Herren Grie-Ranna, die im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts ausstarben. Das Kloster belehnte mit Schmida verschiedene Kleinadelige. So nannten sich bis etwa 1300 die rittermäßigen Herren von Schmida nach ihrem Lehen. Um 1140 werden Guntherus und Hartmut de Smida genannt. Es folgten die Herren von (Grafen-)Werd. Aus dieser Familie stammt Leb von Smidach, der 1355 erwähnt wird. Im frühen 14. Jahrhundert nennen sich die hier ansässigen Gefolgsleute des Klosters Schmidacher bzw. Smidacharius. 1313 ist die alte Burgkapelle erstmals nachweisbar. Zu den wechselnden Besitzern des 15. Jahrhunderts zählten die Dossen von Hagendorf. Nach deren Aussterben fiel die Herrschaft 1480 an Kaiser Friedrich III. Dieser übergab sie 1482 der Familie Prueschenk, die bald als Grafen Hardegg große Bedeutung für das nördliche Niederösterreich bekommen sollten. 1485 besetzten und verwüsteten die Ungarn die Burg. 1524 erwarb Julius I von Hardegg die alte Veste. Er war einer der bekanntesten niederösterreichischen Adeligen und Heerführer in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er wählte Schmida zu seinem Wohnsitz und machte es zu einem wichtigen Stützpunkt des Protestantismus im nördlichen Tullnerfeld.

Das 1529 von den Türken zerstörte Gebäude wurde um 1548 – allerdings vorerst ohne Kapelle, da die alte ersatzlos abgerissen wurde – neu aufgebaut. An der Stelle der Kapelle wurde ein Turm errichtet. Leiter der Ausbauten war vermutlich der landesfürstliche Festungsbaumeister Francesco de Pozzo. 1569 fiel Schmida im Rahmen einer Erbteilung an Graf Heinrich II von Hardegg. Angeblich wegen der latenten Hochwassergefahr zog 1572 die Familie Hardegg von Schmida nach Wolfpassing. Zwischen 1595 und 1600 kam es unter Graf Georg Friedrich, dem Sohn Heinrichs II, zu einer durchgreifenden Renovierung des Gebäudes, wodurch die bisherige mittelalterliche Burg zum Renaissanceschloss wurde. 1651 wurden ein neuer Meierhof sowie ein Brauhaus errichtet. An den Ausbauten der Jahre 1709 bis 1719, die Johann Julius Graf Hardegg in Auftrag gab, haben Jakob Prandtauer und Johann Jakob Castelli – letzterer als Bauführer – großen Anteil. Die barocke Kapelle wurde 1724 geweiht. Seit 1716 war Schmida ein freies Eigen der Hardegger. Es wurde ihrer Herrschaft Stetteldorf angeschlossen und verlor dadurch bald an Bedeutung, wurde jedoch weiterhin als Jagdschloss und Gestüt genutzt. Bis 1945 bewohnten die Grafen von Hardegg jährlich zumindest zur Jagdzeit das kleine Schlösschen. Durch die Nachkriegsereignisse wurde es jedoch für Jahrzehnte unbewohnbar. Der heutige Besitzer, Georg von Stradiot, hatte neben einigen anderen Burgen und Schlössern aus der Hardegger Verlassenschaft 1983 auch Schloss Schmida geerbt. Das Gebäude ist sehr schön restauriert und wird bewohnt.

Das ehemalige Wasserschloss liegt am westlichen Ende des gleichnamigen Straßendorfes. Wegen des sumpfigen Bodens wurde es ursprünglich auf Pfählen errichtet. Heute ist es dennoch weitgehend unterkellert. Die einst vom Stranzendorfer Bach gespeisten Wassergräben sind zwar seit 1975 trocken, aber im Gelände mit Ausnahme der Eingangsfront im Norden noch deutlich erkennbar. An der Rückseite des trapezförmigen Gebäudes erreichen sie eine beträchtliche Breite. Der zweigeschossige vierflügelige Bau erinnert an einen großen Vierkanthof. Der noch auf dem Vischer-Stich von 1672 abgebildete Turm in der Nordwestecke wurde später abgetragen. Von ihm ist lediglich das Kreuzgratgewölbe im Erdgeschoß erhalten. Einige Unregelmäßigkeiten im Grundriss weisen darauf hin, dass die Fundamente des mittelalterlichen Vorgängerbaues beim Neubau von 1548 genutzt wurden. Während im Nordteil der Anlage das im 16. Jahrhundert im Renaissancestil errichtete Jagdschloss steckt, entstand der Südtrakt mit der Kapelle erst 1719. Damals wurde das gesamte Gebäude vereinheitlicht und barock fassadiert. Schmida ist heute ein einheitliches Barockschloss. An die Renaissance erinnern nurmehr eine Wendeltreppe sowie die Stichkappentonnengewölbe im Erdgeschoß des Nordflügels.

Die 38 m lange Ostfront wird durch einen zweiachsigen Mittelrisalit mit Dreieckgiebel betont. Die heutige Steinbrücke liegt an der Stelle einer ehemaligen Zugbrücke. Sie führt zu einem einfachen Portal mit einem gedrückten Segmentbogen. Es ist ebenso wie die fünf Fenster der Eingangsfront asymmetrisch angelegt. Das Erdgeschoß war ursprünglich genutet, wurde aber bei der letzten Restaurierung überputzt. Die vier Trakte sind um einen rechteckigen Innenhof angeordnet. Ein umlaufender, auf Konsolen ruhender schmiedeeiserner laubenartiger Gang ermöglicht im Obergeschoß die Verbindung zwischen den einzelnen Räumen. Die im Südtrakt liegende zweigeschossige Kapelle ist dem Hl. Nikolaus geweiht. Das Deckengemälde stellte die Hl. Dreifaltigkeit dar. Das einstige Altarbild von Johann Georg Schmidt zeigt den Hl. Nikolaus. Es wurde dem Rathaus von Stockerau als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Die seinerzeit als Wirtschaftsräume verwendeten Zimmer des Erdgeschosses sind teilweise noch mit den Gewölbeformen des 16. Jahrhunderts versehen. Auch die Spindeltreppe im Nordflügel stammt noch aus dieser Zeit. Die von Balustern begrenzte Haupttreppe im Südflügel wurde im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts errichtet. Bei den Plünderungen in den ersten Monaten nach Kriegsende 1945 wurde die gesamte Inneneinrichtung nahezu restlos vernichtet. Das Schloss lag einst in einem weitläufigen Parkgelände, von dem sich noch die auf das Gebäude zuführende Allee erhalten hat. Auf der anderen Seite der Straße liegt ein stattlicher Meierhof, dessen Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen.

Lage: Niederösterreich/Weinviertel – ca. 7 km westlich von Stockerau

Besichtigung: nur von außen möglich


Weitere Literatur:


07.03.2012